Fußbeschwerden behandeln und vorbeugen



Fast die Hälfte aller Erwachsenen klagt über Schmerzen an den Füßen. Viele dieser Beschwerden könnten vermieden werden durch Bewegung und ein konsequentes Training. Über Ursache und Therapie von Fußproblemen

Gesunde Füße für einen sicheren Auftritt: Vielen Fußbeschwerden kann vorgebeugt werden, etwa durch regelmäßige Bewegung

Es gibt wahrscheinlich nicht viele Kunstwerke, die der Mensch so sorglos behandelt wie die eigenen Füße. Mehr als zwei Dutzend kleine Knochen, über 30 Gelenke und rund 100 Bänder sind in einem Fuß komplex miteinander verbunden. Nur die Hände könnten es anatomisch betrachtet mit ihnen aufnehmen. Doch spätestens bei einem Belastungstest sind die Füße nicht zu schlagen: Als Stoßdämpfer federn sie jeden unserer Schritte ab, fangen sogar ein Vielfaches unseres Gewichts auf. Dabei schaffen sie es, zusammen mit Beinen, Hüfte und Wirbelsäule unsere Bewegungen fast immer gekonnt auszubalancieren, egal ob wir gehen, rennen oder springen.

Dass die Füße diesen Belastungen in der Regel ziemlich lange standhalten, ist vielleicht das größte Wunder. Bei mehreren 1000 Schritten pro Tag tragen sie den Menschen im Laufe eines Lebens mehr als 100 000 Kilometer weit. Doch so wichtig sie auch sind, so wenig Beachtung schenkt ihnen der Mensch. Zumindest solange sie keine Probleme machen. "Leider kümmern sich die meisten Menschen erst um ihre Füße, wenn sie wehtun", sagt Dr. Ulrich Betz, Leiter des Instituts für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation der Universität Mainz.

Ursache von Fußbeschwerden: Viel Sitzen und falsche Schuhe

Mit Schmerzen in den Füßen plagen sich viele Menschen. Bevölkerungsstudien gehen davon aus, dass es 20 bis 50 Prozent der Erwachsenen sind – je nach Alter. Nur der Rücken bereitet Menschen in Industrienationen noch häufiger Pro­bleme. Doch diese sind ­selten an­geboren. Auffällige Fehlstellungen an den Füßen bilden bei Neugeborenen eine Ausnahme. Entscheidend für die Fußgesundheit ist also, wie es in den Jahren danach weitergeht.

"Der mensch­liche Fuß ist für ein bewegtes Leben ausgelegt", sagt Dr. Dirk-Theodor Schraeder von der Klinik für Technische Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehabilitation am Hospital zum Heiligen Geist in Geseke. Viele Pro­bleme hingen damit zusammen, dass Homo sapiens heute so viel sitzt und die Füße in unpassendes Schuhwerk quetscht. Besonders häufig suchen Patienten niedergelassene Orthopäden wegen Platt-, Knick-Senk- oder Spreizfüßen auf. Auch bei den Zehen sind Fehlstellungen weit verbreitet, besonders der sogenannte Hallux valgus. Er verursacht anfangs nicht zwangsläufig Probleme – außer dass mancher Schuh nicht mehr so recht passen will.

Veranlagung und Lebensstil führen zu Fußbeschwerden

Viele Fußprobleme entstehen durch eine ungünstige Kombination von Veranlagung und dem, was Experten als Lebensstil bezeichnen. Dafür ist der Hallux valgus ein Paradebeispiel. Frauen sind davon besonders häufig betroffen. Das liegt daran, dass die meisten ein schwächeres Bindegewebe haben – auch am Fuß. Dazu kommen weitere ungünstige Voraussetzungen, die vererbt werden können. Bei dieser Fehlstellung verschiebt sich der erste Mittelfußknochen zum Fußinnenrand. Der Zeh zeigt dann zunehmend nach außen, der vordere Teil des Fußes wird breiter.

