1.000 Gesundheitskioske hat Minister Karl Lauterbach angekündigt. Es ging um niedrigschwellige Angebote in Kommunen mit mangelnder Gesundheitsversorgung. Jetzt gibt es mit einem Referentenentwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz langsam etwas Klarheit, was es mit den Gesundheitskiosken auf sich haben könnte und wer sie finanzieren soll. Apotheken spielen derzeit jedenfalls absolut keine Rolle in dem Entwurf.
Während in den vergangenen Tagen und Wochen das geplante Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) für viel Aufmerksamkeit sorgte, arbeitete das Bundesgesundheitsministerium weiter an seinem ebenfalls schon seit langem angekündigten Referentenentwurf für ein Versorgungsgesetz. Nun liegt dieser Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune“ (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG) vor. Er klärt unter anderem die rechtlichen Grundlagen der sogenannten Gesundheitskioske – die Apotheken tauchen darin allerdings nicht auf.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, es wolle 1.000 Gesundheitskioske in Deutschland schaffen. Seit 2017 gibt es beispielsweise in Hamburg drei Gesundheitskioske, Minister Karl Lauterbach hatte seine Pläne für eine Gesetzesinitiative in einem von ihnen im September 2022 vorgestellt.
Armutszeugnis für Gesundheitsversorgung
Laut Referentenentwurf sollen sie „niedrigschwellige Beratungsangebote für Prävention und Behandlung“ bieten. Zur Begründung, warum das nötig und in den regulären Strukturen nicht zu haben ist, gibt es zu Beginn des Entwurfs ein Armutszeugnis: „Nicht überall in Deutschland haben Menschen die gleichen Chancen, ihre Ansprüche auf Beratung, auf Vermittlung von Angeboten der Prävention und der medizinischen Versorgung sowie auf unbürokratische Hilfe bei der Klärung sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen zu verwirklichen.“
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Gesundheitskioske sollen Teil der Regelversorgung werden
Die Gesundheitskioske sollen gemeinsam von Kommunen und der gesetzlichen Krankenversicherung unter Beteiligung der privaten Krankenversicherung geschaffen werden. Das BMG kalkuliert mit etwa 400.000 Euro pro Gesundheitskiosk, das wären bei 1.000 Kiosken 400 Millionen. Die Finanzierung teilen sich Kommunen (20 Prozent), gesetzliche (74,5 Prozent) und private Krankenversicherung (5,5 Prozent). Diese Aufteilung war bereits im September so angedacht. Geleitet werden sollen die Gesundheitskioske von einer Pflegekraft, „die gemeinsam mit weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur medizinischen, präventiven und sozialen Bedarfsermittlung erbringt“.
„Gesundheitsregionen“ und „Primärversorgungszentren“
Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Krankenkassen soll in sogenannten „Gesundheitsregionen“ organisiert werden. Dabei werden auf Antrag der Kommunen zwischen den Parteien die Verträge geschlossen. Ein solcher Gesundheitsregionenvertrag stelle eine „alternative Organisation der Regelversorgung ohne Einschreibepflicht der Versicherten und mit Beibehaltung der freien Arzt- und Leistungserbringerwahl dar“. Die Regionen sollen die Bildung von Netzwerken zwischen den Beteiligten erleichtern und gleichzeitig auch die gewachsenen Strukturen berücksichtigen. Die Kosten werden zu gleichen Teilen von Kommunen und Kassen getragen. Darüber hinaus sollen die Kommunen es in Zukunft aber auch leichter haben, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen.
Um dem Mangel an Hausärzten in verschiedenen Kommunen zu begegnen, sollen „Primärversorgungszentren“ gegründet werden. Diese kooperieren mit den Gesundheitskiosken und den Kommunen und sollen durch zusätzliche berufsgruppenübergreifende, koordinierte, kooperative und versorgungssteuernde Versorgungelemente gekennzeichnet sein. Das zielt allerdings nicht nur auf die Patientinnen und Patienten: Durch die Entlastung durch nichtärztliche Fachkräfte soll die „Attraktivität zur Niederlassung in Regionen mit Versorgungsschwierigkeiten gesteigert werden“.
ABDA kritisiert „überflüssige Parallelstruktur“
Innerhalb der Apothekerschaft werden die Gesundheitskioske kritisch beäugt. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte dazu im vergangenen Jahr anlässlich der Eröffnung des Deutschen Apothekertags: „Statt in die Etablierung einer überflüssigen Parallelstruktur so viel Geld zu investieren, wäre es klüger, bestehende, niederschwellige Strukturen wie Apotheken zu stärken.“ Die Tatsache, dass die Apotheken in dem Referentenentwurf keine Erwähnung finden und ihre Rolle demnach ungeklärt bleibt, wird an dieser Haltung wohl kaum etwas ändern.
Demgegenüber verwies der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) auch in der DAZ darauf, dass „die pauschale Ablehnung von Gesundheitskiosken kein hilfreicher Beitrag der Apothekerschaft zu einem drängenden Problem, nämlich sozial Benachteiligte in unterversorgten Quartieren großer Städte und ländlicher Regionen zu erreichen und ihnen den Zugang zu Angeboten des Gesundheitswesens in der Versorgung sowie bei Prävention und Gesundheitsförderung zu erleichtern“. Der Verein appelliert, „die Chancen, die sich mit den Gesundheitskiosken ergeben, zu ergreifen“.
„Apotheker nicht auf dem Schirm“
Wie die Apotheken sich bei den Gesundheitskiosken einbringen können, war auch Thema bei der VdPP-Tagung Anfang Juni, wie die Deutsche Ärztezeitung berichtete. Demnach habe die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, Kerstin Kemmritz, erwägt, „ob es nicht sogar verpflichtend sein müsste, Apotheker in Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren einzubinden“. Die Hamburger Apothekerin Sabine Haul, die dort an einem Gesundheitskiosk beteiligt ist, erklärte beispielsweise, dass Apotheken Patient:innen an die Gesundheitskioske weiterleiten könnten. Ihre Diagnose bei der Tagung – „Wir erleben, dass die Gesundheitswissenschaftler die Apotheker gar nicht auf dem Schirm haben“ – scheint der Referentenentwurf nun zu bestätigen.
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