Es knirscht und knackst, und beim Sport tun manche Bewegungen richtig weh. Wenn das Knie Abnutzungserscheinungen zeigt, wünschen sich die Betroffenen ein Wundermittel, das den Knorpel wieder aufbaut. Die Hoffnung ruht auf Stammzellen.
- Körpereigene Stammzellen wirken positiv auf Arthrose-bedingte Entzündungen im Knie.
- Ob sie tatsächlich dauerhaft Knorpel aufbauen, will nun eine Studie klären.
- Kleine Knorpelschäden bei jungen Patienten kann eine Transplantation reparieren.
Ab einem gewissen Alter machen sich im Knie Verschleißerscheinungen bemerkbar. Schon nach dem 30. Lebensjahr steigt das Risiko linear an. 150.000 Mal pro Jahr endet der schmerzhaft-entzündliche Abbau von Knorpel im Operationssaal und mit einem künstlichen Knie. Dann muss glattes Metall die Knorpelschicht ersetzen, die im gesunden Knie runde, schmerzfreie Bewegungen erlaubt.
Die Vorstellung schreckt viel Arthrose-Geplagte. Sie hoffen auf neue Methoden, verlorenen Knorpel wieder aufzubauen: Stammzellen sollen Abhilfe schaffen.
Bauchfett liefert das beste Stammzell-Material
Dabei nutzt der Arzt Bauchfett des Patienten als Ausgangsmaterial. Die Idee dahinter: Stammzellen lassen sich aus gefäßreichem Fettgewebe besonders leicht und relativ zahlreich gewinnen. An den Ort des Defekts gespritzt, lernen sie von der Mikroumgebung, in welche Zellart sie sich entwickeln sollen.
Nach diesem Prinzip setzt etwa der Mediziner und Stammzellforscher Eckhard Alt die nicht ausdifferenzierten Zellen ein: Stammzellen aus dem Fettgewebe des Patienten werden innerhalb einer Stunde im OP aufbereitet und dem Patienten dorthin eingespritzt, wo er sie braucht – zum Beispiel ins Arthrose-Knie.
Der Gründer des „Interdisciplinary Stem Cells Research Center“ in Houston und einer Privatklinik in München sieht in Stammzellen die Zukunftstherapie für chronisch-entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparats – unter anderem.
Keine Erfolgsgarantie durch den Zell-Extrakt im Knie
Einige orthopädische Praxen, die das Verfahren anbieten, geben ehrlicherweise an, dass es sich um einen nicht allgemein anerkannten Heilversuch ohne Erfolgsgarantie handelt. Vielmehr ist es ein letzter experimenteller Versuch, Kniebeschwerden ohne Gelenkersatz zu beheben.
„Bei dieser sogenannten ‚point-of-care‘-Anwendung wird ein Zell-Extrakt gespritzt, der nicht nur aus Stammzellen besteht“, erklärt Oliver Pullig vom Fraunhofer Translationszentrum für Regenerative Medizin in Würzburg. Wie viele Stammzellen, die sich zu Knorpelmaterial entwickeln sollen, tatsächlich ins Knie gelangen, ist dabei ebenso wenig reguliert wie die Aufbereitung des abgesaugten Bauchfetts.
Am häufigsten entsteht Arthrose an Fingern, Daumen, Knien, Hüften und Großzehen.
Einer Arthrose geht immer ein Knorpelschaden voraus. Knorpel gelten als „Stoßdämpfer“ der Gelenke. Anfangs ist der Schaden im Knorpel häufig noch oberflächlich und auf eine kleine Fläche begrenzt. Im fortgeschrittenen Stadium verstärken sich die Symptome. Druckschmerzen treten auf und die Gelenke verändern sich.
Auf den Knorpelschaden reagieren die Gelenke mit Schmerzen, Schwellungen oder Entzündungen.
Stammzellen statt Knieprothese
Eine europaweite Studie sucht allerdings derzeit nach dem wissenschaftlichen Nachweis, welches Anti-Arthrose-Potenzial in den körpereigenen Stammzellen steckt.
