Falsche Ernährung ist heute weltweit die Todesursache Nummer eins und fordert mehr Tote als jeder andere Risikofaktor. Onkologe Volkmar Nüssler fordert ein radikales Umdenken und das findet bei Einstellung zum Thema Salz an. Was eine erhöhte Salzzufuhr so gefährlich macht – und wie Sie diese effektiv reduzieren.
„Versteckt“, das macht deutlich, dass die Spurensuche nicht einfach wird und im Alltag auch nicht effektiv verfolgt werden kann. Nahezu in jedem, insbesondere in industriell gefertigten Lebensmitteln, sind Salz und Zucker schwer erkennbar, eben versteckt. Gerade gesund klingende Lebensmittel wie Fruchtsäfte, Joghurt- Fruchtmischungen, eingelegter Rotkohl oder Studentenfutter enthalten viel Zucker. Der Salzgehalt in Brot oder Brötchen oder Wurstwaren erschließt sich für die Verbraucher:innen kaum auf den ersten Blick. Trotz alledem möchte ich versuchen, für Sie die Dinge klar zu analysieren und Ihnen auch Empfehlungen zu geben, wie Sie der Zucker- und Salzfalle ausweichen können.
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Salz – das „weiße Gold“
Salz oder auch das "weiße Gold“ ist bereits seit 10.000 vor Christus sehr begehrt und wurde selbst in Münzform gepresst, um damit Tauschgeschäfte durchzuführen. Im alten Rom erhielten die Beamten und Soldaten Salz als Sold, das sogenannte Salarium (das heutige Wort Salär – Lohn, Gehalt – wurde davon abgeleitet). Was damals selten und teuer war, ist heute im Überfluss vorhanden und man muss kein Mediziner sein, um bei dem ehemals kostbaren Gut eher an Hypertonie (Bluthochdruck), Nierenerkrankungen oder Magenkrebs zu denken als an ein segensreiches Gewürz. Dabei ist Salz oder auch Natriumchlorid, in Maßen genossen, sogar sehr wichtig für unseren Organismus. Wir benötigen das Natrium, um etwa Nervenimpulse weiterleiten zu können, den Blutdruck zu regulieren oder unsere Muskeln zu bewegen. Das Chlorid ist unter anderem Bestandteil unse- rer Magensäure und dient sowohl der Verdauung als auch der Abwehr von Krankheitserregern.
2017: Dreimillionen Todesfälle durch zu viel Salz
Um zu überleben, brauchen wir täglich bis zu 500 Milligramm Natrium, wobei die DGE eine angemessene tägliche Zufuhr von 1500 Milligramm empfiehlt. Bei Chlorid liegt die Zufuhrempfehlung bei 2300 Milligramm pro Tag. Insgesamt sollte die Menge an Speisesalz, die wir täglich zu uns nehmen, sechs Gramm nicht überschreiten. Dies entspricht in etwa einem Teelöffel pro Tag. Bei unseren Vorfahren wurde die tägliche Aufnahme von Natriumchlorid meist über die natürliche Nahrung gedeckt. Die Erfolgsgeschichte des Salzes fußt eher auf seinen konservierenden Eigenschaften.
Obwohl es heutzutage Kühltechniken gibt, die den Bedarf an Salz zu diesem Zweck überflüssig machen, liegt der Salzkonsum heutzutage in den meisten Ländern bei durchschnittlich zehn Gramm am Tag. Es versteht sich fast von selbst, dass die menschliche Physiologie darauf nur schlecht eingestellt ist. So wurden weltweit im Jahr 2017 etwa drei Millionen Todesfälle auf einen zu hohen Salzkonsum zurückgeführt. Dies führt zu der zweifelhaften Ehre, dass Salz inzwischen unter den Top drei der ernährungsbedingten Risikofaktoren weilt.
Quellen der täglichen durchschnittlichen Salzaufnahme
- unverarbeitete Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milch, Getreide, Gemüse, Obst, Kartoffeln, 1 Gramm
- alle Sorten Brot, 2–3 Gramm
- Brotbelag wie Schinken, Wurstwaren, Gepökeltes, Käse,
- Streichbeläge, Fischmarinaden, 3–5 Gramm
- Fertigprodukte, Fertiggerichte, Fertigsuppen und -soßen,
- Brühwürfel, verarbeitete Fleisch- und Fischkonserven, sonstige Konserven, salzige Snacks, selbst zubereitete Speisen, 4–5 Gramm
- Nachsalzen am Tisch, Gewürzmischungen, 1–2 Gramm29
4 Scheiben Brot (178 Gramm) oder eine Brezel liefern durchschnittlich 2–3 Gramm Salz, somit 30–50 Prozent der von der DGE empfohlenen maximalen Tagesmenge.
Die Berechnung des Kochsalzgehalts aus dem Natriumgehalt erfolgt durch Multiplikation mit dem Faktor 2,54. So entspricht ein Natriumgehalt von 620 Milligramm in 100 Gramm Emmentaler Käse einem Kochsalzgehalt von 1575 Milligramm.
