Männer laufen sich krank – Frauen gehen es entspannter an

Der Unterschied scheint klein, aber er ist uns wichtig. Sie, die läuft, das bin ich, die Autorin dieses Artikels, Wissenschaftsredakteurin und Freizeitläuferin. Ich habe keine Ahnung, wie schnell ich einen Kilometer laufe. Warum auch? Beim Sport geht es mir vor allem ums Wohlfühlen und meine Gesundheit. Das ist typisch Frau. 

Er, der rennt, das ist Mike Kleiß, Kolumnist und Buchautor. Seine persönliche ­Marathonbestzeit liegt bei unter drei Stunden. Mike hat etwa 100 Paar Laufschuhe zu Hause. Er sagt, dass es für ihn beim Sport auch darum gehe, Grenzen auszutesten. Das ist typisch Mann.

Wegen dieser kleinen Unterschiede heißt unser Podcast "Sie läuft. Er rennt". Wie uns geht es vielen: Frauen und ­Männer treiben Sport auf höchst unterschiedliche Weise. Gerade beim Laufen sieht man es deutlich. So habe ich es auch vor einiger Zeit an einer Steigung am Hamburger ­Elbufer erlebt. Fünf Kilometer bin ich ­entspannt am Hafenrand entlanggetrabt. Wenig denken. Sich einfach treiben lassen. Jetzt nur noch hier hoch, und dann bin ich zu Hause. Ein paar Meter vor mir sehe ich zwei Männer, Mitte vierzig. Enge Laufhosen, top gepolsterte Schuhe, ­neongelbe Funktionsshirts. Beide haben hochrote Köpfe und sind außer Atem. Sie ­können längst nicht mehr rennen, schlendern nur noch und schnaufen wie Darth Vader.

Kaum, dass ich gemütlichen Schrittes an ihnen vorbeilaufe, höre ich den einen raunen: "Hey, wir lassen uns nicht von einer Frau überholen." Schon hecheln sie los und ziehen vorbei. Ächzend spurten sie 100 Meter weiter bis zu einer Fußgänger­ampel. Mit jetzt knallroten Köpfen stützen sie sich keuchend am Pfosten ab. "Gewonnen", kann der eine noch japsen. Und hoffen, dass die Ampel nicht allzu rasch Grün zeigt. 

Laufen


Viele trainieren zu viel und zu hart – so finden Sie das richtige Maß für sich

Im Frühling sind Männer des Orthopäden beste Kunden 

Für viele Männer ist das Leben ein Wettbewerb. Sie sind auf der Jagd nach Best­zeiten, Siegen, wollen Grenzen nieder­reißen. Gesund ist das selten. Auf Signale, die der Körper sendet, wird allzu oft ge­pfiffen, gerannt, bis die Gelenke knirschen und die Bänder quietschen. Regeneration ist für viele ein Fremdwort. Es geht um Ruhm und Ehre – und Heldengeschichten, mit denen Mann beim nächsten Video- Meeting vor Kollegen protzen kann. Mein Marathon, mein Triathlon, meine Zeit.

Es ist keine Überraschung, dass Männer meist diejenigen sind, die beim Marathon den plötzlichen Herztod sterben. Zum Start der Laufsaison sind sie des Ortho­päden beste Kunden. Mit Schienbeinschmerzen, entzündeten Fußsohlen und überlasteten Muskeln bevölkern sie die Wartezimmer – voller Hoffnung auf Sofort-Heilung. Ein Orthopäde, mit dem ich kürzlich sprach, sagt: "Wenn die ersten Tage die Sonne scheint, behandle ich nur Männer."

Frauen treiben Sport hauptsächlich, weil wir uns wohlfühlen wollen, sagt die Statistik. Weil wir etwas für uns tun möchten und überzählige Pfunde nerven. Yoga, Gymnastik oder Pilates sind beliebt. ­Ziehen wir die Turnschuhe an, wollen wir selten Rekorde brechen. Maximalanfor­derungen und Grenzerfahrungen sind eher egal. Wir wollen Spaß haben, vielleicht unterwegs mit der besten Freundin noch ein bisschen plaudern. Aber auf jeden Fall nicht wie von Sinnen hintereinander her hetzen. Deswegen lassen wir es viel ruhiger angehen. Dafür werden wir dann auch mit weniger Verletzungen durch Über­lastung und Übermüdung belohnt.

Woran das liegt? An uralten Genen? An der Erziehung? An unserem Umfeld? In der ersten Folge unseres Podcasts gehen wir dazu auf Spurensuche. Reden über unsere Erfahrungen und besprechen, wie Wissenschaftler auf die Geschlechter und ihre jeweiligen Laufgewohnheiten schauen. Mike Kleiß gibt zu, dass auch sein Arzt ihm schon geraten hat, es maßvoller anzu­gehen. Und ich kann damit protzen, noch keine Laufverletzung gehabt zu haben. 

