Kann Spermidin Demenz vorbeugen?



Wissenschaftler experimentieren mit einer Art Lifestyle-Pille, die Alzheimer vorbeugen soll. Sie soll Spermidin enthalten, das auch in Lebensmitteln vorkommt

Guten Appetit: Hülsenfrüchte enthalten viel Spermidin

Kann ein Extrakt aus Weizen­keimen vor Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer schützen – oder ihren Ausbruch zumindest verzögern? Das untersuchen derzeit Neuro­wissen­schaftler unter der Leitung von Professorin Agnes Flöel an der Berliner Charité.

Spermidin heißt die Substanz, die außer in Weizenkeimen auch in gereiftem Käse, in Sojaprodukten und Hülsenfrüchten in größeren Mengen vorkommt. Der mensch­liche Körper bildet ebenfalls Spermidin. Es hilft den Zellen, alte oder beschädigte Zellteile zu entsorgen – und somit jung und gesund zu bleiben. Ob es jedoch auch das Gedächtnis und die Lernfähigkeit beeinflussen kann, wenn es über die Nahrung au­f­genommen wird, soll jetzt die vom Bundes­­minis­terium für Bildung und Forschung ­ge­förderte Unter­su­­chung "Smart­Age" ­zeigen.

Beispiele für Lebensmittel mit hohem Spermidingehalt


Gereifter Käse wie Parmesan

Weizenkeime

Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen

Studie lässt hoffen

Im Rahmen dieser Studie nehmen 100 Personen ein Jahr lang jeden Tag ­eine Kapsel mit Sper­midin zum Essen ein. Die Teilnehmer sind ältere, gesunde Menschen, deren Gedächtnis sich nach eigener Einschätzung verschlechtert hat. Die dreimo­natige Vorstudie ist laut Flöel vielversprechend verlaufen: "Es gab keine gravierenden Nebenwirkungen. Und neuropsycho­logische Tests zeigten tendenzielle Verbesserungen der Gedächtnis­leistung."

Die Ursache sogenannter neurode­ge­nerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson sind Ablagerungen in den Gehirnzellen. Um sie zu beseitigen, gaukelt Spermidin den Zellen eine Art Hungermodus vor. Das bringt sie dazu, abgelagerte Proteine und andere krank­­heitserregende Zellbestandteile zu verdauen und als Nährstoffe zu nutzen.

Hirnzellen im Hungermodus

Denselben Effekt könnten Menschen laut Flöel auch durch eine verringerte Kalorienzufuhr erzielen. Spermidin zählt zu den Substanzen, die der Körper herstellt, wenn er Gewicht verliert – ­also beispielsweise beim Fasten. Weil das aber nicht dauerhaft durchzuhalten sei und gerade für ältere Menscheneine kalorienarme Diät oft nicht infrage komme, ergänzen die Forscher die Nahrung durch Spermidin.

Solche neuen Präventionsansätze werden künftig wohl noch an Bedeutung gewinnen. Denn bis zum Jahr 2050 könnten laut der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft drei Millionen Menschen von Demenz betroffen sein. Und die Krankheit, bei der das Gedächtnis schleichend nachlässt, ist bisher nicht heilbar. Spermidin wird dies laut Neurologin Flöel auch nicht leisten können, aber vielleicht dabei helfen, den Beginn der Erkrankung zumindest um ein paar Jahre hinauszuzögern.

Als alleinige Maßnahme vermutlich nicht ausreichend

Wer jetzt vielleicht hofft, künftig nur ein paar Pillen einwerfen zu müssen, um nicht dement zu werden, wird enttäuscht: "Nahrungsergänzungsmittel können eine ausgewogene Ernährung und einen gesunden Lebensstil wahrscheinlich niemals ersetzen", betont die Forscherin.

Menschen, die den Eindruck haben, ihre geistigen Fähigkeiten ließen nach, rät Professor Tobias Hartmann, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Demenzprävention an der Universität des Saarlandes, möglichst früh­zeitig eine ärztliche Diagnose einzuholen. "Dahinter kann immer auch eine an­dere Ursache stecken, wie zum Beispiel Schilddrüsenprobleme, eine Depres­sion oder ein Vitamin-B12- Man­gel. Und die kann man leichter therapieren", sagt Alzheimer-Forscher Hartmann.

Weitere Empfehlungen zur Demenz-Prophylaxe

Um Demenzerkrankungen vorzubeu­gen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Diabetes, Blut­hochdruck und Übergewicht vermeiden, soziale Kontakte pflegen und regelmäßig Sport treiben.

Auch die Mittelmeerkost mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Fisch und Nüssen gilt als förderlich; außerdem wenig Zucker und wenig rotes Fleisch – alles Maßnahmen, die auch allgemein als gesund gelten. Und die schon jetzt jeder beherzigen kann.

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