Rechtliche Stolpersteine bei Apothekenvertretungen

Manchmal lauern Stolpersteine und Unsicherheiten, wo man gar keine erwartet: Plant ein Apothekeninhaber Urlaub, wird krank oder fällt aus anderen Gründen aus, liegt es nahe, einen Vertretungs­apotheker zu suchen. Sind im Team nicht ausreichend Ressourcen vorhanden, muss, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, ebenfalls Ersatz her. Oft muss es schnell gehen, etwa als während der Corona-Pandemie mit den sehr kurzfristigen Beschäftigungsverboten für Schwangere zu rechnen war. Was es in Vertretungsfällen zu beachten gibt, lesen Sie hier.

Der Fall wirkt so klar wie einfach. Wurde ein selbstständiger, freiberuflicher Vertretungsapotheker beauftragt, so erhält der Apothekeninhaber nach getaner Arbeit eine Rechnung über die getätigten Leistungen. Eine Anmeldung des Vertretungsapothekers ist nicht nötig, Sozialabgaben müssen vom Inhaber darum nicht abgeführt werden. Dies erledigt die selbststän­dige Vertretung in Eigenregie. Rechnung überwiesen. Fertig. Im Normalfall ist das so. Man könnte sich fragen, wo es hier einen möglichen Stolperstein gibt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Streitigkeiten über den Status von Vertretungsapothekern vor Gericht.

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Erfolgreich als Vertretungsapotheker

So hatte die Deutsche Rentenversicherung vor einigen Jahren Sozialabgaben von einer Apothekeninhaberin für die von ihr beauftragten Vertretungsapotheker gefordert, mit der Aussage, bei Vertretungen handle es sich um Angestellte mit befristetem Arbeitsverhältnis und nicht um Selbststän­dige. Die Begründung war, dass sie bezüglich Öffnungszeiten, betrieblichen Entscheidungen und der Personalführung weisungsgebunden und zusätzlich in den Betrieb eingegliedert seien. Diese Argumente sprechen demnach gegen eine Selbstständigkeit.

Die betroffene Inhaberin klagte jedoch letztendlich erfolgreich dagegen. Am 10. Juni 2020 entschied das Landes­sozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, dass Vertretungsapotheker unter bestimmten Voraussetzungen selbstständig sein können und somit seitens der Klägerin keine Sozialab­gaben abzuführen sind. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass kein Weisungsrecht der Klägerin gegenüber der Vertretung vorläge und diese somit die Tätigkeit frei gestalten könne. Weiterhin würde von der Vertretung bei jedem Arbeitgeber, für den Vertretungen übernommen werden, das Honorar neu und individuell verhandelt werden.

Dieser Urteilsspruch hat seitdem mehr Klarheit in die Sachlage gebracht und kann Vertretungsapothekern eine Argumentationsgrundlage bieten, um ihre selbstständige Tätigkeit im Zweifelsfall gut rechtfertigen zu können.

Selbstständige Vertretungs-PTA

Doch wie verhält es sich im Falle einer Vertretung durch eine PTA? Ist die PTA bei einer Vermittlungsagentur angestellt und wird so gewissermaßen an eine Apotheke „ausgeliehen“, sollte das kein Problem ergeben. In der Apothekenpraxis kommt es allerdings vor, dass Inhaber selbstständige Vertretungs-PTAs beauftragen. Die Gründe sind vielschichtig, etwa wegen der angespannten Personalsituation, als Vertretungen von kranken Mitarbeitern oder wegen anderen auftretenden Engpässen. 

Zudem ist eine Vertretungs-PTA meist kostengünstiger als ein Vertretungsapotheker. Obwohl die Angebote an selbstständigen Vertretungs-PTA im Netz zahlreich vorhanden sind, ist Vorsicht geboten. Da eine PTA aus berufsrechtlichen Gesichtspunkten unter der Verantwortung eines Apothekers arbeitet und somit als weisungsgebunden anzusehen ist, verstößt die Missachtung dieses Punktes gegen die Voraussetzungen für selbstständige Tätigkeiten. Aus diesem Grund ist eine derartige selbstständige Vertretungstätigkeit für PTA normalerweise gar nicht erst möglich. Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass es trotzdem so viele Angebote selbstständiger Vertretungs-PTA gibt.

Es liegt die Vermutung nahe, dass hier nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“ verfahren wird oder die Sachlage vielen PTA und den beauftragenden Inhabern schlichtweg nicht bewusst ist. Und in den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass eine Beauftragung einer selbstständigen Vertretungs-PTA keinerlei Kon­sequenzen nach sich ziehen wird, zumindest so lange es zu keiner Betriebsprüfung kommt. 

Dennoch besteht auch hierbei die Gefahr, dass wie beim oben genannten Fall die Deutsche Rentenversicherung eine Nachzahlung von Sozialabgaben einfordern könnte. Darum ist es ratsam, sich den Sachverhalt bewusst zu machen. Wer möglichen Ärger durch Behörden, auch im Nachhinein, vermeiden möchte, sollte sich im Zweifelsfall die Rechtslage von einem spezialisierten Anwalt erklären lassen und bei der zuständigen Apothekerkammer nachfragen. Dies gilt allgemein, wenn es um das Thema „freie Mitarbeiter“ in der Apotheke geht.