Die Sehnen, die eigentlich den großen Zeh in seiner natürlichen Position stabilisieren, ändern ihren Verlauf und verstärken durch den Zug die Fehlstellung noch. Irgendwann bringt der große Zeh auch den benachbarten Zeh in Bedrängnis. Manche Schuhe können den Prozess beschleunigen – etwa wenn der Fuß häufig in hohen oder spitzen Modellen steckt. Im fortgeschrittenen Stadium kann der schiefe Zeh jedoch dauerhaft schmerzen, der Leidensdruck ist dann hoch.

Die häufigsten Auslöser für Fußbeschwerden


Hammerzeh 

Krallenartige Verkrümmung der Zehen; kann zu schmerzhafter Verhornung oder Schmerzen an der Sohle führen. Therapien: orthopädische Einlagen, spezielle Schuhe, Operation.

Morton-Neurom

Der Mittelfußnerv ist verdickt, stechende oder brennende Schmerzen sind die Folge. ­Therapien: Einlagen, Injektionen, Operation des Nervs. 

Hallux valgus

Fehlstellung der Großzehe, die nach außen abweicht. Tritt häufig zusammen mit Ham­­merzehen auf. Therapien: je nach Ausprägung Physiotherapie, Schienen, Bandagen oder operative Korrektur.

Fersenschmerzen 

Meist an der Sohlenseite, seltener am Ansatz der Achillessehne. Mög­liche Ursachen: unter ­anderem Überbelastung von ­Bändern oder Sehnen, Entzündungen, Fersensporn. Therapien: Ein­lagen, Schuhzurichtungen, Übungen, Operation.

"Die Indikation für eine operative Hallux-valgus-Korrektur besteht, wenn er symptomatisch ist und Probleme verursacht", sagt Professor Markus Walther, Fußchirurg und ärztlicher Leiter der Schön-Klinik in München-Harlaching. Wie Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen, wurde 2016 bei 70 von 100 000 Versicherten ein Hallux valgus operativ korrigiert. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären das immerhin 57 000 Eingriffe. 

Konservative Therapie mit Schuheinlagen als erster Schritt

Vor einer Operation stehen jedoch immer konservative Therapien. Bei vielen Fußbeschwerden gilt die orthopädische Schuh- und Einlagenversorgung als erstes Mittel der Wahl. Das schlägt sich auch in den Verordnungen nieder. Rechnet man die Zahlen aus dem Barmer Heil- und Hilfsmittel­report von 2016 auf die deutsche Gesamtbevölkerung hoch, bekamen mehr als sieben Millionen Menschen diese Hilfsmittel verschrieben. Hergestellt werden die Einlagen dann von Orthopädietechnikern und Orthopädie-Schuhmachermeistern.

"Die Verordnung, Nachkontrolle oder auch die Ausbildung lässt sich aber noch optimieren", sagt Schraeder, der sich bei der Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie für konservative Methoden engagiert. Insbesondere eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizinern und den Gesundheitsfachberufen könnte die Versorgung verbessern, meint er. Auch die Physiotherapie könnte bei der Behandlung von Fußproblemen eine wichtigere Rolle spielen. Der Physiotherapeut Dr. Ulrich Betz rief dazu vor acht Jahren an der Universität Mainz eine eigene Fußschule ins Leben.

Auch die Fußmuskulatur sollte trainiert werden

"Jeder weiß heute, dass etwa der Rücken Bewegung und Training braucht. Dass der Fuß auch ein Funktionssystem ist, das man trainieren kann, wird noch nicht so wahrgenommen", sagt er. In der Fußschule geht es für die Teilnehmer zunächst darum, ihre Füße besser kennenzulernen. Hilfestellung leistet dabei ein gläserner Kasten, Podoskop genannt. Damit können Kurs­teilnehmer ihre Füße von unten betrachten. Stellt man sich barfuß auf die durchsichtige Oberseite, zeigt ein da­runter verlaufender Spiegel, wie der Fuß je nach Stellung unterschiedlich belastet wird: Ferse, Mittelfuß, Zehen – der individuelle Abdruck, den man so hinterlässt."Das ist für viele Patienten ein Aha-Moment", weiß Betz.

Pedografie: So wird unser Fuß belastet


Aufsetzen des Fußes

Die höchste Belastung liegt hier im Fersen­bereich (rot). Die Verteilung variiert, abhängig von Schrittlänge, Schuhwerk, Untergrund sowie Knie- und Fußwinkel beim Aufsetzen.  

