Jeder Dritte hat zu hohen Blutdruck und in Zukunft werden vermutlich noch mehr unter Hypertonie leiden. Medikamente senken zu hohe Werte, doch bei 20 Prozent der Betroffenen wirken sie nicht ausreichend. FOCUS Online sprach mit einem Experten, wie die neue Therapie gegen Bluthochdruck aussieht und was die Zukunft bringt.
Bluthochdruck ist letztendlich lebensgefährlich, wenn er nicht richtig behandelt und damit eingestellt wird. Warum Hypertonie so riskant ist: Die Krankheit ist heimtückisch, sogar sehr hohe Blutdruckwerte tun nicht weh und der Betroffene merkt davon kaum etwas.
Bluthochdruck wird häufig erst bei Routineuntersuchungen entdeckt – dann hat der Betroffene Glück gehabt – oder im schlimmsten Fall dann, wenn eine der ernsten Hypertonie-Folgen eintritt, etwa ein Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Ursachen und Risikofaktoren – warum Bluthochdruck zunimmt
Dabei hat ein Drittel der Deutschen zu hohen Blutdruck, es handelt sich also um die Volkskrankheit Nummer eins und liegt weit vor der Nummer zwei, Diabetes. „Bluthochdruck wird häufig durch Übergewicht verursacht, zusätzlich ist er altersabhängig“, sagt Bernhard Krämer, Präsident der Deutschen Hochdruckliga (DHL) und Direktor der V. Medizinischen Klinik UMM Universitätsmedizin Mannheim. Von den über 70-Jährigen sind sogar Dreiviertel Hypertoniker.
Die Zahl steigt seit Jahren und wird noch weiter zunehmen, einerseits durch die immer höhere Lebenserwartung, andererseits durch die Epidemie Übergewicht.
Zusätzlich treibt der steigende Konsum von Kochsalz den Blutdruck in die Höhe. Vor allem verstecktes Salz in Fertiggerichten, Wurst und Brotwaren kommt hier zum Tragen. Weitere Risikofaktoren für Bluthochdruck: Rauchen sowie regelmäßiger Alkoholkonsum. Deshalb tritt Bluthochdruck heute oft schon bei unter 40-Jährigen auf.
Grenzwert für Bluthochdruck 130/80 oder 140/90?
Der ideale Blutdruck liegt bei 110-120/70-80 mmHg. Es ist ganz natürlich, dass der Blutdruck dabei Schwankungen unterliegt, bei Entspannung auch mal auf 100/70 sinkt, unter Stress auf 140/90 oder höher steigt. Liegt der Blutdruck jedoch im Mittelwert dauerhaft bei oder über 140/90 mmHg, handelt es sich um behandlungsbedürftigen Bluthochdruck.
Diese Festsetzung wurde durch die SPRINT-Studie vermeintlich in Frage gestellt, „nach der in Amerika der Grenzwert auf unter 130/80 mmHg gesenkt wurde,“ berichtet Bernhard Krämer. In Deutschland beziehungsweise ganz Europa gehen die Experten jedoch davon aus, dass 140/90 weiter eine vernünftige Festsetzung ist. Die Menschen sollen nicht kränker gemacht werden, als sie sind. Die genauen Werte laut Hochdruckliga:
Richtwerte für den in der Praxis gemessenen Blutdruck in mm Hg
Oberer Wert (systolischer Wert) Unterer Wert (diastolischer Wert)
Optimal: unter 120 systolisch, unter 80 diastolisch
Normal: 120 bis 129 und 80 bis 84
Hochnormal: 130 bis 139 und 85 bis 89
Hypertonie Grad 1: 140 bis 159 und 90 bis 99
Hypertonie Grad 2: 160 bis 179 und 100 bis 109
Hypertonie Grad 3: 180 oder mehr und 110 oder mehr
So gefährlich ist Bluthochdruck – die Folgeschäden von Hirn bis Herz
Ist der Blutdruck dauerhaft erhöht, kann das viele Lebensjahre kosten. „Bluthochdruck ist der wichtigste, kontrollierbare Risikofaktor für lebensgefährliche Krankheiten, vor allem Schlaganfall, Herz- und Nierenversagen“, warnt der Professor. Weitere mögliche Folgen von Bluthochdruck:
- Schädigung der winzigen Blutgefäße im Auge, was bis zur Erblindung führen kann
- Schädigung der kleinsten Blutgefäße im Gehirn, wodurch Demenz ausgelöst werden kann
- Aneurysma, denn wenn Gefäße ständig unter zu hohem Druck stehen, können sich Aussackungen bilden. Wenn sie plötzlich platzen, entstehen lebensgefährliche Blutungen.