Sicht der Kammern

Wie stehen die Kammern zum Thema freie Mitarbeiter in Apotheken? Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe beispielsweise hat dazu auf ihrer Website ein Merkblatt herausgegeben und Stellung dazu bezogen. Darin schreibt sie, dass der Apothekenleiter nach § 7 Satz 1 Apothekengesetz durch die Betriebserlaubnis zur persönlichen Leitung der Apotheke verpflichtet ist und er darum die pharmazeutische, wirtschaftliche und organisatorische Leitung behalten muss. Weiterhin ist dort zu lesen, dass pharmazeutische Leistungen darum nur im Angestelltenverhältnis erbracht werden dürfen. Weiter heißt es, der Apothekenleiter habe dafür Sorge zu tragen, dass alle Betriebsabläufe weisungsgebunden abgewickelt werden. 

Der Einsatz von freien Mitarbeitern widerspräche somit den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten. Zudem müsste ein freier Mitarbeiter seine Tätigkeit frei gestalten können, was die Kammer ebenfalls nicht als gegeben betrachtet, da er an festgelegte Arbeitsorte und -zeiten gebunden sei. Sie weist ebenfalls auf die möglichen Nach­zahlungen der Sozialabgaben hin, wenn eine freie Beschäftigung im Rahmen einer Betriebsprüfung bekannt geworden ist.

Ob alle Apothekerkammern gleichermaßen diese Meinung vertreten und ob dabei alle möglichen freien Mitarbeiter, von der Vertretungs-PTA über den Vertretungsapotheker bis hin zur Chefvertretung, gemeint sind, bleibt vermutlich – wie so oft bei rechtlichen Sachverhalten – eine Sache der Auslegung. Ob es Ausnahmen gibt, muss im Zweifelsfall, wie bereits oben beschrieben, individuell durch Nachfrage bei der jeweiligen zuständigen Kammer herausgefunden werden. Zumindest in Bayern scheinen Inhabervertretungen auf Honorarbasis erlaubt zu sein. 

Das Oberlandesgericht München hatte 2013 festgestellt, dass es kein Gesetz gibt (weder das Apothekengesetz noch die Apothekenbetriebsordnung oder die bayerische apothekerliche Berufsordnung), welches Vertretungen in Apotheken durch selbstständige Apotheker verbieten würde. § 7 des Apothekengesetzes sei, zumindest durch die beklagte Vertretungsapothekerin, nicht tangiert. Damals hatte die Bayerische Apothekerkammer gegen eine Apothekerin geklagt, die auf ihrer Website Vertretungen gegen Honorar beworben hatte. Die Kammer sah eine derartige Vertretung auf Honorarbasis als Verstoß gegen die persönliche Leitungsverpflichtung einer Apotheke durch den Inhaber an.

An alle Versicherungen gedacht?

Hat man sich trotz der vermeintlichen Widrig- und Unstimmigkeiten für einen freiberuflichen Vertretungsapotheker entschieden, ist es ist sicherlich sinnvoll, vorab zu klären, wie es sich mit der Berufshaftpflicht verhält. Selbstständige Vertretungsapotheker haben meist eine eigene Berufshaftpflicht abgeschlossen, um im Falle eines Schadens ausreichend versichert zu sein. Sie sind hierbei in der Regel gut organisiert, da nicht zwangsläufig jeder Schadensfall durch die Haftpflichtversicherung des Inhabers abgedeckt ist, wenn er durch einen freien Mitarbeiter verursacht wurde. Trotzdem ist es nie verkehrt, sich vor Beginn der Vertretung einmal kurz darüber zu unterhalten und im Zweifelsfall bei den Versicherungen nachzufragen, um für den Fall der Fälle abgesichert zu sein – gerade, wenn man zum ersten Mal zusammenarbeitet.

Möchte man auch beim Thema Unfallversicherung vorsorglich Ärger vermeiden, ist es für Sicherheitsbewusste anzuraten, ebenfalls vor der ersten Beauftragung zu klären, ob sich eine der beiden Parteien gegen die Gefahren eines Arbeitsunfalles absichern möchte. Angestellte Mitarbeiter sind über die Berufsgenossenschaft unfallver­sichert. Für freie Mitarbeiter gilt das nicht unbedingt.

 

Literatur

Arbeitskreis Selbständige/Freiberufliche PTA – Verbands- und Fortbildungsportal des BVpta e. V. www.bvpta.de/bvpta/kontakt-info/arbeitskreise/arbeitskreis-selbstandigefreiberufliche-pta/

Urteils-Ticker. Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, www.lak-bw.de/pharmazie-recht/recht/urteils-ticker.html

Apotheker als freie Mitarbeiter in Apotheken. www.akwl.de/download/akwl/Vertretung_Apotheker_als_freie_Mitarbeiter_in_Apotheken.pdf, Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Sucker-Sket K. Gericht weist Kammer in die Schranken. 31. Januar 2013, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2013/01/31/gericht-weist-kammer-in-die-schranken, Deutscher Apotheker Verlag

Selbstständig als PTA/Zur Konkurrenz-Apotheke. 1. Juli 2012, www.diepta.de/news/selbststaendig-als-pta-zur-konkurrenz-apotheke, Umschau Zeitschriftenverlag GmbH

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker. 1. März 2013, www.dav-awa.de/archiv/2013/1-maerz-2013.html, Deutscher Apotheker Verlag

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