Mittlere Standphase

Der Druck ist gleichmäßiger auf der Fläche verteilt, auch Vor- und Mittelfuß werden belastet. Die Aussparungen weisen auf ein intaktes Fußgewölbe hin.  

Abstoßphase 

Erkennbar ist die Belastung am Vorfuß. Wird der Fuß beim Abrollen etwa durch Schuhe eingeengt, würde der Außen- und Innen­­bereich belastet, die Mitte und die mittleren Zehen dagegen wenig.

Auch der Kursteilnehmerin Silke Heller ermöglichte das eine neue Sicht auf ein altes Problem. Seit sich die Krankenschwester einen Bänderriss zuzog, hat sie Probleme, vor allem beim Treppensteigen. Das Podo­skop führte ihr mögliche Ur­sachen schon zu Beginn des Kurses vor Augen: "Ich belaste den linken Fuß anders, das konnte man auch gut daran erkennen, dass ich die Ferse anders positioniere als auf der gesunden rechten Seite." Unter Anleitung einer Physiotherapeutin lernte sie nicht nur, genauer auf ihre Fehlhaltung zu achten, sondern auch, welche Übungen den Fuß trainieren und unterstützen. Etwa der "Flamingo", das Balancieren auf ­einem Bein. Oder Übungen mit dem Theraband, um die Muskulatur zu kräftigen.

Ein konsequentes Training hilft auch operierten Patienten

Viele Fußschulen, die meist von Physiotherapeuten angeboten werden, orientieren sich an der sogenannten Spiraldynamik. "Das ist eine physiotherapeutische Methode, die sich speziell mit der Funktion der Füße befasst", erklärt Joachim Betz. Die Übungen sollen Problemen vorbeugen. Und auch bei bereits bestehenden Beschwerden versprechen sie eine gewisse Besserung – vorausgesetzt, man trainiert konsequent.

Doch das Gruppenangebot der Mainzer Fußschule hat auch Grenzen. Patienten mit neurologisch bedingten Fußproblemen, einem diabetischen Fuß oder Sturzneigung, etwa nach einem Schlaganfall, brauchen eher eine physiotherapeutische Einzelbehandlung. Zudem könne man nicht alle Operationen vermeiden, etwa bei deutlichen Fehlstellungen wie einem Hallux valgus. "Aber auch solche Patienten profitieren vom Training und von einer starken Fußmuskulatur. Das sichert langfristig den Erfolg der Operation", sagt Betz. Wissenschaftlich erforscht sind die Fußschulprogramme bislang kaum. ­Eine Studie, für die aktuell mehr als 500 Teilnehmer des Mainzer Angebotes befragt werden, könnte dazu erste Erkenntnisse liefern.

Barfußlaufen trainiert die Fußmuskulatur vor allem bei Kindern

Etwas besser ist die Studienlage zum ­ältesten Fußtraining der Menschheit: dem Barfußlaufen. Astrid Zech, Professorin für Bewegungs- und Trainingswissenschaft an der Universität Jena, führte in den vergangenen Jahren mehrere Barfußstudien mit Kindern und Erwachsenen durch. Gerade bei Kindern waren die gemessenen Effekte besonders positiv, wie eine Publikation im Fachmagazin Scientific Reports zeigte. Die Wissenschaftler aus Jena und Hamburg untersuchten dafür die Füße von insgesamt 1015 Kindern und Jugend­lichen in Deutschland und Südafrika. In Südafrika wachsen viele Kinder ohne Schuhe auf, gehen sogar barfuß zur Schule. In der deutschen Vergleichsgruppe dagegen trugen sie von klein auf Schuhe.

Die Forscher konnten feststellen, dass die Füße der Schuhträger in der Regel etwas schmaler sind und ein weniger ausgeprägtes Gewölbe be­sitzen. Es war im Schnitt um acht bis zwölf Prozent flacher. "Das kann man als einen Hinweis ­sehen, dass das Barfußlaufen die Fußmuskulatur offenbar trainiert und es dadurch seltener zu Platt- oder Senk­füßen kommt", erklärt Wissenschaft­lerin Zech. Darauf deutete auch der Umstand hin, dass die Sprungkraft und die Balancefähigkeit der Barfußläufer besser waren. So konnten sie aus dem Stand rund drei Zentimeter weiter springen als ihre Altersgenossen mit Schuhen.

