253 anerkannte Fälle in Deutschland – die 6 wichtigsten Fragen zu Impfschäden

Nach einer Corona-Impfung können Nebenwirkungen auftreten, sehr selten auch schwere. Insgesamt 253 solcher Impfschäden wurden in Deutschland nun offiziell anerkannt. Wie eine Entschädigung beantragt werden kann, was Betroffene wissen müssen und was das für die Impfungen bedeutet.

Vor beinahe auf den Tag genau drei Jahren wurde die erste Corona-Infektion in Deutschland gemeldet. Es folgten unzählige Infektionen, mehrere Lockdowns und schließlich Impfungen. Über 192 Millionen Dosen wurden verabreicht, 63,6 Millionen Menschen sind damit grundimmunisiert.

Kommt es zu gesundheitlichen Schäden nach einer Corona-Impfung, steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, so steht es im Infektionsschutzgesetz.

Rund 6000 Anträge auf finanzielle Hilfe wegen schwerer gesundheitlicher Schäden infolge einer Corona-Impfung sind laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ (WamS) bisher gestellt worden. Nur ein Bruchteil, nämlich 253, wurden bewilligt. 1808 Anträge wurden demnach abgelehnt, 3968 weitere sind noch in Bearbeitung.

Antworten auf die drängendsten Fragen.

Wie werden Impf-Nebenwirkungen erfasst?

In Deutschland überwacht das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Sicherheit von Impfstoffen. Geimpfte, aber auch Angehörige und Mitarbeiter des Gesundheitswesens können Nebenwirkungen auf dem Meldeportal des PEI oder der neuen Smartphone-App „SafeVac2.0“ melden. Ärzte sind zudem verpflichtet, Verdachtsfälle dem PEI und der zuständigen Landesbehörde zu melden.

  • Laut aktuellem Sicherheitsbericht wurden dem PEI insgesamt 331.900 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und 50.833 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen gemeldet.
  • Die Melderate von Verdachtsfällen betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,9 Meldungen pro 1000 Impfdosen.
  • Für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen 0,3 Meldungen pro 1000 Impfdosen.

Auch zwei Unikliniken in Deutschland nehmen derzeit Verdachtsfälle auf, die nach einer Coronaimpfung unerklärliche Symptome entwickelt haben: die Charité in Berlin und die Uniklinik in Marburg.

Welche Impf-Nebenwirkungen sind bekannt?

Am häufigsten wurden dem PEI vorübergehende, sogenannte Impfreaktionen, berichtet. Dazu zählen

  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit
  • grippeähnliche Symptome,
  • Schmerzen an der Injektionsstelle und
  • Fieber.

Sie sind in der Regel Ausdruck der Reaktion des Immunsystems auf die Impfung und klingen nach wenigen Tagen ab.

Andere Nebenwirkungen beziehungsweise Impfkomplikationen wurden dem PEI

selten“ gemeldet, darunter Fälle von

  • Tinnitus (Johnson & Johnson)
  • venöse Thrombosen (Johnson & Johnson) und
  • Gesichtslähmung (Johnson & Johnson, Biontech-Pfizer, Moderna).

Eine Nebenwirkung gilt als selten, wenn sie bei 1000 Impfungen höchstens einmal auftritt.

sehr selten“ gemeldet, darunter Fälle von

  • Herzmuskel- beziehungsweise Herzbeutelentzündung (Biontech-Pfizer, Moderna, Novavax),
  • Sinusvenenthrombosen (Astrazeneca) und
  • Guillain-Barré-Syndrom (AstraZeneca, Johnson & Johnson), eine seltene Nerven-Erkrankung,

Eine Nebenwirkung gilt als sehr selten, wenn sie bei 10.000 Impfungen höchstens einmal auftritt.

Herzmuskel- (Myokarditis) und Herzbeutelentzündung (Perikarditis) bezeichnet das PEI als „bedeutendste, sehr seltene schwerwiegenden Nebenwirkungen“ der beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna. Besonders betroffen sind dabei junge Männer und männliche Jugendliche. Die Fälle traten bei dem Impfstoff von Moderna laut Untersuchungen häufiger auf, weshalb die Stiko für Menschen unter 30 Jahren den Impfstoff von Biontech empfiehlt. Sinusvenenthrombosen, bei der bestimmte Blutgefäße im Gehirn verstopfen, wurden insbesondere nach Impfungen mit AstraZeneca beobachtet. Das PEI setzte die Impfungen daraufhin kurzerhand aus, später empfahl die Stiko die Impfgabe ausschließlich für Personen über 60 Jahre. Seit 2022 wird der Impfstoff in Deutschland nicht mehr verabreicht, auch wenn die Europäischen Arzneimittelagentur EMA ihn weiter als sicher einstuft.

Das PEI wertete auch Meldungen zum chronischen Fatigue-Syndrom und Long-Covid-ähnlichen Beschwerden aus und verglich sie mit internationalen Meldungen der EMA. Das habe bisher „kein Risikosignal ergeben“. Dasselbe gelte für Verdachtsfallmeldungen zu Zyklusstörungen bei Frauen und Krampfanfällen.

Bei 120 Todesfällen wurde vom PEI zunächst ein „wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang“ mit der Gabe des jeweiligen Corona-Impfstoffs beobachtet. Allerdings: „Ein Vergleich mit der im gleichen Zeitraum statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle (Daten des Statistischen Bundesamtes) ergab für keinen der fünf zugelassenen Covid-19-Impfstoffe in Übereinstimmung mit Literaturdaten ein Risikosignal“, heißt es vom PEI.