Es ist deshalb lebenswichtig, Bluthochdruck so früh wie möglich zu entdecken, um diese Folgeschäden zu verhindern. „Rund 50 Prozent der Schlaganfälle und Herzinfarkte ließen sich durch eine rechtzeitige Behandlung des Bluthochdrucks verhindern“, erklärt Bernhard Krämer dazu.
Bluthochdruck ohne Medikamente senken
Wichtiger Bestandteil jeder Hypertonie-Therapie: Für alle Kategorien von Bluthochdruck, aber auch vorbeugend bei hochnormalem Blutdruck sollte der Lebensstil korrigiert werden. Dazu gehört vor allem, die beeinflussbaren Risikofaktoren zu beseitigen, also
- Gewichtsabnahme
- Salzkonsum einschränken
- Diät reich an Obst, Gemüse und fettarmen Molkereiprodukten („DASH-Diät“)
- Rauchstopp
- Alkoholkonsumreduzieren
- mehr Bewegung in den Alltag einbauen
- Ausdauersport mindestens zweimal pro Woche treiben, also Walken, Radfahren, Schwimmen
Diese Lebensstiländerung sollte verständlicherweise für immer beibehalten werden.
Phytotherapie gegen Bluthochdruck
Ziel all dieser Maßnahmen: Den Blutdruck auf unter 130/80 mmHg senken, aber nicht dauerhaft unter 120/70. Greifen die Lebensstiländerungen zu wenig oder ist der Blutdruck so hoch, dass er möglichst rasch gesenkt werden sollte, gibt es zusätzlich Medikamente. Dabei gibt es auch eine Reihe von Phytotherapeutika, also pflanzliche Arzneimittel, die den Blutdruck sanft senken sollen. „In der Regel ist ihre Wirkung jedoch viel zu schwach, valide Studien, wie das für die gängigen Blutdrucksenker der Fall ist, liegen nicht vor“, berichtet Bernhard Krämer.
Auch für die Verwendung von Strophantin, einem Phytotherapeutikum aus der dem Samen der Schlingpflanze Strophanthus Gratus, gegen Bluthochdruck, gibt es keinerlei belastbare Daten, weshalb davon strikt abzuraten sei.
Die drei wichtigsten Medikamente gegen Bluthochdruck
Die nach den neuesten Leitlinien vorgeschlagene medikamentöse Therapie von Hypertonie umfasst folgende Wirkstoffe, die am besten in Zweier- oder Dreierkombination verabreicht werden sollten, die Monotherapie mit nur einem Wirkstoff gehört für die allermeisten Patienten der Vergangenheit an:
- ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane). Diese beiden Wirkstoffe dürfen nicht kombiniert werden.
- Calcium-Antagonisten
- Diuretika (umgangssprachlich Wassertabletten)
Betablocker, wie sie früher gegen Bluthochdruck häufig verschrieben wurden, sehen die Experten in diesem Zusammenhang in der Regel nicht mehr vor. „Sie haben sich bei Bluthochdruck als weniger wirksam erwiesen“, erklärt der Experte.