Neue Forschungserkenntnisse


Sport macht tatsächlich schlau – so hilft Bewegung unserem Kopf

Klar: Auch Frauen machen Fehler! Stimmt, auch wir sind nicht die perfekten Sportlerinnen. Vor allem allerdings, das habe ich über die Jahre aus vielen Gesprächen mit Sportmedizinern gelernt, weil wir es oft zu langsam angehen lassen. 

So wie etwa die Patientin eines Hamburger Arztes, die extra für einen Trainingsplan in seine Sprechstunde gekommen war. Als sie sechs Wochen später zur Kontrolle zurückkehrte, klagte sie darüber, keinerlei Fortschritte gemacht zu haben. Der Arzt fragte nach. Dreimal pro Woche sei sie laufen an der Alster gewesen. Aber weit gekommen sei sie nie. Er fragte: "Warum nicht?" Sie antwortete: "Weil mein Herz dann immer so zu schlagen anfing und ich geschwitzt habe, da bin ich stehen geblieben." Immer, wenn es anstrengend wurde, hörte sie auf. Die pragmatische Lösung des Arztes: Er begleitete sie zum Training und erklärte ihr, dass ein erhöhter Puls und ein bisschen Schweiß ganz normal seien. 

Das richtige Maß zu finden ist eine kleine Kunst, für Männer und für Frauen gleichermaßen. Viele scheitern genau daran, daraus wollen wir keinen Hehl machen. Deswegen beschäftigen wir uns in unserem Podcast auch intensiv mit dieser ­Frage. Mein Co-Moderator Mike Kleiß hat es auf die harte Art gelernt. Als er glaubte, mit einem operierten Knie wieder voll ins ­Training einsteigen zu können. Und ich, als ich bei meiner ersten Laufrunde japsend mitten in Hamburg stand – und mir klar wurde, wie unfit ich in Wahrheit war. Wir sagten heute: Die beiden Geschlechter können einiges voneinander lernen. 

Gerade beim Laufen ist die Kunst der Dosierung wichtig

Mein Co-Läufer Mike hat einen Gang ­zurückgeschaltet. Und ich habe nicht auf­gegeben. Sondern mir kleine Ziele gesetzt. Irgendwann lief es besser. Nicht am nächsten Tag, aber in den nächsten Wochen. Dann kam ich nach Hause und sagte zu meinem Mann: "Das war großartig, zum Glück bin ich losgelaufen." Aus zwei Kilometern ­wurden fünf, dann sieben. Es strengte mich immer weniger an. Mit jedem Mal fühlte ich mich wohler, gesünder auch. Die Heilkraft der Bewegung ist durch zahlreiche Studien belegt. Der amerikanische Arzt James O’Keefe sagte einmal zu mir in einem Interview: "Wäre Bewegung ein Medikament, wäre es ein Vermögen wert."

Bis heute ist körperliche Aktivität das einzig bekannte Mittel, welches das Altern verlangsamt. Zahlreichen Krankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes, Depressionen und Bluthochdruck beugt es auch vor, und es stärkt das Immunsystem. Richtig dosiert sogar ganz ohne Nebenwirkungen.

Es lohnt sich also loszulaufen. Gerade jetzt. Das beste Tempo für Frauen und Männer ist leicht zu finden. Um den größten gesundheitlichen Effekt zu haben, muss niemand jeden Tag 15 Kilometer ­laufen oder Berge hinaufstürmen. Es geht nicht darum, einem maßlosen Fitnessideal hinterher zu hecheln. Ein moderates ­Tempo reicht bereits. Die simple Gleichung, dass nur viel Sport auch mehr Gesundheit bedeute, gilt nicht mehr. Zahlreiche Studien belegten die Wirksamkeit von Bewegung auch in überraschend kleinen Dosen. So fanden Forscher des Cooper Institute in Dallas heraus, dass selbst Läufer, die nur langsam und sporadisch trainieren, im Durchschnitt bis zu drei Jahre länger leben als ihre inaktiven Zeitgenossen. Sogar Raucher und Übergewichtige profitieren. 

Sport und Ernährung


Wie Sie mit der richtigen Ernährung fit und schlank werden – ohne Energieriegel und Powerdrinks

Sport wirkt schon in kleinen Portionen

Wir haben allzu lange den Fehler gemacht, den Leuten den Spaß zu nehmen, weil wir suggeriert haben, dass sie, um gesund zu bleiben, viel und hart trainieren müssen. Dabei ist Laufen unser Lebens­elixier. Nur wenn es Freude bereitet, schnüre ich mir morgens die Sportschuhe. ­Meine wichtigste Regel: Laufen darf nicht wehtun, sonst bin ich zu schnell unterwegs und gebe auf. Ich muss mich gut fühlen. Wenn ich beim Laufen noch flüssig reden kann, ist mein Tempo genau richtig.

Übrigens: Jede Folge des Podcasts dauert eine Stunde. Das ist Absicht, denn für eine entspannte Laufrunde braucht man etwa so lange. Sie können uns also gut unterwegs hören.

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Die Boss – Macht ist weiblich

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