Manche Apotheken erhalten fast nie ein Substitutionsrezept, andere sehen sie täglich. Einen Überblick über Fragen, die möglicherweise auftreten, wenn man ein Substitutionsrezept in Händen hält, liefert das folgende FAQ.
Für Substitutionsrezepte gelten ganz besondere Regeln. Besonders Apotheken, die mit einem festen Arzt im Rahmen eines Substitutionsprogramms zusammenarbeiten, kennen das Prozedere gut und sind üblicherweise bei der Abgabe recht sicher. Doch manchmal stellen sich auch Fragen, die nicht sofort beantwortet werden können. Ebenso kommt es immer mal wieder vor, dass eine Apotheke, die eigentlich nicht Teil eines Substitutionsprogramms ist, ein solches Rezept in Händen hält – etwa, weil der betroffene Patient im Urlaub ist oder der eigentliche Arzt – aus welchen Gründen auch immer – derzeit nicht zugegen ist. Einen Überblick über Fragen, die möglicherweise auftreten, wenn man ein Substitutionsrezept in Händen hält, liefert das folgende FAQ. Dieser Artikel gibt den Regelungsstand ohne pandemische Sonderregelung wider. Seit Ende April 2020 sieht die SARS-CoV-2- SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung einige Sonderregeln vor.
Pandemiebedingte Sonderregeln
Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung sieht auch Erleichterungen bei der Versorgung Opioidabhängiger mit Substitutionsmitteln vor. Sie tritt nach aktuellem Stand am 7. April 2023 außer Kraft. Welche Vorgaben im Detail gelockert wurden, lesen Sie hier.
Was ist ein Substitutionsrezept?
Bei einem Substitutionsrezept handelt es sich zunächst um ein gewöhnliches Betäubungsmittelrezept, welches im Rahmen der Behandlung eines Suchtkranken ausgestellt wird. Patienten erhalten dabei einen Ersatzstoff für die eigentliche Droge, die sie konsumieren, ohne dass dieser Ersatzstoff berauschend wirkt. Normalerweise werden in den Substitutionsprogrammen heroinabhängige Menschen behandelt. Ziel der Substitution ist die Stabilisierung des Patienten im Alltag und in seinen Gewohnheiten, sodass eine vollständige Drogenabstinenz erreicht werden kann.
Welche Stoffe kommen bei der Substitution zum Einsatz?
In der Substitutionstherapie werden Levomethadon und Buprenorphin eingesetzt, aber auch Methadon. Für Levomethadon (L-Polamidon) und Methadon (Methaliq) gibt es dazu fertige Lösungen, die nur abgefüllt werden müssen. Methadon wird aber auch häufig als Rezeptur oder Defektur hergestellt. Für Buprenorphin werden entsprechende Fertigarzneimittel genutzt. In begründeten Einzelfällen darf auch Codein und Dihydrocodein verwendet werden. Morphin findet als zur Substitution zugelassenes Arzneimittel in Form von retardierten Kapseln Anwendung Die verwendeten Substanzen dürfen nicht in Darreichungsformen vorliegen, die zur intravenösen Anwendung geeignet sind.
Was sind die Voraussetzungen für eine Substitutionstherapie?
Die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger kann für folgende Indikationen zulasten der GKV abgerechnet werden:
- Behandlung der Opiatabhängigkeit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes
- Unterstützung der Behandlung einer neben der Opiatabhängigkeit bestehenden schweren Erkrankung
- Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Schwangerschaft und nach der Geburt
Besteht seitens der Apotheke eine Prüfpflicht, ob eine dieser Indikationen zutreffend ist?
Der Apotheker hat keine Prüfpflicht hinsichtlich der Indikation. Ergeben sich dennoch Zweifel oder Bedenken, so empfiehlt es sich, Rücksprache mit dem Arzt zu halten.
Wie ist ein Substitutionsrezept gekennzeichnet?
