Koalitionsvertrag: Was die Regierung plant



Auf etwa zehn Seiten beschäftigt sich der Koalitionsvertrag von Union und SPD mit dem Themenbereich Gesundheit. Die wichtigsten Punkte für Patienten

Mehrere Gesundheitsthemen haben es in den Koalitionsvertrag geschafft

Papier, so heißt es, ist geduldig. Das gilt sicher auch für den Koalitionsvertrag, auf den sich CDU, SPD und CSU geeinigt haben. Ob alles umgesetzt wird, was die Parteien dort für Gesundheit und Pflege vereinbart haben, lässt sich aktuell nicht beurteilen. Ein Blick auf die Vorhaben der vergangenen Regierung legt jedoch nahe, dass die Verhandlungsergebnisse der Koalitionspartner einen realistischen Fahrplan vorgeben könnten. Immerhin 28 Gesetze ließ Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in der letzten Großen Koalition verabschieden. Folgende Ziele haben sich die Regierungsparteien in Sachen Gesundheit und Pflege für die kommenden drei Jahre gesteckt:

Pflege attraktiver machen

8000 neue Pflegekräfte will die Regierung in einem Sofortprogramm einstellen. Unbesetzt sind nach Angaben der Bundesregierung allerdings schon heute rund 35 000 Stellen in der Kranken- und Altenpflege – und der Bedarf wächst weiter.

Um mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen, will die Regierung dem Koalitionsvertrag zufolge "die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar verbessern". Das heißt zunächst, dass in der Altenpflege flächendeckend nach Tarif bezahlt werden soll. Vor allem private Einrichtungen haben oft keine entsprechende Vorgabe oder niedriger bemessene Haustarife.

Zudem soll es Anreize für eine Rückkehr von der Teil- in die Vollzeit geben sowie ein Wiedereinstellungsprogramm und eine bessere Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten. Pflegehelfer sollen verstärkt zu Pflegefachkräften weiterqualifiziert werden. Was die Verbesserung der Arbeitsbedingungen angeht, bleibt der Koalitionsvertrag vage. Entlastung könnte in der Altenpflege eine – nicht näher bezifferte – Mindestpersonal­­zahl bringen.

Zusatzbeiträge halbieren

Bereits zum Jahresbeginn 2019 sollen Patienten den Zusatzbeitrag, den Krankenkassen in unterschiedlicher Höhe erheben, nicht mehr alleine tragen müssen. Arbeitgeber beziehungsweise Rentenversicherung sollen die Hälfte der Kosten übernehmen. Für den einheitlichen Kassenbeitrag von 14,6 Prozent des Einkommens oder der Rente gilt dies bereits jetzt. Entlastet werden sollen kleine Selbstständige: Sie zahlen laut Koalitionsvertrag zukünftig mit einem monat­lichen Mindestbeitrag von 171 Euro nur noch halb so viel wie bisher.

Angehörige entlasten

Menschen, die ihre kranken und alten Angehörigen selbst pflegen, haben bisher Anspruch auf unterschiedliche Entlastungen, etwa Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege. Künftig will man diese unterschiedlichen An­gebote zu einem Gesamtbudget zusammenfassen, das flexibel in Anspruch genommen werden kann. Zudem sollen Angehörige durch ein ärztliches Rezept einen Anspruch auf eine Reha erhalten.

Finanziell entlastet werden sollen die Kinder pflegebedürftiger Eltern: Ihr Einkommen darf für einen Pflegeplatz erst angezapft werden, wenn sie jährlich mehr als 100 000 Euro verdienen.

Kliniken umstrukturieren

Die Bundesregierung will die Krankenhausplanung verändern. Ziel der Maßnahmen: Manche Kliniken sollen sich auf die Behandlung schwerwiegender und komplexer Krankheiten spezialisieren, andere sollen die Grund- und Regelversorgung abdecken. Viele wissenschaftliche Studien belegen, dass eine solche Arbeitsteilung die Qualität und die Erfolgsquote der Behandlungen verbessert.

Neu auch: Pflegekräfte sollen künftig nicht aus den allgemeinen Fallpauschalen bezahlt werden, die Krankenhäuser für jede Therapie erhalten, sondern über einen anderen Finanztopf. Damit will die Politik verhindern, dass Kliniken am Personal sparen, um etwa einen neuen OP-Saal finanzieren zu können. Zudem sollen gesetzliche ­Mindestzahlen für Pflegekräfte in allen Bettenbereichen eingeführt werden. Bisher war dies nur für noch nicht näher definierte "pflegeintensive" Bereiche vorgesehen.

