Die beiden Digitalisierungsgesetze aus dem Hause Lauterbach treffen bei der ABDA grundsätzlich auf Zuspruch. Allerdings gefällt es der Standesvertretung nach wie vor nicht, dass sich die Krankenkassen künftig in die E-Rezept-Einlösung einmischen dürfen. Schärfere Kritik kommt von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.
Der Bundestag hat am Donnerstag die beiden von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angeschobenen Digitalisierungsgesetze verabschiedet: Das Digital-Gesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Tags zuvor hatte der Gesundheitsausschuss des Bundestages noch 39 Änderungsanträge beschlossen. Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, betonte in einem Pressegespräch nach der Ausschusssitzung, dass man es geschafft habe, Datenschutz und Gesundheitsschutz in eine vernünftige Balance zu bringen. Auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen bleibe gewahrt.
Für Matthias Mieves, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sind Digitalgesetz und GDND schlicht die „Wir machen das Leben einfacher-Gesetze“. Und zwar sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für das Gesundheitspersonal.
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Die ABDA spricht in ihrem Statement zum Bundestagsbeschluss zumindest von zwei „richtungsweisenden“ Gesetzen. Sie bekräftigt, dass die Apothekerschaft die Umsetzung von Digitalprojekten trotz aller Herausforderungen weiterhin aktiv begleiten und gestalten werde. Das gesellschaftspolitische Ziel, die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung mithilfe der Digitalisierung zu steigern, unterstütze man.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), begrüßt explizit, dass das E-Rezept ab 2024 nun auch für die Arztpraxen verpflichtend eingeführt wird. Dies sei „nur konsequent“. Die Apotheken seien schließlich längst bereit. Er hat allerdings noch seine Zweifel, ob wirklich alles läuft, wie es die Ampelkoalition verspricht. „Die elektronische Patientenakte kann ein wichtiger Bestandteil der Versorgung werden, muss dazu aber funktionsfähig und patientenfreundlich ausgestaltet werden“, betont er. Und: „Es ist unabdingbar, dass auch die Apotheken zur Befüllung ebendieser ePA mit Medikationsdaten einen Beitrag leisten“.
Assistierte Telemedizin: Kein Platz für kapitalgesteuerte Anbieter
Auch für die assistierte Telemedizin seien die „schon jetzt hochdigitalisiert“ arbeitenden Apotheken bereit. „Bei der konkreten Umsetzung kommt es aber darauf an, Einflüsse von kapitalgesteuerten Anbietern einen Riegel vorzuschieben“, mahnt Hubmann. Kritisch sieht die Apothekerschaft überdies nach wie vor, dass sich die Krankenkassen künftig in die E-Rezept-Einlösung einmischen dürfen. „Es muss vermieden werden, dass die Krankenkassen aus eigenen Interessen die Verordnungsdaten der Patientinnen und Patienten sammeln und diese dann strategisch nutzen“, so der DAV-Vorsitzende.
Finanzielle Stärkung der Apotheken wäre jetzt konsequent
Letztlich konstatiert Hubmann: „Mit den beiden Digitalisierungsgesetzen erkennt die Politik die wichtige Rolle der Apotheken im Rahmen der ambulanten Versorgung an. Konsequenterweise müssen die Apotheken auch finanziell gestärkt werden.“
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Noch kritischer fallen die Töne seitens der Ärzteschaft aus. Den Niedergelassenen drohen künftig nicht nur Sanktionen, wenn sie sich E-Rezepten verweigern, ihnen werden auch in Sachen ePA neue Pflichten auferlegt. Letzteres war noch mit einem der Änderungsanträge beschlossen worden: Die Befüllung der ePA mit Daten aus Arztbriefen und Befunden soll nämlich anders als bisher vorgesehen zukünftig nicht mehr im Ermessen der Leistungserbringer liegen.
Was zunächst als „Kann-Vorschrift“ gedacht war, wird nun verpflichtend ausgestaltet. Dabei wird aber unterschieden zwischen Daten, die pflichtmäßig in die ePA zu füllen sind und solchen, die auf Verlangen der Versicherten zu befüllen sind.
In den Arztpraxen schnurrt die Technik noch immer nicht
Die Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth begrüßt zwar die Ziele der Gesetze – doch vor allem die kurzfristigen Änderungen zur ePA-Befüllung gefallen nicht: „Bis zum heutigen Tag funktioniert die Technik so schlecht, dass es in der Regel mehrere Minuten dauert, bis die ePA überhaupt eingesehen werden kann – von vernünftig eingespeisten Daten ganz zu schweigen. All dies ist mit unserem dicht getakteten Praxisalltag absolut unvereinbar.“ Noch ist ein Jahr Zeit, alles vorzubereiten, nach den Erfahrungen der Vergangenheit, ist der Optimismus bei den Hausärzt*innen aber offenbar nicht allzu ausgeprägt.
Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes Dirk Heinrich erklärte, die Praxen seien „nicht der Helpdesk für die Versicherten der Krankenkassen“. Es sei vielmehr die Pflicht der Kassen, ihre Versicherten bei der Digitalisierung zu begleiten – und da sei noch „sehr viel Luft nach oben“.
Heinrich weist darauf hin, dass noch immer jede zweite Arztpraxis berichtet, es gebe mehrfach im Monat Problemen mit der Telematik-Infrastruktur – ganz abgesehen davon gebe es vielerorts noch nicht ausreichend Glasfaserleitungen. Er betonte zudem, dass alle digitalen Anwendungen sicher, einfach und zuvor ausreichend getestet sein müssten. Bei E-Rezept und elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichte es offenbar nicht.
KBV kritisiert E-Rezept-Freifahrtschein für Krankenhäuser
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen kritisierte überdies, dass beim E-Rezept mit zweierlei Maß gemessen werde: „Auf der einen Seite bekommen Krankenhäuser einen Freifahrtschein, Niedergelassene werden dagegen vollumfänglich verpflichtet – weiterhin unter Androhung von Sanktionen, versteht sich.“ Tatsächlich sollen Kliniken nach einem der Änderungsanträge erst ab dem 1. Januar 2025 verpflichtet sein, E-Rezepte auszustellen.
Wie es für E-Rezept und ePA wirklich in der Praxis läuft, wird sich in den nächsten beiden Jahren zeigen müssen. Inkrafttreten werden die beiden Digitalisierungsgesetze nicht vor Februar. Denn die Tagesordnung des Bundesrats ist am morgigen Freitag bereits voll – und das nächste Mal kommt die Länderkammer erst am 2. Februar 2024 zusammen.
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