Was ACE-Hemmer, Sartane, Kalzium-Antagonisten und Diuretika leisten
- ACE-Hemmer: Sie reduzieren die Bildung von Angiotensin II, einem Hormon, das die Gefäße verengt und damit den Blutdruck erhöht. Die Namen dieser Medikamente enden meist auf -pril, Beispiel Lisinopril, Ramipril und andere. ACE-Hemmer werden meist sehr gut vertragen, nur manche Menschen reagieren mit Reizhusten darauf. Dann weicht der Arzt auf Sartane aus.
- Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane): Der Wirkstoff blockiert den Angiotensin-Rezeptor, wie der Name bereits sagt. Das blutdrucksteigernde Hormon kann also erst gar nicht wirken. Die Medikamente heißen etwa Valsartan, Losartan.
- Calcium-Antagonisten: Sie erweitern die kleinsten Blutgefäße und senken damit den Blutdruck. Diese Medikamente enden auf -dipin, Beispiel Amlodipin, Nitrendipin und andere.
- Diuretika: Zu viel Wasser und Kochsalz erhöht die Blutmenge und damit den Druck auf die Blutgefäße. Diuretika, etwa mit den Wirkstoffen Hydrochlorothiazid (HCT), Indapamid oder Chlorthalidon, reduzieren die Blutmenge, es werden mehr Kochsalz und Wasser ausgeschieden.
Jeder fünfte Hypertoniker spricht auf die Medikamente nicht an
Bei den meisten der Betroffenen lässt sich damit, in Kombination mit einer Lebensstiländerung, der Blutdruck sicher senken. Bei jedem fünften Patienten jedoch werden trotzdem nicht die Zielwerte von 130/80 mmHg erreicht. Deshalb suchen Wissenschaftler nach neuen Mitteln und Methoden, Hypertonie zu bekämpfen.
Die neuen Therapien – die 3-in-1-Pille
Die Hälfte der Patienten, die mit einer ausgeprägten Blutdruckentgleisung in die Klinik eingeliefert werden, weisen im Blutspiegel zu wenig oder sogar keine Wirkstoffe der verschriebenen Medikamente auf, berichtet der Professor. Die Blutdrucksenker wurden also nicht richtig oder gar nicht eingenommen. Vor allem, wenn mehrere Tabletten, oft noch über den Tag verteilt, eingenommen werden müssen, klappt die Einnahme oft nicht richtig. Die Adhärenz fehlt, mit dramatischen Folgen.
Das soll die neue 3-in-1-Pille verhindern. Eine Tablette enthält gleich drei Wirkstoffe, etwa ACE-Hemmer oder Sartan, plus ein Diuretikum plus Calcium-Antagonist.
„Die ‚Single Pill‘ erleichtert dem Patienten die medikamentöse Therapie, er muss nur noch einmal pro Tag eine Tablette einnehmen, etwa morgens, die Adhärenz ist also besser“, betont Bernhard Krämer den Vorteil dieser neuen Medikamentengruppe.
Mit einer Operation den Blutdruck dauerhaft senken
Relativ neu ist auch die umgangssprachlich als „Operation gegen Bluthochdruck“ bezeichnete Therapie. Die renalen Denervation (RDN) erfolgt minimal invasiv über Katheter. Der Untersucher verödet dabei Teile des sympathischen Nervensystems, das an der Nierenarterie entlang verläuft. Damit werden gefäßverengende Hormone reduziert und der Blutdruck sinkt dauerhaft.
„In randomisierten Studien, wobei auch Scheineingriffe durchgeführt wurden, haben sich die hohen Erwartungen an diese Methode, jedoch wenig bestätigt“, rückt Bernhard Krämer zurecht. Der Blutdruck lässt sich zwar senken, aber nicht so stark wie erwartet, nur um rund 7 mmHg. Bei Grad 3 Hypertonie ist diese Senkung zwar gut, doch die Zielwerte lassen sich damit auf keinen Fall erreichen. Der Experte sieht deshalb die renale Denervation nur für Patienten, bei denen keine andere Therapie anschlägt. Aber es wird an der Methode noch weitergeforscht.
