Warum der Placeboeffekt stärker ist, wenn der Arzt ein weißer Mann ist

Wenn die Lunge rasselt oder der Blinddarm zwickt, muss ein Medikus her, ein Weißkittel, ein Heiler. Namen für Ärztinnen und Ärzte gibt es viele. Gemein haben sie, dass sie in jahrelangem Studium gelernt haben, gesundheitliche Beschwerden zu lindern, bestenfalls zu beheben. Wer das Stethoskop ansetzt, ob eine Frau oder ein Mann im Arztkittel steckt, sollte entsprechend keinen Unterschied machen. Die Hautfarbe ohnehin nicht. Aber entspricht das auch der Realität? Wie eine Studie nun herausgefunden hat, vertrauen weiße Patient:innen offenbar noch immer vor allem der medizinische Kompetenz einer Personengruppe: die der weißen Männer. Und genau das kann negative Effekte auf die Gesundheit haben. Die Studienergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht.

An der kleinen Studie, die ein Forscherteam um Lauren C. Howe von der Universität Zürich in den USA durchführte, nahmen 187 Menschen teil. Sie alle waren weiß. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, ob die Hautfarbe und das Geschlecht des Behandelnden einen Einfluss auf den Heilungsprozess der Patient:innen hat. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip einem männlichen oder weiblichen Behandelnden zugewiesen, der asiatisch aussehend, schwarz oder weiß war. Getarnt war die Untersuchung als Allergietest. Daher wurde bei den Proband:innen zunächst eine allergische Reaktion ausgelöst, die in der Folge mit einer Creme behandelt wurde. Bei dieser handelte es sich um ein Placebo, was die Patient:innen nicht wussten. Die Resultate sprechen für sich.

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Vertrauen wichtig für Placeboeffekt

Der Placeboeffekt fiel nicht nur geringer bei den Studienteilnehmer:innen aus, die von Frauen behandelt worden waren, ihre allergische Reaktion war auch stärker als bei denen, die von Männern versorgt worden waren. Die Hautfarbe des Arztes hat, das legen die Studienergebnisse nahe, ebenso einen negativen Effekt auf den Placeboeffekt. Waren die behandelnden Männer schwarz, reagierten die Patient:innen stärker auf den Prick-Allergietest und auch die Wirkung der Creme fiel geringer aus als bei weißen oder asiatisch aussehenden behandelnden Männern. Aber warum?

Ob der Placeboeffekt seine Wirkung entfaltet oder nicht, ist auch davon abhängig, ob die Patient:innen an eine Linderung der Beschwerden durch die Behandlung glauben. Vertrauen spielt dabe eine große Rolle. Vertrauen in ein vermeintliches Medikament aber eben auch das Vertrauen in die Person, die dieses verordnet. Genau darin liegt der Knackpunkt. Mit dem Bild des sogenannten Halbgottes in Weiß verbinden noch immer viele, ob bewusst oder unbewusst, eben nicht nur einen Mann im weißen Kittel, sondern einen weißen Mann im weißen Kittel. Die Studie legt dar, wie stark diese erlernten Assoziationen und damit zusammenhängende Vorurteile in der Gesellschaft nach wie vor verankert sind. In diesem Fall: der us-amerikanischen Bevölkerung. Ob die Ergebnisse in Deutschland, Vietnam oder Ghana ähnlich ausfallen würden, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Zudem gilt zu bedenken, dass es sich um eine kleine Untersuchung handelt.

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"Wenn ein Arzt nicht wie jemand aussieht, der diese Rolle während des Großteils der Geschichte innehatte – also kein weißer Mann ist – könnte es sein, dass Patienten weniger stark auf die Behandlung reagieren", fasst Howe zusammen. Anders ausgedrückt: Vorurteile, ob bewusst oder nicht, können dem Heilungsprozess abträglich sein. Allerdings berichtet Howe auch: "Interessanterweise hatten die Patienten keine expliziten Vorurteile gegen Frauen oder schwarze Mediziner." Die Teilnehmer:innen seien vielmehr bemüht gewesen, unvoreingenommen zu sein. Dass das mehr als leere Worte waren, bestätigten mehr als 1000 Menschen, denen im Anschluss kurze Videos von den Behandlungen gezeigt wurden. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Patient:innen gar zugewandter waren, höflicher und interessierter wirkten, wenn sie von einer Frau oder einem schwarzen Mediziner behandelt wurden. 

Quelle: PNAS

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