Experten sind besorgt: Sie rechnen damit, dass die Zahl der an Schmerzen im Rücken leidenden Menschen stark anwächst. Das bringt viel Leid und ökonomische Folgen – für das Gesundheitssystem wie für den Einzelnen, der nicht mehr arbeiten kann. Wie Sie mit 15 Minuten täglich gegensteuern.
Aus keinem Grund fallen mehr Menschen im Job aus: Schmerzen im unteren Rücken sind einer Analyse zufolge die weltweit häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Demnach litten 2020 weltweit 619 Millionen Menschen unter Schmerzen im unteren Rücken. Risikofaktoren dafür seien die Ergonomie des Arbeitsplatzes, Übergewicht und Rauchen, schreibt ein internationales Forschungsteam in der Fachzeitschrift „The Lancet Rheumatology“. Im Jahr 2050 könnten demnach mehr als 840 Millionen Menschen weltweit unter solchen Beschwerden leiden.
Schon 2018 hatten Wissenschaftler in „The Lancet“ berichtet, dass mehr als eine halbe Milliarde Menschen rund um den Globus an Schmerzen im unteren Rücken leiden. Das passt zu Daten aus Deutschland: So zeigte eine Stichprobe des Robert-Koch-Instituts 2021, dass mehr als zwei Drittel der Befragten von Rückenschmerzen betroffen waren, die weitaus meisten von ihnen nannten Schmerzen im unteren Wirbelsäulenbereich.
Die aktuelle Analyse schätzt die Verbreitung solcher Beschwerden für den Zeitraum 1990 bis 2020 und die Zahl der Jahre, die die Allgemeinbevölkerung in 204 Ländern und Regionen mit diesen Rückenschmerzen lebt. Demnach waren 2020 weltweit die genannten 619 Millionen Menschen betroffen. Im Vergleich zu 1990 waren das zwar insgesamt mehr Menschen, altersbereinigt sei die Zahl in dem Zeitraum aber um etwa zehn Prozent gesunken.
Am häufigsten traten die Schmerzen altersstandardisiert in Ungarn und Tschechien auf, am seltensten auf den Malediven und in Myanmar. Unabhängig von Ländern und Regionen waren in allen Altersgruppen mehr Frauen als Männer betroffen, wobei die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ab dem Alter von 75 Jahren deutlicher ausfielen. Insgesamt traten die Rückenschmerzen am häufigsten bei Menschen im Alter von 85 Jahren auf.
Risikofaktoren für Rückenschmerzen
Die Autoren untersuchten zudem die Krankheitslast durch diese Schmerzen und berechneten die Zahl der mit gesundheitlichen Einschränkungen verbrachten Lebensjahre. Demnach sind Schmerzen im unteren Rücken global die häufigste Ursache für Lebensjahre in schlechter Gesundheit: 69 Millionen solche Lebensjahre gingen demnach im Jahr 2020 auf ihr Konto.
Zwei Fünftel davon seien auf drei Risikofaktoren zurückzuführen. Dazu zählen ergonomische Faktoren am Arbeitsplatz – etwa häufiges Heben schwerer Lasten, langes Stehen oder ungünstige Sitzpositionen – sowie Übergewicht und Rauchen. Tatsächlich belegen Studien einen Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und chronischen Rückenschmerzen. Vermutet wird, dass die blutgefäß-verengende Wirkung von Nikotin Arteriosklerose und damit eine schlechtere Versorgung von Knochen, Bandscheiben und Rückenmuskulatur begünstigt.
Aufgrund der erwarteten Zunahme und der Alterung der Bevölkerung prognostizieren die Autoren, dass die Zahl der Betroffenen in den nächsten drei Jahrzehnten auf gut 840 Millionen Menschen anwachsen wird: „Bis zum Jahr 2050 wird weltweit mit einem Anstieg der Gesamtzahl der Fälle von Schmerzen des unteren Rückens um 36,4 Prozent gerechnet, wobei der stärkste Anstieg in Asien und Afrika zu verzeichnen sein wird.“
Experten fordern Maßnahmen
Schon jetzt gebe die weltweit hohe Prävalenz Anlass zur Sorge. So hätten sich etwa die direkten Gesamtkosten für alle Patienten mit einem Wirbelsäulenleiden in den USA zwischen 2012 und 2014 auf 315 Milliarden US-Dollar belaufen. „Außerdem ist die Zahl der verschreibungspflichtigen Medikamente für Wirbelsäulenerkrankungen in Australien in den letzten Jahren deutlich gestiegen, wobei Opioide die am häufigsten verschriebene Medikamentenklasse für Rückenschmerzen sind“, heißt es weiter. Schließlich hätten diese Schmerzen auch ökonomische Folgen – insbesondere bei Menschen im arbeitsfähigen Alter. In chronischer Form könnten sie zum frühzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben führen.
Umso wichtiger seien zielgerichtete Maßnahmen für die Gesundheit des Rückens. Dazu gehören etwa besser eingerichtete Arbeitsplätze, effektivere Therapien und Präventionsprogramme für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie etwa ältere Menschen. Globale Strategien zur Verringerung der Anzahl neuer Fälle von Schmerzen im unteren Rücken und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit seien von entscheidender Bedeutung.
Wie Sie Rückenschmerzen loswerden
Auch in Deutschland sind Rückenschmerzen ein Volksleiden, betonte Schmerzspezialist Roland Liebscher-Bracht im Gespräch mit FOCUS online.
„Wenn wir sitzen, haben wir in den Hüftgelenken ungefähr einen 90-Grad-Winkel. Stehen ist neutral. Wenn ich also nur stehe und sitze, habe ich immer eine Verkürzung der Muskeln in Richtung Beugung“, erklärt der Experte. Doch es lässt sich gegensteuern: „In die Überstreckung gehen. Ich muss das Gegenteil von Sitzen machen. Leider wissen das viel zu wenig Leute. Ich selber komme aus dem Maschinenbau, daher sind mir die mechanischen Vorgänge klar. Aber dieses Wissen wird in Deutschland nicht systematisch genutzt.“
Die einfachste Übung bestehe darin, sich für drei Minuten hinzustellen, die Leisten nach vorne zu schieben und den Rumpf nach hinten zu beugen. „Wenn man das im Bürojob fünf- oder sechsmal am Tag macht – das ergibt zusammen ungefähr eine Viertelstunde –, dann reicht das in der Regel aus, um Rückenschmerzen dauerhaft loszuwerden.“
Es brauche keine acht Stunden Dehnung, um acht Stunden Sitzen auszugleichen. „Selbst dann nicht, wenn Sie abends auch wieder sitzen“, sagt Liebscher-Bracht. „Denn bei den meisten hört es nach der Arbeit ja nicht auf: beim Abendbrot, beim Fernsehen, im Restaurant, im Kino, in der Bar, überall sitzt man. Und trotzdem reichen die 15 Minuten meistens schon.“
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