Blaulicht senkt den Blutdruck
Als weitere Neuheit in der Therapie gegen Bluthochdruck wird momentan die Wirkung von blauem Licht untersucht. Die Bestrahlung mit Blaulicht löst sogenannte hämodynamische Effekte aus. Das heißt, in der Haut wird Stickstoffmonoxid NO freigesetzt, was die Gefäße erweitert und den Blutdruck senkt. Das Verfahren wurde in einer Studie getestet.
Ihr Ergebnis: Nach einer halben Stunde Bestrahlung sanken die Werte tatsächlich von 124 auf 117 mm, eine halbe Stunde nach Beendigung wurden jedoch wieder die Ausgangswerte erreicht. „Das ist ein Ansatz, den man weiter untersuchen sollte, denn es handelt sich um eine kleine Studie mit nur 14 Patienten – und außerdem ist es kaum praktikabel, den ganzen Tag mit Blaulicht bestrahlt zu werden“, urteilt der Professor.
Entzündungsblocker gegen die Folgen falscher Ernährung
Nicht um eine Weitung der Blutgefäße, sondern um Entzündungsprozesse geht es in einem anderen neuen Versuch zur Behandlung von Bluthochdruck. Ein internationales Forscherteam hat getestet, wie körpereigene Entzündungsstoffe den Blutdruck in die Höhe treiben und wie sie sich blockieren lassen.
Die Studie: Fett- und salzreiche Ernährung führt unter anderem dazu, dass Inflammasome (Enzyme, die Entzündungen anstoßen) freigesetzt werden, die Gefäße und Nieren belasten und damit den Blutdruck erhöhen. Entzündungshemmende Medikamente, wie sie gegen Autoimmunkrankheiten zum Einsatz kommen, könnten hier ein neuer Weg zur Behandlung der Hypertonie sein, die auf die gängigen Medikamente nicht anspricht. Allerdings handelt es sich dabei erst um eine Studie mit Mäusen.
„Bevor dieser interessante Behandlungsansatz klinisch einsetzbar sein könnte, müssten noch umfangreiche präklinische und klinische Untersuchungen zur Wirksamkeit und zu den Nebenwirkungen erfolgen“, kommentiert der Experte. Dies gälte umso mehr, als viele sichere und gut verträgliche Medikamente bereits zur Blutdruckbehandlung zur Verfügung stünden.
Fazit: Lebensstil ändern wirkt so gut wie ein Blutdrucksenker
Wer bereits Bluthochdruck hat, hochnormalen und/oder dieser gefährlichen Volkskrankheit vorbeugen möchte, sollte auf jeden Fall seinen Lebensstil ändern. „Abnehmen, den Kochsalzverbrauch einschränken und viel Bewegung senken den Blutdruck so gut wie ein Medikament“, erklärt Bernhard Krämer. Selbstverständlich sei der Rauchstopp, sowie weniger Alkohol zu trinken. Als Ernährungsform empfiehlt der Experte die DASH-Diät mit viel Obst, Gemüse und fettarmen Molkereiprodukten, die einer mediterranen Kost ähnelt.
Manche Patienten müssen dann gar nicht zusätzlich ein Medikament einnehmen. Voraussetzung: Der Arzt bestätigt das und der Blutdruck wird zur Kontrolle regelmäßig gemessen.
Und falls Medikamente nötig sind: Kombitabletten erleichtern das Einnehmen ungemein. Allerdings müssen diese meist lebenslang angewendet werden. Die eingesetzten Wirkstoffe wie ACE-Hemmer, Diuretika und Calcium-Antagonisten gehören jedoch zu den am meisten untersuchten Wirkstoffen und sind bei richtiger Anwendung sicher.
Abschließend noch ein Tipp zum Blutdruck messen: Auch diese Technik wird in Zukunft besser und einfacher. Apps etwa helfen insbesondere, um die Werte zu dokumentieren und die Kontrolle über den eigenen Blutdruck zu behalten.
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