Ein Substitutionsrezept ist ein normales BtM-Rezeptformular, das zusätzlich entweder mit „S“ (Mindestangabe für alle Substitutionsrezepte) oder „ST“ (für Take-Home Rezepte) gekennzeichnet ist. Darüber hinaus existiert des Weiteren das Kürzel „SZ“ für eine kurzzeitige Take-Home-Verordnung für einen Patienten, der eigentlich im Sichtbezug versorgt wird.
Was ist der Unterschied zwischen Sichtbezug und Take-Home-Rezepten?
Beim Sichtbezug erhält der Patient seine verschriebene Dosis des Substitutionsmittels unter Aufsicht des verordnenden Arztes oder des herausgebenden Apothekers (schriftliche Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheke erforderlich).
Take-Home-Rezepte erlauben es dem Patienten, bis zu einer Wochendosis des Substitutionsmittels zu erhalten und in Eigenverantwortung einzunehmen. In begründeten Einzelfällen darf auch ein Bedarf für bis zu 30 Tage verordnet werden. Solche Einzelfälle können entweder medizinisch oder auch aufgrund der Teilhabe am gesellschaftlichen bzw. Arbeitsleben begründet sein. Der Patient hat dem Substitutionsarzt diese Sachverhalte glaubhaft zu versichern.
Wie lange ist eine Versorgung bei Rezepten mit dem Kürzel „SZ“ möglich?
Mit dem Kürzel „SZ“ ist eine Versorgung für bis zu zwei aufeinanderfolgende Tage (etwa das Wochenende) möglich. Sollten auf ein Wochenende mehrere Feiertage fallen, so ist eine Versorgung für bis zu fünf Tage möglich. Dies gilt selbst dann, wenn die Feiertage durch einen „Brückentag“ vom Wochenende getrennt sind. Die Verordnung muss dabei allen Anforderungen entsprechen, die auch für Take-Home-Verordnungen gelten.
Welche Angaben sind auf einem Substitutionsrezept nötig?
Neben allen üblichen Vorgaben, die ein normales GKV-Rezept betreffen, muss ein Substitutionsrezept weitere Faktoren erfüllen. So fordert die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) die Angabe der Reichdauer in Tagen. Wie diese anzugeben ist, wird nicht vorgeschrieben. Es können also von-bis Angaben sowie Angaben wie „für 5 Tage“ aufgebracht werden. Der Startzeitpunkt einer Reichdauer muss dabei nicht mit dem Ausstellungsdatum übereinstimmen. Der Arzt kann zusätzlich patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, zu denen Teilmengen des verschriebenen Substitutionsmittels in der Apotheke an den Patienten oder die Praxis des substituierenden Arztes abgegeben oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden. In einem solchen Fall muss die Anweisung bzw. ein Hinweis auf das Vorliegen der schriftlichen Anweisung auf dem Rezept vorhanden sein.
Wie lange ist ein Substitutionsrezept gültig?
Ein Substitutionsrezept ist wie ein Betäubungsmittelrezept auch für 7 Tage + das Ausstellungsdatum gültig.
Welche Bedarfsmengen dürfen verordnet werden?
Wie oben bereits beschrieben, dürfen üblicherweise nur Bedarfsmengen für bis zu 7 Tage verordnet werden. In begründeten Einzelfällen dürfen aber auch Bedarfsmengen für bis zu 30 Tage verordnet werden. Dies ist unbetroffen von der Rezeptgültigkeit von 7 Tagen + Ausstellungsdatum.
Ist eine Genehmigung erforderlich?
Eine Genehmigung der Krankenkasse ist bei Substitutionsverordnungen normalerweise nicht einzuholen. Da aber immer regionale Besonderheiten bestehen können, sollte stets der geltende Regionalliefervertrag geprüft werden.
Ist bei Substitutionsrezepten eine Zuzahlung erforderlich?