Ältere sollten sich schrittweise ans Barfußlaufen gewöhnen

Doch nicht alle Menschen profitieren gleichermaßen vom Schuhverzicht. Diabetikern etwa wird vom Barfuß­laufen draußen ausdrücklich abgeraten. Und bei gesunden Erwachsenen gibt es noch Forschungsbedarf: "Wissenschaftlich belegt ist der positive ­Effekt bislang bei Marathonläufern und eben Kindern", sagt Zech. In einer weiteren Studie untersuchten die Forscher die Wirkung auf ältere Menschen. Auf einem Laufband wurde das Gangbild der Studienteilnehmer analysiert – einmal mit Schuhen und einmal barfuß.

"Dabei stellten wir fest, dass sich bei allen Älteren das Gangbild zunächst verschlechterte." Die Probanden wurden unsicher, der Gang wurde instabiler. Das bedeute nicht, dass Senioren generell auf das Barfußlaufen verzichten müssen, sagt Zech. Doch wer es mit dem Laufen ohne Schuhe oder in speziellen Barfußschuhen probieren will, sollte das mit besonderer Vorsicht tun. 

Für Silke Heller gehört Barfußlaufen zu Hause schon lange zum Alltag. Auch die Übungen mit dem Theraband, die Bänder und Muskeln stärken sollen, macht sie seit der Fußschule täglich. Schließlich hat sie sich vorgenommen, wieder fester auf ihren Füßen zu stehen, ohne Unsicherheit und Schmerzen. "Ich weiß ja, dass ich meine Füße noch ein paar Jahre brauche – und zwar möglichst gesund."

Blasen, Pilz oder Hornhaut: Hilfe bei häufigen Fußproblemen

Manche Fußprobleme kann man selbst angehen. Welche besonders häufig vorkommen, erklärt Karin Paul, Inhaberin einer Apotheke im Ostseebad Binz auf Rügen: 

  • Blasen sind schmerzhaft und im Urlaub keine Seltenheit. "Man geht mehr als im Alltag oder trägt neue Schuhe, da ist es schnell passiert", sagt die Apothekerin. Blasenpflaster mit Hydrokolloiden nehmen Wundsekret auf und polstern die ­Stelle. Beim Aufkleben sollte die Haut trocken sein. Dann hält das Pflaster meist mehrere Tage – sogar beim Baden. Die Blase kann geschützt abheilen. 
  • Nagelpilz fällt Betroffenen oft erst im Sommer auf. "Wenn wieder Sandalen angezogen werden, bemerken sie, dass der Nagel anders aussieht, und gehen zum Arzt", sagt Karin Paul. ­Behandelt wird mit sogenannten ­­Antimykotika, die die Pilze abtöten. Doch egal ob die Mittel als Lack oder Creme verwendet werden: ­Betroffene brauchen Geduld. Ein Jahr kann es dauern, bis der Pilz vollständig entfernt ist. 
  • Hornhaut empfinden viele als unschön, doch man kann ihr mit ­Fußbädern und intensiver Pflege vorbeugen und sie beseitigen. ­Präparate mit Harnstoff spenden je nach Konzentration Feuchtigkeit oder reduzieren Hornhaut. Sind bereits Schrunden an der Ferse entstanden, heißt es vorsichtig sein, sagt die Apothekerin. "Harnstoffhaltige Fußpflegepräparate sollte man an diesen Stellen nicht auftragen – das brennt." Leichte Wundheilemulsionen mit Dexpanthenol und Zinkoxid unterstützen die Heilung.  

Lesen Sie auch

Fußprobleme: Schuhe richtig kaufen

Viele Menschen tragen Schuhe in der falschen Größe. Das bewirkt oft Schmerzen und Druckstellen bis hin zu Fehlstellungen der Zehen. So finden Sie das richtige Modell

Quelle: Den ganzen Artikel lesen