Eine kleine Pilotstudie mit acht Patienten in Würzburg und zehn im französischen Montpellier im Jahr 2013 führte zum Erfolg: Fast alle Teilnehmer sagten ihre zuvor unumgängliche Operation für eine Knieprothese ab. „Ihre Beschwerden hatten sich durchwegs verbessert“, erklärt Oliver Pullig. „Ein Wiederaufbau von Knorpel war bei einer derart großen Schädigung allerdings unwahrscheinlich.“
Die gerade begonnene Folgestudie mit 153 Teilnehmern an zehn europäischen Standorten erfüllt daher eine Voraussetzung, die der deutsche Studienleiter Ulrich Nöth vom Evangelischen Waldkrankenhaus Berlin-Spandau schon damals formulierte: Die Stammzelltherapie eignet sich am besten für Patienten mit mittlerer Arthrose und mittlerem Alter. Sie kommen nicht mehr für eine Knorpeltransplantation in Frage, sind aber zu jung für ein künstliches Gelenk.
Neuer Knorpel durch Stammzellen? Eine Studie soll es zeigen
Die ADIPOA2-Studie verwendet wie schon die Pilotstudie sogenannte mesenchymale Stammzellen aus dem Bauchfett jedes Probanden. Diese Vorläuferzellen des Bindegewebes besitzen die Fähigkeit, sich in Knorpel,- Knochen-, oder Fettzellen zu entwickeln.
Biologe Oliver Pullig erklärt: „Wir entnehmen jedem Teilnehmer 100 Milliliter Bauchfett. Die daraus gewonnenen Stammzellen werden in Speziallabors millionenfach vermehrt. Das dauert gut zwei Wochen. 51 Patienten bekommen dann zwei Millionen dieser puren Stammzellen in die Gelenkspalte gespritzt, 51 Patienten erhalten eine Spritze mit 10 Millionen Zellen, und 51 Patienten ein Placebo.“
Ende 2018 sollen Ergebnisse vorliegen, und damit ein wissenschaftlicher Nachweis, ob Stammzellen die Hoffnung erfüllen, dauerhaft Knorpel aufzubauen. Der Wissenschaftler ist optimistisch: „Im Erfolgsfall könnte die Therapie mit Stammzellen als Arzneimittel auf der nächsten Studienebene schon marktreif werden. Das dauert keine fünf Jahre.“
Knorpeltransplantation hilft nur eingeschränkt
Eine andere Methode, verlorenen Knorpel wiederherzustellen, ist die seit 20 Jahren erprobte Transplantation. Sie zeigt bisher allerdings nur bei zentimeterkleinen Schäden in einem ansonsten intakten Knie Erfolg. Die Operation ist aufwändig, der Heilungsprozess lang.
In einem ersten Schlüsselloch-Eingriff entnimmt der Arzt ein kleines Stück gesunden Knorpel, kaum größer als ein Reiskorn. Diese Knorpelzellen werden in drei bis vier Wochen im Labor vermehrt. Diese Zellen beziehungsweise den Knorpel-Patch setzt der Chirurg in einer zweiten OP auf die defekte Stelle im Knie.
Danach darf das Knie sechs Wochen lang gar nicht, dann für weitere sechs Wochen nur leicht belastet werden. Erst nach einem Jahr ist das Gelenk wieder so stabil, dass Sport möglich ist.
Knorpel aus dem Labor ist teuer
Die Transplantation ist nur für jüngere Kniepatienten geeignet, deren Knorpel und Gelenk frei von Arthrose sind. Gelingt diese Therapie, kann sie einen weiteren Knorpelschaden und eine später drohende Knieprothese verhindern.
Dann rechnen sich langfristig auch die Kosten von mehreren 1000 Euro für laborgezüchtete Zellen.
Hyaluronsäure kann zumindest Schmerzen lindern
Wenn diese Methoden nicht in Frage kommen, hilft ein anderes Mittel: Synthetische Hyaluronsäure wird oft als Substanz für den Knorpelaufbau missverstanden. Sie kann aber keinen abgenutzten Knorpel herstellen, sondern dient als Schmiermittel und zur Gelenkpflege.
Orthopäden spritzen das Feuchtigkeit speichernde Gel drei- bis fünfmal im Wochenabstand. Hyaluronsäure lindert Schmerzen und fördert die Beweglichkeit – bei manchem Patienten dauerhaft, bei anderen zumindest ein, zwei Jahre. Dann kann die Kur wiederholt werden.
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