Ja, Substitutionsmittelrezepte sind generell NICHT von einer Zuzahlung befreit. Da aber viele Patienten, die sich in einem Substitutionsprogramm befinden, eine Zuzahlungsbefreiung beantragt haben, lohnt es sich hier immer nachzufragen, ob eine Befreiung besteht. Hierzu sollte sich das Apothekenpersonal stets einen schriftlichen Nachweis (etwa den Befreiungsausweis) zeigen lassen.
Welche Kosten dürfen bei einer Substitutionsverordnung abgerechnet werden?
Zur Substitution werden häufig Teilmengen einer fertigen, dosierbaren Lösung oder Anteile von Fertigarzneimitteln verordnet. Die Berechnung der Preise dieser Teilmengen richtet sich dabei nach der jeweiligen Anlage der Hilfstaxe. Es existieren Preistabellen für Methadon, L-Polamidon, Buprenorphin, Subutex und Suboxone.
Was ist zu tun, wenn kein Preis in der Hilfstaxe hinterlegt ist?
In solchen Fällen sind die Abrechnungsmodalitäten mit der entsprechenden Krankenkasse zu klären.
Darf die BtM-Gebühr bei jeder Abgabe berechnet werden?
Die Dokumentationsgebühr von 4,26 Euro für Betäubungsmittel gilt pro Abgabe. Das heißt beispielsweise: Ist eine Sichtvergabe in der Apotheke für sieben Tage verordnet, können siebenmal 4,26 Euro abgerechnet werden (insgesamt 29,82 Euro). Bei einem Mischrezept, das eine Sichtvergabe in der Apotheke für fünf Tage und Take-home für zwei Tage vorsieht, wären es fünfmal 4,26 Euro für die Sichtvergabe und ein Mal 2,91 Euro für Take-home (ebenfalls 24,21 Euro).
Kann ein Substitutionsrezept in jeder Apotheke eingelöst werden?
Wie oben beschrieben unterliegen Sichtbezugsverordnungen der Erforderlichkeit einer Absprache zwischen Arzt und Apotheke. Somit können Sichtbezugsrezepte nur in solchen Stellen eingelöst werden, die mit dem Arzt diese schriftliche Absprache getroffen haben. Take-Home-Verordnungen können grundsätzlich in jeder Apotheke eingelöst werden. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Apotheken, die normalerweise keine Substitutionspatienten zu ihren Stammkunden zählen, das notwendige Substitutionsmittel möglicherweise nicht vorrätig haben. Daher ergibt oft Sinn, eine Apotheke aufzusuchen, die auch Sichtbezugspatienten der jeweiligen Arztpraxis versorgt.
Besteht bei Methadon und L-Polamidon ein Missbrauchspotenzial?
Grundsätzlich besteht bei Methadon und Polamidon ein geringes Potenzial für eine missbräuchliche Anwendung. Die Lösungen sind so aufbereitet, dass eine intravenöse Anwendung praktisch nicht möglich ist. Dennoch werden Substitutionsarzneimittel teilweise von Patienten auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft, um mit dem Erlös des Verkaufs das deutlich berauschendere Heroin zu kaufen.
Gibt es besondere Auflagen für Ärzte, die Substitutionsmittel verordnen?
Der verschreibende Arzt muss Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation erfüllen, deren Bedingungen von den Ärztekammern festgelegt werden.
Erfüllt ein Arzt nicht die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation, muss er zusätzlich zu den Meldepflichten an das BfArM sich zu Beginn der Behandlung mit einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt abstimmen und sicherstellen, dass sich sein Patient zu Beginn der Behandlung und mindestens einmal in jedem Quartal dem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt im Rahmen einer Konsiliarbehandlung vorstellt.
Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf gleichzeitig höchstens zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln. Er darf keine Behandlung mit Diamorphin durchführen.
Müssen Apotheken diese besonderen Auflagen überprüfen?
Für die Apotheke besteht hier weder eine Prüffähigkeit noch eine Prüfpflicht.
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