Was macht Salz so gefährlich?
Nehmen wir über längere Perioden zu viel Salz zu uns, kann dies, wie bereits erwähnt, unter anderem zu Bluthochdruck, Herz-Kreis- lauf-Krankheiten und Schlaganfällen führen. Hier herrscht eine kla- re Dosis-Wirkung-Beziehung, die sich in mehreren Experimenten gezeigt hat. Je niedriger die Salzaufnahme war, desto niedriger auch der Blutdruck. Die Empfehlung, die aus diesen Studien hervorgeht, fassten Het et al. 2020 in einem sehr übersichtlichen Artikel so zusammen: „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Reduzierung der Salzzufuhr auf die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Menge von fünf Gramm am Tag zwar gesundheitliche Vorteile bringt, eine weitere Reduzierung auf drei Gramm am Tag jedoch vorteilhafter ist.“
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Das wäre die Hälfte der von der DGE empfohlenen Höchstmenge! Diese Empfehlung könnte im Alter sogar noch gesenkt werden, da die Nierentätigkeit mit zunehmendem Alter oft nachlässt und somit die Ausscheidung von Natrium beeinträchtigt wird, was zu einem weiteren Anstieg des Blutdrucks führen kann. Als beste Maßnahme gegen einen erhöhten Blutdruck erwies sich im Übrigen eine Kombination aus einer geringen Salzaufnahme und einer Ernährung die reich an Obst, Gemüse und (fettarmen) Milchprodukten und arm an rotem Fleisch, gesättigten Fettsäuren und Süßigkeiten war.
Salz-Reduktions-Programm in Finnland senkt Sterblichkeit signifikant
Wie durchschlagend der Erfolg einer verringerten Salzzufuhr sein kann, zeigte indes eine etwas ältere Maßnahme aus Finnland. In den späten 1970er-Jahren führte das Land ein Salz-Reduktions-Programm mit allerlei Kampagnen durch, um die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Unter anderem arbeitete die Regierung mit der Lebensmittelindustrie zusammen und führte ein, dass Salz auf der Verpackung gekennzeichnet werden sollte.
Das Ergebnis: eine Reduktion des Salzkonsums der Bevölkerung von 14 Gramm am Tag auf neun Gramm pro Tag in den Jahren 1972 bis 2002, eine durchschnittliche Senkung des systolischen und diastolischen Blutdrucks um zehn mmHg und eine Verringerung der Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 75 bis 80 Prozent – und das obwohl in der gleichen Zeit sowohl die Adipositas-Rate als auch der Alkoholkonsum in der Bevölkerung zunahmen.
Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-System und Knochensubstanz, erhöhtes Risiko für Nierensteine
Leider hat ein hoher Salzkonsum jedoch nicht nur Auswirkungen auf unser Herz-Kreislauf-System. Unter anderem steigt mit der täglich aufgenommenen Menge Salz der Kalziumverlust über den Urin. Ha- ben wir zu wenig Kalzium im Blut, kann dies über eine erhöhte Kalziumabsorption aus dem Darm und den Abbau von Knochensubstanz vom Körper kompensiert werden. Als Konsequenz kann ein erhöhter Salzkonsum auf Dauer zu Osteoporose, also Knochenschwund, führen.
Außerdem erhöht sich das Risiko für Nierensteine durch die erhöhte Kalziumausscheidung im Urin. Hingegen zeigte sich, dass eine Salzreduktion im Alter den altersbedingten Kalziumverlust aus den Knochen verlangsamen könnte. Auch die Niere leidet unter einem Übermaß an Salz: Neben Nierensteinen führt eine hohe Natriumzufuhr auch zum Fortschreiten von chronischen Nierenerkrankungen.
Salzhaltige Lebensmittel erhöhen Magenkrebs-Risiko
Ein großes Thema ist auch Magenkrebs, der weltweit immer noch zu einer der Haupttodesursachen zählt. Laut dem World Cancer Research Fund (WCRF) gibt es deutliche Hinweise darauf, dass salzhaltige Lebensmittel eine Ursache von Magenkrebs darstellen. Besonders ungünstig wirken sich in diesem Zusammenhang gepökelte und in Salz konservierte Lebensmittel aus. Man geht davon aus, dass das Salz Magenschleimhaut schädigt und diese Schäden im weiteren Verlauf zu Magentumoren führen können. Verstärkt wird dieser Umstand durch das Bakterium Helicobacter pylori, welches ebenfalls die Magenschleimhaut angreift. Auch unabhängig vom Salz ist dieses Bakterium eine Ursache für Magenkrebs. Nimmt man diese beiden Faktoren jedoch zusammen, erhöht sich das Risiko drastisch.