Des Weiteren will man Organentnahmen höher vergüten und Transplantationsbeauftragte der Kliniken von anderen Arbeiten freistellen. Beide Maßnahmen haben das Ziel, mehr Organspenden möglich zu machen.

Schneller Termine erhalten

Die Terminservicestellen, die einen Facharzttermin innerhalb von vier Wochen vermitteln müssen, sollen künftig besser erreichbar sein. Dafür erhalten sie eine einprägsame, bundesweit einheitliche Telefonnummer, unter der sie von 8 bis 18 Uhr erreichbar sind. Zudem werden diese Stellen auch für Haus- und Kinderarzttermine zuständig sein.

Patienten besser beraten

Um leichter einen Termin zu erhalten, soll die Zeit, die Ärzte mindestens für Kassenpatienten arbeiten müssen, von 20 auf 25 Stunden erhöht werden. Und die Bundesregierung plant Sonder­honorare für Mediziner, die sich in ländlichen Gebieten niederlassen; dort werden voraussichtlich auch Zulassungssperren entfallen. Besser vergütet werden soll zudem die sogenannte sprechende Medizin, damit Ärzte und Patienten ausführlicher miteinander reden können.

Zahnarztkosten senken

Die Festzuschüsse für Zahnersatz sollen von 50 auf 60 Prozent erhöht werden. Allerdings bezieht sich diese Verbesserung nur auf die als Standard definierte Behandlung, zum Beispiel eine Metallkrone bei Backenzähnen. Den Aufpreis, den in diesem Beispielfall eine Keramikkrone kosten würde, muss der Patient weiterhin selbst zahlen.

Versandhandel verbieten

Die Große Koalition will den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verbieten, um die Apotheken vor Ort mit ihrer Beratungsleistung zu stärken. Allerdings hatte sich Gesundheitsminister Jens Spahn bis zum Redaktionsschluss nicht abschließend zu diesem Thema geäußert.

Schulgeld abschaffen

Viele angehende Gesundheitsberufler, zum Beispiel Physiotherapeuten oder pharmazeutisch-technische Assistenten, müssen für ihre Ausbildung Schulgeld bezahlen. Dem will die Regierung laut Koalitionsvertrag ein Ende bereiten. Außerdem beabsichtigt sie, den nichtärztlichen Heilberufen mehr Verantwortung im Gesundheitswesen zu übertragen. Aktuell läuft etwa ein Modellprojekt für einen direkteren Zugang zur Physiotherapie.

Schneller entscheiden

Ob neue Diagnose- und Therapiemethoden zur Kassenleistung werden, soll künftig schneller entschieden werden. Zuständig ist dafür hierzulande der Gemeinsame Bundesausschuss – die Bundesregierung würde dessen Aufgabenkatalog und die Ablaufstrukturen gerne straffen. Zuletzt hatte das Gremium von den verschiedenen Bundesregierungen ständig mehr statt weniger Aufgaben zugeschrieben bekommen.

Verschwendung beenden

Millionen Tonnen noch essbarer Lebensmittel landen jährlich auf dem Müll. Dem will die Regierung mit bereits angelaufenen Aktionen wie "Zu gut für die Tonne" begegnen, aus denen eine "nationale Strategie" entstehen soll. Dabei kommt auch das Mindesthaltbarkeitsdatum auf den Prüfstand – denn viele Lebensmittel sind auch nach dessen Ablauf nicht verdorben.

Zucker und Fett reduzieren

Den hohen Gehalt von Zucker, Fett und Salz in Fertiglebensmitteln zu reduzieren hatte bereits ein umstrittenes Papier der vergangenen Regierung zum Ziel. Nun soll erneut ein Konzept erarbeitet werden, diesmal mit verbindlichen Zielmarken und einem konkreten Zeitplan. Wie stark die Reduktion ausfallen wird und wie sehr sich die Lebensmittelindustrie in diesen Prozess einbringen wird, ist derzeit noch völlig offen.

Besser kennzeichnen

Der Koalitionsvertrag verspricht, die Nährwertangaben für verarbeitete und verpackte Lebensmittel "weiterzuentwickeln". Dabei soll der Gehalt der Nährstoffe "gegebenenfalls vereinfacht visualisiert" werden. Verbraucherverbände fordern zum Beispiel seit Langem die Lebens­mittelampel: Ungesunde Speisen erhalten dann die Kennzeichnung Rot. Doch an der Ausarbeitung ihrer Pläne will die ­Regierung auch die Lebensmittel­industrie beteiligen. Diese – wie auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner – lehnt eine Ampel jedoch ab.

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