So ansteckend war noch keine Variante: Die neue Omikron-Sublinie XBB.1.5 breitet sich derzeit in den USA aus, auch in Deutschland gibt es bereits Nachweise. Wissenschaftler gaben ihr den Spitznamen „Krake“. Was Sie über das Corona-Seeungeheuer wissen müssen.
Seit Mitte Dezember dominiert sie in den USA das Infektionsgeschehen, auch in Deutschland ist sie bereits angekommen: Die neue Omikron-Variante XBB.1.5, auch „Krake“ genannt, gilt als hochansteckend. Veränderungen am Spike-Protein erleichtern ihr nach ersten Daten den Eintritt in die menschlichen Zellen. FOCUS online klärt die wichtigsten Fragen zu Infektiosität, Krankheitsverlauf und Entwicklung.
Wie stark wird sich XBB.1.5 verbreiten?
Die Sublinie XBB.1.5 der Corona-Variante Omikron könnte sich nach Einschätzung von Experten in den kommenden Wochen und Monaten auch in Europa und Deutschland stark ausbreiten. „Man kann mit einiger prognostischer Sicherheit sagen, dass die Variante auch bei uns die dominante Variante werden wird“, sagte etwa der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Anlass zu großer Sorge gebe es aber nicht. „Wir sehen zwar etwas mehr Fälle in den USA, aber da läuft keine gigantische Welle ab.“
XBB.1.5 habe im Nordosten der USA schnell an Häufigkeit zugenommen und dominiere dort seit Mitte Dezember das Infektionsgeschehen, sagte Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel. Außerhalb des Nordostens der USA sei die Variante noch seltener verbreitet, der Anteil nehme aber zu.
Wie ansteckend ist die neue Corona-Variante?
„Die grundsätzliche Variante ist seit Oktober bekannt“, sagte Zeeb, der Leiter des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung ist. „Da wurde erstmalig gesehen, dass die Kombination von Untervarianten aufgetreten ist.“ Die Besonderheit von XBB.1.5 sei die noch mal höhere Infektiosität. „Die war bei Omikron schon entwickelt, XBB.1.5 toppt das jetzt noch mal.“
Die Sublinie sei so leicht übertragbar wie keine der bisher bekannten Varianten, hatte die Corona-Spezialistin Maria van Kerkhove von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwoch in Genf gesagt. Es werde angenommen, dass XBB.1.5 einen „großen Wachstumsvorteil“ gegenüber den zuvor zirkulierenden Linien in Nordamerika und Europa habe, teilte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC am Donnerstag mit. Diese Annahme sei aber noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.
Besonders ist an XBB.1.5 eine „kritische Doppelmutation“, wie Mediziner Eric Topol auf Twitter schreibt. Diese sei für die Immunflucht sowie die hohe Infektiosität verantwortlich. Darauf deutet jetzt eine neue im Preprint erschienene Studie von chinesischen Wissenschaftlern hin. Die Variante ist demnach im Vergleich zu XBB.1 an zwei Stellen des Spike-Proteins verändert. Dadurch könnte XBB.1.5 besser an die ACE2-Rezeptoren des Menschen binden, der Eintritt in die Zellen ist also erleichtert.
„Das bedeutet, dass die neue Variante XBB.1.5 zusätzlich zur Immunflucht auch ansteckender ist, weil sie eine geringere Infektionsdosis, also weniger Viren benötigt, um eine Infektion auszulösen“, betonte auch Virologe Alexander Kekulé im Gespräch mit FOCUS online.
Und Virologe Hendrik Streeck sagte „RTL“: „Die XBB.1.5-Variante zeigt eine stärkere Übertragbarkeit, auch bei Geimpften oder gerade Genesenen.“
Wie gefährlich ist die neue Variante?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte sich bereits besorgt. Am Donnerstag twitterte er: „Hoffentlich kommen wir durch den Winter, bevor eine solche Variante sich bei uns ausbreiten kann.“
Neher zufolge gibt es bisher wenig Informationen über den Schweregrad von Erkrankungen mit der neuen Sublinie. Fälle und Krankenhausaufenthalte hätten in den gesamten USA zugenommen, nicht nur in Regionen, in denen XBB.1.5 vorherrsche, sagte der Experte. Das sei zumindest ein erster Hinweis darauf, dass sich der Schweregrad von XBB.1.5-Infektionen nicht wesentlich von dem anderer aktuell kursierender Varianten unterscheide. Auch Virologe Kekulé bestätigte, dass es bislang keine Daten gebe, die auf schwerere Verläufe hindeuteten.
Was bedeutet die Verbreitung für Deutschland?
Und was bedeutet die Sublinie für Deutschland? „XBB.1.5 trifft auf eine wieder nachlassende Immunität von Menschen, deren Impfung oder Infektion schon länger zurückliegt“, erklärte Zeeb. „Erst in den USA und in der Folge dann auch bei uns in Deutschland.“ Allerdings sei die Zahl der Nachweise von XBB.1.5 in Deutschland derzeit noch sehr gering. „Da muss man noch nicht über neue Maßnahmen nachdenken.“
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurde die Sublinie Ende November das erste Mal in einer Stichprobe in Deutschland nachgewiesen. Laut ECDC könnte sie zunehmenden Einfluss auf die Zahl der Corona-Fälle in Europa haben, allerdings noch nicht innerhalb des nächsten Monats. Die Häufigkeit von XBB.1.5 habe sich etwa jede Woche verdoppelt, teilte Neher mit. Wenn sich dieser Trend fortsetze, könne man in der ersten Januarhälfte einen Anteil von drei bis sechs Prozent erwarten.
Wichtig sei, die Entwicklung genau zu beobachten, sagte Zeeb. Die fortlaufende Sequenzierung von Proben sei sehr wichtig und müsse auf hohem Niveau beibehalten werden. Dafür müsse man europaweit zusammenarbeiten. „Es sollte ein guter Anteil von Fällen aus allen Ländern sequenziert werden. Das ist wichtig, um dann wirklich relevante Veränderungen möglichst frühzeitig zu erkennen.“
Woher kommt der Name „Krake“?
Erstmals als „Krake“ bezeichnete die Variante der kanadische Biologe Ryan Gregory. „XBB.1.5 verdient definitiv einen Spitznamen mit seinem rekordverdächtigen Wachstumsvorteil und sowohl sehr hoher Immunabwehr als auch ACE2-Bindung“, schrieb er kurz nach Weihnahten auf Twitter. Seitdem nutzen viele Wissenschaftler in den sozialen Medien den Hashtag „kraken“, auch die internationale Presse griff den Namen mittlerweile auf.
Die WHO gibt den Untervarianten keine griechischen Lettern mehr, da sie sich weniger voneinander unterscheiden als etwa Alpha von Beta. Darum nutzen Wissenschaftler solche sogenannten „Streetnames“, damit sich die Bevölkerung die Namen der Varianten besser merken kann. So wurde etwa die Omikron-Variante BQ.1.1 „Cerberus“ genannt, wie der Höllenhund, der in der griechischen Mythologie den Eingang zur Unterwelt bewacht.
Auch der Krake soll ein gefährliches Tier symbolisieren, ein Seeungeheuer. Auch wenn dieses, wie auch Biologe Gregory einräumt, nicht der griechischen Mythologie entstammt.
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