Neben dem Wetter die aktuelle Covid-Lage überprüfen? Eine neue App, die auf der gleichen Technologie wie der von Wetter-Apps basiert, soll es möglich machen. US-Wissenschaftler arbeiten aktuell an einer Vorhersage-Technologie, die das Infektionsgeschehen effektiv eindämmen soll.
Morgens – vielleicht zusammen mit dem Wetter – die neue Covid-Lage checken? Die Vision zweier US-amerikanischer Wissenschaftler sagt genau dies voraus. Mithilfe einer sogenannten Covid-19-Vorhersage, die auf der gleichen Technologie wie der von Wetter-Apps basiert, sollen zukünftig weitreichende Lockdowns verhindert werden können.
Technologie für Covid-19-Vorhersage per App
Klingt zunächst ungewöhnlich, könnte aber schon bald Realität werden. Denn: An der Umsetzung ihrer Vision arbeitet das Wissenschaftspaar bestehend aus Tapio Schneider, Professor für Umweltwissenschaften am California Institute of Technology und leitender Wissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, sowie seiner Ehefrau Chiara Daraio, Professorin am California Institute of Technology und Maschinenbauingenieurin mittlerweile zusammen mit einem internationalen Team.
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Das Potenzial des Verfahrens für den gesellschaftlichen Umgang mit dem Coronavirus werde zwar bislang noch überprüft, die bisherigen Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „PLOS Computational Biology“ publiziert wurden, seien jedoch bereits vielversprechend – das schreibt die medizinische Online-Plattform "MedScape" in einem Bericht über das neue Verfahren.
Lockdown im Prinzip sinnlos
Die Idee der Covid-19-Vorhersage entstand im Lockdown selbst. Das Wissenschaftspaar steckte – zusammen mit zwei kleinen Kindern, die nicht zur Schule gingen – zuhause fest. „Wir haben uns wie alle anderen zu Hause verkrochen und darüber geredet, wie Lockdowns vermieden werden könnten“, so Schneider.
Schon damals war dem Ehepaar klar, dass Lockdowns, wie sie bisher durchgeführt wurden, nichts bringen können: „Selbst auf dem Höhepunkt der Pandemie waren nur 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung tatsächlich ansteckend“, betont Schneider. „98 Prozent hingegen mussten nicht isoliert werden.“ Der Schlüssel steckt demnach darin, herauszufinden, welche Menschen überhaupt infektiös sind – und dementsprechend isoliert werden müssen.
Vorhersage-App soll infektiöse Menschen identifizieren
Eine Vorhersage-App soll das Problem nun lösen. Sie sei genau so effektiv wie ein Lockdown, mit dem Unterschied, „dass sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung gleichzeitig isolieren müsste, etwa 10 Prozent“, sagt Schneider. „Die meisten Menschen könnten ihr Leben normal weiterführen“.
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Die Idee des Klimawissenschaftlers: Die Technologie von Wetter-Apps zu nutzen, die vor allem auf regelmäßigen Analysen unter der Verwendung von Algorithmen basiert. Wie auch die Corona-Infektionslage ist die Wetterberechnung nämlich extrem komplex und besteht aus einer enormen Menge an Daten, die regelmäßig importiert werden und die Genauigkeit der Vorhersage erhöhen können:
Funktionsweise orientiert sich an Technologie von Wetter-Apps
Die Wetter-Daten basieren auf den Analysen von weltweiten Beobachtungsstationen, die permanent unterschiedliche Wetterdaten – darunter Windgeschwindigkeit, Temperatur oder Niederschlagsmenge bis hin zur Luftfeuchtigkeit – aufzeichnen. Im Prinzip wird alle zwölf Stunden eine Analyse durchgeführt, wobei die aktuellen Daten mit der Vorhersage von vor zwölf Stunden synchronisiert und in ein Modell eingefügt werden – ein Algorithmus bestimmt dann, wie die Bedingungen in den nächsten zwölf Stunden sein können.
Nach dem Prinzip der stetigen Datenauswertung soll auch die visionierte Covid-19-App funktionieren. Infektionsdaten werden in einem Modell zur Nachverfolgung von Krankheiten eingefügt, um den Weg von der Exposition über die Infektion bis hin zur Genesung aufzuzeichnen. Die Dateien beziehen sich auf:
- Ergebnisse von Covid-19-Tests
- Virusmengen im lokalen Abwasser
Zudem sollen die Daten der Covid-19-Tests idealerweise mit Geräten zur Messung der Körpertemperatur – sogenannten Körpertemperatursensoren – kombiniert werden, um das individuelle Ansteckungsrisiko vorherzusagen. „Das Entscheidende ist, dass es sich dabei um personenbezogene Daten handelt“, so Schneider. Im Endeffekt sollen diese Daten an eine App gesendet werden, sodass jeder Nutzer sein persönliches Risiko direkt mithilfe seines Smartphones sehen kann.
App soll individuelles Infektionsrisiko bewerten
So könnte die App:
- das individuelle Infektionsrisiko bewerten
- den Prozentsatz der Infizierten in einer Stadt vorhersagen
Bereits während der H1N1-Pandemie (Schweinegrippe) oder dem Zika-Virus wurde die beschriebene mathematische Modellierung für Infektionskrankheiten genutzt, um die damalige Ausbreitung des Virus einzudämmen und Zusammenhänge zwischen möglichen Folgekrankheiten besser zu verstehen. Studien belegen zudem die Nützlichkeit mathematischer Modellierungen.
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Im Rahmen der bisherigen Untersuchungen zum Potenzial der App, erstellte das Forschungsteam eine Simulationsstadt, die New York in der Frühphase der Pandemie gleicht. Das Datennetz umfasste mehrere tausend sich kreuzender Punkte, von denen jeder eine Person darstellte – und zeichnete so auch die Anzahl der Interaktionen der jeweiligen Personen auf.
Vielversprechende Ergebnisse, dennoch Herausforderungen
Das Fazit: Bei einer hohen diagnostischen Rate, könne man die Pandemie so effektiv bekämpfen. „Wir haben hier eine Technologie, mit der wir Epidemien in den Griff bekommen und sogar ganz eindämmen können, wenn sie weit genug verbreitet ist und mit Tests kombiniert wird“, prognostiziert Schneider. Jedoch bestehen auch einige Herausforderungen:
- 75 Prozent der Bevölkerung müssten die App nutzen und sich – im Falle einer Ansteckung – wie empfohlen, selbst isolieren.
- Datenschutz-Bedenken müssen überwunden werden, auch wenn die Daten anonymisiert werden.
- Jüngere Menschen sind tendenziell eher bereit, Gesundheitsdaten zu teilen, um dadurch einen Lockdown zu verhindern.
- Die hohe Zahl symptomloser Infizierter und die kurze Inkubationszeit kann die Ausbreitung des Virus mittels der Kontaktnachverfolgung nur begrenz kontrolliert werden. Effizienter sei es, wenn man mehrere Datenquellen mit einem Modell der Krankheitsübertragung kombiniert.
Ob und wann eine solche App tatsächlich entwickelt und umgesetzt wird, ist bislang unklar.
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