Kaum eine Ware oder Dienstleistung ist heutzutage nicht über einen virtuellen Marktplatz erhältlich. Auch vor der Arzneimittelversorgung macht diese Entwicklung nicht Halt. Doch hier sind die rechtlichen Grenzen deutlich enger gezogen als bei anderen Produkten – schließlich sind Arzneimittel Waren besonderer Art. Der Apothekenrechtsexperte Dr. Elmar J. Mand nahm beim ApothekenRechtTag das rechtliche Geflecht rund um die Plattformen unter die Lupe – unter anderem in Hinblick auf das noch recht neue Makelverbot.
Der Arzneimittelversender Shop Apotheke und die Online-Arztpraxis Zava machten es besonders eindrücklich vor: Sie hatten ihre Angebote im Web so miteinander verquickt, dass Patienten – jedenfalls in bestimmten Indikationsbereichen – die Versorgung „aus einer Hand“ erhielten. Nach dem Online-Arztbesuch konnte direkt das passende Rx-Arzneimittel im Wege des „One-Stop-Shopping“ geordert werden. Eine Traumvorstellung für eine Branche in Goldgräberstimmung. Doch die Gerichte machten dem Konstrukt einen Strich durch die Rechnung.
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Selbst wenn die Plattformen sich „nur“ darauf konzentrieren, Verbraucher und Apotheken zueinander zu bringen und Ärzte außen vor lassen, begeben sie sich auf rechtlich dünnes Eis. Das machte Dr. Elmar Mand beim ApothekenRechtTag online deutlich. Grenzen setzen unter anderem das Heilmittelwerberecht, das Berufsrecht der Ärzte und Apotheker, das Arzneimittelpreisrecht und seine sozialrechtlichen Ergänzungen sowie das Strafrecht. Mand konzentrierte sich auf drei Kernvorschriften aus dem Apothekenrecht – darunter der neu gefasste § 11 Apothekengesetz.
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Hier ist zum einen das Abspracheverbot (Abs. 1), zum anderen das Makelverbot (Abs. 1a) geregelt. Die Vorschriften wurden vor dem Hintergrund der Einführung des E-Rezepts angepasst beziehungsweise neu eingefügt. Das Abspracheverbot richtet sich ausschließlich an Apotheken und hat den Zweck, den Apothekerberuf strikt von anderen Heilberufen zu trennen und seine unabhängige Kontrollfunktion zu schützen. Sie dürfen mit Ärzten und anderen Heilberuflern, sowie jetzt auch Dritten, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die z. B. eine Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen (auch elektronische, inklusive Token) zum Gegenstand haben – auch wenn sie ihren Sitz außerhalb Deutschlands in der EU haben. Doch die Tatbestandalternativen haben bei der Auslegung ihre Tücken. Apothekenplattformen dürften klar betroffen sein, wenn sie direkt mit Ärzten zusammenarbeiten wie im eingangs erwähnten Zava/Shop-Apotheke-Konstrukt. Höchstrichterliche Entscheidungen gibt es in solchen Fällen aber noch nicht – hier wird jeweils im Einzelfall zu entscheiden sein.
Partiarische Vergütung ein unzulässiger Vorteil
Aus Sicht von Elmar Mand sind diese Unsicherheiten aber nicht allzu problematisch, da es das Makelverbot als viel passendere Vorschrift gibt. § 11 Abs. 1a ApoG verbietet das kommerzielle Makeln von Rezepten mit dem Ziel, die freie Apothekenwahl zu schützen und Verwerfungen im Apothekenmarkt zu verhindern, die die flächendeckende Versorgung gefährden könnten. Es richtet sich an „Dritte“ (also nicht an die Inhaber einer Apothekenbetriebserlaubnis oder deren Personal), die (E-)Rezepte (und Token) sammeln, weiterleiten oder vermitteln. Das ist unzulässig, wenn sie dafür einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen, annehmen oder gewähren. Die Vorschrift ist sehr weit gefasst – geht man rein nach dem Wortlaut, wäre schon der Rezepttransport durch die Post verboten. Und auch die Tätigkeiten der Apotheken-Plattformen wären umfassend erfasst. Dass es da verfassungsrechtliche Bedenken gibt, liegt auf der Hand. Doch Mand hat eine einschränkende Auslegung parat, mit der sich diese Probleme umschiffen lassen könnten. So sollten nur Handlungen erfasst sein, die die berufs- oder gewerbsmäßige Beeinflussung des Weges von Rezepten von der Praxis in die Apotheke zum Gegenstand haben – damit wäre die Post aus dem Schneider. Bleibt die Frage, wann ein „Vorteil“ anzunehmen ist. Dieser sei nicht schon darin zu sehen, dass die Plattform überhaupt ein Nutzungsentgelt erhalte – das würde jedes Plattformmodell ausschließen. Maßgebend ist aus Mands Sicht vielmehr, ob gerade für den steuernden Einfluss des Dritten auf dem Weg von Rezepten zur Apotheke ein Entgelt zu zahlen ist oder nicht. Ein glasklares Kriterium sei das leider nicht, aber es sei sachgerecht für die Auslegung im Einzelfall. Dazu müsse man die konkreten Nutzungsbedingungen und Transaktionsregelungen betrachten. Ein unzulässiger Vorteil ist für Mand beispielsweise eine partiarische Vergütung, die an die Anzahl der durchgeführten Transaktionen und damit an die Umsatzgröße knüpft. Denn hier werde nicht für die Dienstleistung gezahlt, an der Plattform teilhaben zu können. Eine von der Zahl der Vermittlungen unabhängige Nutzungsgebühr sieht Mand demgegenüber nicht als relevanten Vorteil. Eine Ausnahme könnte vorliegen, wenn besonders hohe Vergütungen bezahlt werden, die nicht durch die Bereitstellung der technischen Infrastruktur, sondern nur als Erfolgsprovision erklärbar seien.
Letztlich agieren Apothekenplattformen in einem rechtlichen Minenfeld. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung auf diesem Gebiet und insbesondere zum neuen Makelverbot entwickelt.
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