Eine Liste weiterer möglicher Nebenwirkungen des PEI finden Sie hier.

Einschätzung des Virologen Friedemann Weber: „Myokarditis/Perikarditis bei mRNA-Impfstoffen wie auch Sinusvenenthrombosen und Guillain-Barré-Syndrom bei Vektorimpfstoffen gegen Sars-CoV-2 sind als sehr seltene Komplikationen bekannt. Prinzipiell sind solche Fälle also durchaus plausibel.“ Entsprechend könnten sie potentiell auch anerkannt werden, so der Virologe. „Bei Todesfällen nach erfolgter Impfung konnte meines Wissens nach bisher kein ursächlicher Zusammenhang festgestellt werden.“

Wann und wie erhalten Betroffene eine Entschädigung?

Wer durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung einen Impfschaden erleidet, hat Anspruch auf eine Entschädigung. Das ist im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich geregelt. Unter einem Impfschaden versteht man „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“.

Ob Betroffene eine Entschädigung erhalten, prüft das Versorgungsamt im jeweiligen Bundesland. Hier müssen Betroffene auch einen Antrag stellen. Konkret sind das folgende:

  • Baden-Württemberg: Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
  • Bayern: Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS)
  • Berlin: Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGESO)
  • Brandenburg: Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg (LASV)
  • Bremen: Amt für Versorgung und Integration Bremen (AVIB)
  • Hamburg: Freie und Hansestadt Hamburg Sozialbehörde – Amt für Familie
  • Hessen: Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Fulda (HAVS)
  • Mecklenburg-Vorpommern: Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LAGuS)
  • Niedersachsen: Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (LS)
  • Nordrhein-Westfalen: Landschaftsverband Rheinland (LVR) bzw. Amt für Soziales Entschädigungsrecht Westfalen-Lippe (LWL)
  • Rheinland-Pfalz: Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV)
  • Saarland: Landesamt für Soziales Saarland (LAS)
  • Sachsen: Kommunaler Sozialverband Sachsen (KSV)
  • Sachsen-Anhalt: Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (LVwA)
  • Schleswig-Holstein: Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein (LASD)
  • Thüringen: Landesverwaltungsamt Thüringen (TLVwA)

Wird der Antrag abgelehnt, können Betroffene vor ein Sozialgerichten ziehen.

Hinweis: Das Gesundheitsamt kann Hilfe bei der Einleitung des Entschädigungsverfahrens anbieten. RKI und PEI sind nicht zuständig.

Welche Impfschäden wurden bisher anerkannt?

Laut WamS-Bericht wurden überwiegend Herzmuskelentzündung, Sinusvenenthrombosen und das Guillain-Barré-Syndrom anerkannt. Vereinzelt gehe es auch um Todesfälle.

Spitzenreiter sind laut einer bundesweiten Umfrage der „Welt am Sonntag“ (WamS) bei den Versorgungsämtern der Länder Bayern mit 61 und Nordrhein-Westfalen mit 38 bewilligten Anträgen. Schlusslicht ist Bremen mit keiner Anerkennung.

Wie hoch ist eine Entschädigung?

Wie hoch eine Entschädigungszahlung ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Die Höhe ist abhängig vom individuellen Ausmaß der Schädigung und deren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen.

Laut „WamS“ steht Betroffenen ab einem gewissen Schädigungsgrad eine lebenslange Grundrente zwischen 164 und 854 Euro monatlich zu. Dazu übernimmt der Staat, wenn nötig, die Behandlungskosten und zahlt einen Berufsschadensausgleich. In Hessen etwa erhielten Menschen mit anerkanntem Impfschaden im Jahr 2021 durchschnittlich monatlich 1395 Euro.

Im Extremfall könne die monatliche Gesamtsumme bis zu 15.000 Euro betragen. Hinterbliebene von Impftoten haben laut „WamS“ ebenfalls Anspruch auf staatliche Versorgung sowie Bestattungs- und Sterbegeld. Die Kosten tragen die Länder.

Wie häufig werden Anträge auf Entschädigung gestellt?

Gemessen an der Zahl der verabreichten Dosen sind Anträge für die Anerkennung von Impfschäden selten. In Deutschland sind bis Anfang des Jahres nach RKI-Angaben rund 192 Millionen Coronaimpfungen verabreicht worden. 63,6 Millionen Menschen sind damit grundimmunisiert.

Laut „WamS“-Bericht wurden 253 Anträge auf Entschädigung bewilligt, 1808 Anträge abgelehnt und 3968 weitere sind noch in Bearbeitung. Das macht eine Gesamtzahl von 6029 Anträgen.

Was bedeutet das für die Impfstoffe?

Auf die Impfstoffe haben bewilligte Entschädigungszahlungen keine Auswirkungen. Sicherheitsbewertung und -überprüfung obliegt den zuständigen Gesundheitsbehörden. In Europa prüft etwa die Europäische Arzneimittelagentur EMA kontinuierlich die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe, auch nach der Zulassung.

Virologe Weber betont zudem: „Die Komplikationen sind sehr selten und treten deutlich häufiger nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 auf. Die Infektion hat zudem noch eine Reihe weiterer Risiken inklusive Long-Covid oder Tod.“

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