Viele Apotheken bieten das Anmessen von Kompressionsstrümpfen als Service an. Doch wie können Mitarbeitende damit umgehen, wenn die Kundin oder der Kunde ungepflegt ist? Dürfen sie das Anmessen verweigern und welche Pflichten zum Schutz der Angestellten obliegen der Apothekenleitung? Adexa-Rechtsanwältin Minou Hansen gibt die Antworten.
Die Therapie mit Kompressionsstrümpfen ist ein wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von Venenleiden. Durch die äußere Kompression kann einer Verschlimmerung der Symptome entgegengewirkt werden. Für den Therapieerfolg ist neben dem konsequenten Tragen der Strümpfe auch die Passgenauigkeit entscheidend. Daher wird zu Therapiebeginn jedes Bein individuell vermessen und die Strümpfe entsprechend angepasst. Diese Dienstleistung bieten viele Apotheken an.
Anders als bei der Beratung zu Arzneimitteln und Co. kommen die Apothekenangestellten dabei den Kunden jedoch sehr nahe. Wie eine Leserzuschrift zeigt, kann das für das Personal zuweilen sehr unangenehm sein: „Ich bin in unserer Apotheke für das Anmessen von Kompressionsstrümpfen zuständig. Das macht mir normalerweise auch großen Spaß. Jetzt haben wir aber einen sehr ungepflegten Kunden, der einen so schlimmen Körpergeruch hat, dass ich es nicht aushalte, in seine Nähe zu kommen. Mir wird regelrecht übel. Darf ich mich da weigern, bei ihm Strümpfe anzumessen? Meine Idee wäre, ihn als allgemeine Regel darauf hinzuweisen, zu diesem Termin frisch geduscht zu erscheinen. Meine Chefin möchte den Kunden nicht ansprechen. Wie verhalte ich mich am besten?“
Tätigkeit muss dem Berufsbild entsprechen
Aus rechtlicher Sicht muss zunächst überprüft werden, inwieweit die Verpflichtung besteht, auch bei diesem Kunden Strümpfe anzumessen, bzw. andersherum, inwieweit eine Arbeitsverweigerung berechtigt wäre.
Grundsätzlich sind PTA verpflichtet, jene Arbeiten durchzuführen, die dem Berufsbild entsprechen bzw. die im Arbeitsvertrag schriftlich oder mündlich vereinbart worden sind. Die Apothekenleitung darf im Rahmen ihres Weisungsrechts auch andere Tätigkeiten anordnen, sofern diese noch dem Berufsbild entsprechen.
Arbeitsverweigerung bei gesundheitlicher Beeinträchtigung möglich
Da im vorliegenden Fall die grundsätzliche Bereitschaft zur Anmessung der Strümpfe besteht, stellt sich hier die Fragen, ob die Tätigkeit speziell bei einem Kunden verweigert werden kann.
Eine Arbeitsverweigerung ist grundsätzlich zulässig, wenn durch die Tätigkeit die Gesundheit des Personals beeinträchtigt würde. Denn die Apothekenleitung hat Schutz- und Fürsorgepflichten, d. h. sie muss Mitarbeitende vor gesundheitlichen Gefahren schützen. Wird dem Personal – wie im vorliegenden Fall – wegen des Körpergeruchs eines speziellen Kunden übel, ist dies als körperliche Beeinträchtigung zu werten und der Arbeitgeber somit zum Schutz verpflichtet.
Eine geeignete Schutzmaßnahme könnte zum Beispiel sein, den Kunden zu bitten, sich vor dem Anmessen zu duschen. Besteht die Sorge, den entsprechenden Kunden mit dieser Bitte zu vergraulen, kann man – wie von der Leserin vorgeschlagen – auch eine allgemeine Anleitung an alle Kunden ausgeben.
Fazit
Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätte die Leserin gute Chancen, dass das Gericht eine etwaige Kündigung wegen dieser Weigerung als unwirksam erachten würde. Im besten Fall sollte man es allerdings gar nicht so weit kommen lassen, sondern rechtzeitig mit der Apothekenleitung über die Situation sprechen. Um das eigene Engagement zu unterstreichen, kann bei dieser Gelegenheit z. B. gleich ein erster Entwurf für eine „Kunden-Anleitung“ präsentiert werden.
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