Von Haarausfall bis Libidoverlust: Forscher finden neue Long-Covid-Symptome

Long-Covid kann sich mit einer Vielzahl von Symptomen äußern. Doch nun fanden Forscher in Großbritannien bei einer großen Studie mit knapp einer halben Million Betroffenen auch neue Symptome, die häufig bis zu zwölf Wochen nach der Erstinfektion auftraten – darunter auch Haarausfall und Libidoverlust.

Über 1,8 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland mit Corona infiziert. Auch wenn die meisten Infektionen mild ablaufen, befürchten Mediziner dennoch eine Flut von Long-Covid-Patienten. Denn auch Menschen, die kaum oder gar keine Covid-19-Symptome entwickeln, können unter Langzeitfolgen einer Sars-CoV-2-Infektion leiden, die über Wochen oder sogar Monate anhalten.

Die häufigsten Symptome von Long- bzw. Post-Covid

Zu den bisher am häufigsten dokumentierten Beschwerden in Zusammenhang mit Long-Covid zählen

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Kopfschmerzen
  • Atembeschwerden
  • Geruchs- und Geschmacksstörungen
  • kognitiven Beeinträchtigungen wie Gehirnnebel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • depressiven Verstimmungen

Aber auch Herzbeschwerden, Nieren- und Stoffwechselstörungen können in Folge einer Infektion auftreten – die Liste der möglichen Symptome ist lang: In diversen Studien haben Betroffene bis zu 200 verschiedene Symptome für Long-Covid angegeben.

In Deutschland bezeichnen Mediziner, Beschwerden, die länger als vier Wochen nach der akuten Corona-Infektion bestehen als „Long-Covid“. Beschwerden, die länger als zwölf Wochen bestehen werden als „Post-Covid“ bezeichnet.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Post-Covid als einen Zustand, der durch Symptome wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit und kognitive Dysfunktion gekennzeichnet ist und das tägliche Leben nach einer durchgemachen Sars-CoV-2-Infektion beeinträchtigen. Sie treten in der Regel drei Monate nach Beginn der akuten Covid-19-Symptome auf, halten mindestens zwei Monate an und können nicht durch eine alternative Diagnose erklärt werden.

Studie aus Birmingham findet neue Long-Covid-Symptome

Nun hat eine neue großangelegte Studie der Universität Birmingham 62 Symptome bei nicht hospitalisierten Corona-Erkrankten gefunden, die über zwölf Wochen nach der Erstinfektion noch anhielten. Die Daten dazu stammten aus elektronischen Patientenakten von 486.149 Corona-Betroffenen in Großbritannien, die zwischen Januar 2020 und April 2021 eine Infektion durchgemacht haben.

Um zu sehen, welche Symptome dabei mit Long-Covid in Verbindung standen, verglichen die Forscher die Gesundheitsdaten mit denen von über 1,94 Millionen Nicht-Infizierten. Die gefundenen Symptome unterteilten sie in 14 verschiedene Kategorien wie unter anderem Atmung, Schmerzen, Fatigue und Kognitive und psychische Gesundheit.

Dabei konnten sie sehen, dass bei Long-Covid-Patienten folgende Symptome, einige davon bisher in Zusammenhang mit Long-Covid weniger bekannt, am häufigsten auftraten:

  • Verlust des Geruchssinns
  • Haarausfall
  • Niesen
  • Ejakulationsschwierigkeiten
  • verminderte Libido
  • Atemnot im Ruhezustand
  • Müdigkeit
  • Brustschmerz
  • Heisere Stimme
  • Fieber

Risikofaktoren für Long-Covid basierend auf der Birmingham-Studie

Wenn es darum geht, wer am häufigsten von Long-Covid betroffen ist, konnten die Forscher folgende Risikofaktoren herauslesen:

  • weibliches Geschlecht
  • sozioökonomische Benachteiligung
  • Rauchen
  • Fettleibigkeit
  • bestehende Erkrankungen wie Depressionen, Angstzustände und Asthma

Die Risikofaktoren seien aber nur eine Facette und erklärten nicht vollständig, warum jemand erkrankt. „Diese Forschung bestätigt, was Patienten Klinikern und politischen Entscheidungsträgern während der Pandemie gesagt haben, dass die Symptome von Long-Covid extrem breit gefächert sind und nicht vollständig durch andere Faktoren wie Risikofaktoren des Lebensstils oder chronische Gesundheitszustände erklärt werden können,“ sagte Studienleiter Shamil Haroon dem Wissenschaftsmagazin „Science Daily“. Mit ihrer Studie wollen die Forscher Kliniken dabei helfen, Patienten besser zu beurteilen und anschließend zu überlegen, wie die Symptombelastung am besten bewältigt werden könne, sagte Haroon weiter.

Etwa zehn Prozent aller Infizierten entwickelt Long-Covid

Dass Vorerkrankungen eine Rolle dabei spielen, ob jemand an Long-Covid erkrankt, ergab erst kürzlich eine Auswertung kassenärztlicher Abrechnungsdaten aus 2021 des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Versorgung (ZI) in Berlin. Demnach waren knapp 96 Prozent von circa 170.000 Long-Covid-Patienten bereits im Vorjahr in vertragsärztlicher Behandlung.

Auffällig häufige Behandlungsanlässe im Vorfeld von Corona waren laut Bericht beispielsweise

  • Rückenschmerzen
  • Erkrankungen des Metabolischen Syndroms
  • somatoforme Störungen (also Störungen ohne organischen Anlass)
  • Depression
  • und Asthma.

Laut ZI-Chef Dominik Stillfried deutet die Studie demnach an, dass Menschen mit Vorerkrankungen ein höheres Risiko für Long-Covid haben. „Die kassenärztlichen Abrechnungsdaten zeigen, dass Menschen mit Long-Covid in der Regel vorher nicht ganz gesund waren“, sagt Stillfried gegenüber FOCUS Online.

Bestehende Erkrankung sind Risikofaktoren für Long-Covid

„Dass jemand vorher kerngesund war und nach seiner Corona-Infektion schwer von Long-Covid betroffen ist, kommt zwar vor, ist aber nicht die Regel“, so Stillfried. Das jedenfalls spiegelten die kassenärztlichen Daten wider. Denn vier Prozent der Long-Covid-Patienten waren vorher nicht beim Arzt. Die Daten zeigten, dass jüngere und gesündere Menschen eher seltener von Post-Covid betroffen seien als Menschen mit bestehende Vorerkrankungen.

Spezialistin Jördis Frommhold: Diagnose von Long-Covid ist schwierig

Die Long-Covid-Spezialistin Jördis Frommhold, die bereits über 5000 Patienten in der Median Klinik in Heiligendamm behandelt hat, beurteilte die Ergebnisse eher kritisch. „Die Diagnose von Long-Covid ist sehr schwierig und viele Ärzte haben wenig Erfahrung damit“. Zu sagen, dass die meisten Long-Covid-Patienten daher eine Vorerkrankung hätten, sei zu einseitig. Es könnte genauso gut junge und gesunde Menschen treffen.

Laut Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation leiden zwischen zehn und 20 Prozent noch Wochen und Monate an den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion.

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