Infektiös, ohne es zu wissen: Forscher finden Erklärung, warum Delta sich so rasant durchsetzte

Der Großteil der Infizierten überträgt Corona schon dann, wenn sie selbst noch nichts von ihrer Infektion spüren. Die Delta-Mutation verstärkt diesen Effekt einer neuen Studie nach – und liefert damit eine mögliche Begründung, warum sie sich so schnell durchgesetzt hat.

Ob sich jemand bei einem Corona-Patienten ansteckt, hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt er Kontakt mit dem Infizierten hatte. Das bestätigten jetzt Wissenschaftler aus China im Rahmen einer großen Studie, welche sie im Fachblatt „JAMA Internal Medicine“ veröffentlichten.

Dabei arbeiteten die Gesundheitsbehörden der ostchinesischen Provinz Zhejiang mit US-Wissenschaftlern zusammen. Sie untersuchten die Ausbreitung von Infektionsketten, welche auf 730 Indexpatienten vom 8. Januar bis 30. Juli 2020 zurückgingen. Von diesen waren 46 Prozent leicht und rund 43 Prozent mittelschwer erkrankt. Gar keine Krankheitssymptome hatten rund elf Prozent der Probanden.

Wo sich Infizierte vor allem ansteckten

Insgesamt werteten sie die Daten von weiteren 8852 Kontakten aus. Am häufigsten erfolgte die Ansteckung

  • bei Unterhaltungen (29,9 Prozent),
  • beim Zusammenleben im selben Haushalt (16,7 Prozent) und
  • beim gemeinsamen Aufenthalt in einem geschlossenen Raum ohne direkten Kontakt (15,6 Prozent).

Zu den engen Kontaktpersonen zählten 4173 Frauen (47,1 Prozent) und 4679 Männer (52,9 Prozent) mit einem Medianalter von 41 Jahren. Von den 8852 Kontaktpersonen infizierten sich insgesamt 327 (3,6 Prozent) bei den Indexpersonen. 61 davon entwickelten daraufhin keine Symptome. Die Wissenschaftler stellten hier fest, dass Personen, die im Kontakt mit einem asymptomatischen Corona-Fall standen, ebenfalls mit höherer Wahrscheinlichkeit keine Krankheitssymptome entwickelten.

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  • Generell liege das Risiko einer Übertragung bei symptomatischen Indexpatienten deutlich höher als bei asymptomatischen. Die Wissenschaftler ermittelten eine um das Vierfache höhere Ansteckungsgefahr.

    Hohe Infektionsgefahr – schon zwei Tage vor den Symptomen

    Die Forscher konnten ebenfalls herausfinden, wann das Ansteckungsrisiko für Kontaktpersonen besonders hoch war. Sie stellten fest: Am höchsten war die Infektionsgefahr in einem Zeitraum von zwei Tagen vor Symptombeginn beim Indexpatienten bis drei Tage danach. Besonders häufig kam es am ersten Tag der Symptome zu einer Ansteckung. Das galt ungeachtet anderer Übertragungsrisikofaktoren wie etwa Expositionsdauer, Alter und Geschlecht. JAMA Ansteckungsrisiko von Kontaktpersonen nach Tag der Symptome der Indexpatienten.

    „Diese Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf das Verständnis der Übertragungsdynamik von Corona und stimmen mit den jüngsten Ergebnissen überein, die darauf hindeuten, dass die Viruslast zwei Tage vor dem Einsetzen der Symptome ihren Höhepunkt erreichen kann“, schreiben die Wissenschaftler. Nach einer Woche mit Symptomen falle die Viruslast dann wieder stark ab.

    Drei von vier Delta-Infektionen vor Symptombeginn

    Diese Ergebnisse bestätigt eine weitere aktuelle Untersuchung aus China, die einen Ausbruch im chinesischen Guangdong analysiert hat. Denn finden mit 74 Prozent demnach etwa drei Viertel der Übertragungen der Delta-Mutation bereits vor Symptombeginn beim Indexpatienten statt. Bei früheren Varianten sei dieser Anteil geringer gewesen, schreiben die Studienautoren um Benjamin Cowling von der Universität Hongkong in ihrer Preprint-Arbeit.

    Der Studie zufolge entwickeln Delta-Infizierte im Schnitt 5,8 Tage nach ihrer Infektion Corona-Symptome; der Corona-Test war im Schnitt jedoch schon 1,8 Tage zuvor positiv. Entsprechend bewegen sich Infizierte etwa zwei Tage durch ihr Umfeld, bis sie selbst Symptome entwickeln – und können unwissentlich zur Virenschleuder werden. Für frühere Virus-Varianten hatten Wissenschaftler eine kürzere Zeit zwischen Infektiösitäts- und Symtombeginn ermittelt.

    Der Befund der chinesischen Auswertung liefert damit Hinweise darauf, "wie es dieser Variante gelungen ist, sowohl den Wildtyp als auch andere Varianten zu verdrängen und zum weltweit dominierenden Stamm zu werden", erklärt Barnaby Young vom National Centre for Infectious Diseases in Singapur.

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