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Kognitive Beeinträchtigung bis hin zu Alzheimer
Es gibt darüber hinaus sogar Hinweise, dass ein hoher Salzkonsum mit einer kognitiven Beeinträchtigung, Kopfschmerzen und der Alzheimer-Krankheit einhergeht. Es gibt bisher jedoch wenige Studien dazu und es bedarf hier noch weiterer Forschung. Allerdings ist bei diesen Befunden auch immer das Darmmikrobiom involviert, weshalb ich hier noch mal kurz auf den Zusammenhang eingehen möchte:
Es hat sich gezeigt, dass Salz die Zusammensetzung unserer Darmbakterien verändern kann. Im Anbetracht seiner Verwendung als Konservierungsmittel von Lebensmitteln – vor allem gegen bakteriellen Befall – ist dies keine große Überraschung. Unter anderem aktivierte das Salz jedoch über die Verschiebung der bakteriellen Zusammensetzung das Immunsystem, was zu Entzündungsreaktionen führte. Möglicherweise wirken sich diese Entzündungen zusammen mit oxidativem Stress auf die kognitiven Fähigkeiten der Salzkonsument:innen aus. Wie gesagt, diese Forschung steckt noch ganz am An- fang, jedoch sind die bisherigen Erkenntnisse sehr spannend.
Salzaufnahme hat direkten Einfluss auf Fettstoffwechsel
Etwas besser erforscht ist der Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Adipositas. Durch einen hohen Salzkonsum nimmt tendenziell auch der Konsum gezuckerter Getränke zu, wobei wir eine wunderbare Brücke zum nächsten Thema, dem Zucker, geschlagen hätten. Es sei jedoch noch erwähnt, dass Tierversuche darauf hindeuten, dass die Salzaufnahme auch einen direkten Einfluss auf unseren Fettstoffwechsel haben könnte und daher das Risiko für Übergewicht und Adi- positas auch ohne den zusätzlichen Konsum beispielsweise zuckergesüßter Getränke begünstigt.
Volkmar Nüssler ist in Dresden geboren und aufgewachsen. Sein Medizinstudium hat er in seinem Geburtsort begonnen und in München abgeschlossen. Er ist Arzt für Krebserkrankungen und war von 1998 bis 2022 Geschäftsführender Koordinator des Tumorzentrums München (TZM). In dieser Funktion initiierte er 2010 die Gründung einer psychosozialen Beratungsstelle für Krebspatientinnen und -patienten sowie ihre Angehörigen im TZM. Auch die Aktivitäten der TZM-Projektgruppe „Ernährung und Krebs“, in der ärztliche und andere Ernährungsexpertinnen und -experten eng zusammenarbeiten, gehen auf seine Initiative zurück genauso wie die Einrichtung einer entsprechenden Beratungsstelle. Nicht zuletzt diese Engagements haben ihn davon überzeugt, dass eine vollwertige Ernährung, genauer: das Kochen mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln und eine gemeinschaftsfördernde Esskultur, wichtige Bausteine für einen gesunden Lebensstil darstellen. In diesem Sinne vollwertige Ernährung kann auch Krebserkrankungen vorbeugen. Nüssler ist außerdem Mitbegründer des Vereins Food & Health, der sich für eine Verbesserung der Essensqualität in Gemeinschaftsküchen einsetzt. In Blogbeiträgen, bei Veranstaltungen für Patientinnen und Patienten und in der von ihm entwickelten Koch-App „Health Food“ ist er regelmäßig engagiert.
Jetzt liegt der Impuls nahe, im Angesicht all dieser negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit ganz schnell den Salzstreuer vom heimischen Esstisch zu verbannen und beim Kochen prinzipiell mehr auf frische Kräuter und Gewürze zu setzen. Dies macht durchaus Sinn und ich möchte Sie explizit dazu ermutigen, sich nach Alternativen zum Salzstreuer umzusehen. Schon allein die Erweiterung der geschmacklichen Vielfalt ist dieses Experiment wert. Gerade mit Kindern im Haushalt ist dies eine hervorragende Möglichkeit, die Kleinen von Beginn an an eine salzarme Kost zu gewöhnen.
Warum verarbeitete Lebensmittel die wahren Übeltäter sind
Den größten Teil am täglichen Salzkonsum machen jedoch verarbeitete Lebensmittel aus, bei denen die große Menge Salz meist gar nicht spürbar ist. Natürlich denken viele hier vor allem an Knabberartikel wie Salzstangen, geröstete Erdnüsse oder Chips, aber Brot und Brötchen sind beim Salzgehalt ganz vorne mit dabei, ebenso wie Wurst und Käse. Noch unübersichtlicher wird es bei Fertiggerichten wie Pizza oder anderer Tiefkühlkost. Hier bewahrheitet sich mal wieder der Rat: Nur wer selbst kocht, weiß am Ende auch, was drin ist.
Aus dauerhaft erhöhtem Salzkonsum entstehen Gesundheitsrisiken wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, periphere Durchblutungsstörungen und Schlaganfall, Nierenfunktionsstörungen sowie Ödemneigung. Zehn Gramm Kochsalz binden einen Liter Wasser!
- Verwenden Sie weniger Salz beim Kochen. Suchen Sie Alternativen wie Gewürze und Kräuter.
- Vorsicht bei verarbeiteten Lebensmitteln und Fertiggerichten: Sie enthalten viel Salz, das oft nicht spürbar ist.
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