Göran Donner ist seit Anfang Juli der neue Mann an der Spitze der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK). Zuvor hatte er seinen Amtsvorgänger Friedemann Schmidt als Vizepräsident unterstützt. Welche Akzente Donner in den kommenden Jahren setzen möchte, verrät er im DAZ-Interview.
DAZ: Herr Donner, seit kurzem sind Sie der neue Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer. Welchen Themen wollen Sie sich in Ihrer Amtszeit ganz besonders intensiv widmen?
Donner: Die Punkte, die die ABDA im Februar mit ihrem Forderungskatalog beschlossen hat, beschäftigen mich als Inhaber und werden mich auch als Kammerpräsident beschäftigen. Zudem möchte ich in meiner Amtszeit drei Schwerpunkte setzen: Nachwuchsgewinnung, Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen und Erhalt der Struktur im Apothekenwesen.
Was verstehen Sie konkret unter dem Erhalt der Struktur?
Wir müssen für die dezentrale Arzneimittelversorgung durch freiberufliche Apothekerinnen und Apotheker kämpfen. Die persönliche Verantwortung ist dabei essenziell. Es bereitet mir Sorge, wenn ich sehe, dass inzwischen sogar Angriffe aus den eigenen Reihen auf die Struktur kommen, etwa der Vorschlag, Apotheken-GmbH zuzulassen. Auch die Konzentration der Arzneimittelversorgung auf große Apothekenverbünde, die wir derzeit beobachten, sehe ich kritisch. Wenn wir weiterhin so viele Betriebe in der Fläche verlieren wie aktuell, könnte die Politik auf die Idee kommen, andere, insbesondere kapitalgetriebene Modelle zuzulassen – ähnlich wie die Medizinischen Versorgungszentren bei den Ärzten. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um das uneingeschränkte Fremdbesitzverbot zu erhalten.
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Ziel ist also auch, die Flächendeckung zu sichern. Mit diesem Thema beschäftigt sich die SLAK bereits seit geraumer Zeit. Vor gut einem Jahr hat sie dazu konkrete Zahlen vorgelegt – die Auswertung zeichnete eine düstere Prognose für die Versorgung in Sachsen. Wie hat sich die Situation seither entwickelt?
Die Zahlen, die mein Kollege und frisch gewählter Vizepräsident Daniel Mädler damals vorgestellt hat, müssten wir eigentlich mal erneuern. Denn wir haben in den vergangenen Jahren leider weitere Apotheken in Sachsen verloren. Positiv ist, dass wir mit den vorliegenden Daten eine gute Basis für Gespräche mit dem Sozialministerium schaffen konnten. Wir werden nicht lockerlassen und uns weiterhin nach Kräften für die flächendeckende Versorgung starkmachen. Dafür haben wir eine eigene Arbeitsgruppe gegründet, die AG Zukunft. Ein wichtiger Schritt war, dass wir als erste Kammer die Mindestöffnungszeiten für Apotheken verkürzt haben.
Inzwischen haben einige Kammern nachgezogen und ebenfalls die Mindestöffnungszeiten heruntergeschraubt. Wie häufig ist das bei Ihnen bisher genutzt worden und was leiten Sie daraus für die Versorgungslage ab?
Genaue Zahlen liegen mir leider nicht vor, denn auf Basis der angepassten Allgemeinverfügung kann in Sachsen jeder Inhaber und jede Inhaberin selbst über die Öffnungszeiten entscheiden, zumindest innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Aus der Pandemie wissen wir aber, dass solche Möglichkeiten von den Apothekerinnen und Apothekern mit Augenmaß genutzt werden. Und wir müssen ehrlich sein: Eine Apotheke, die nur sechs Stunden am Tag geöffnet hat, ist besser als gar keine Apotheke. Das gilt heute mehr denn je. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns übrigens auch die Apothekenbetriebsordnung mal anschauen und fragen, wo wir Erleichterungen schaffen können. Vielleicht müssen wir in diesen Zeiten den Kolleginnen und Kollegen gewisse Freiheiten einräumen, damit sie ihre Betriebe weiter am Laufen halten können.
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Letztlich behandelt man mit solchen Lockerungen ein Symptom. Das Problem liegt tiefer und um dieses anzugehen, ist der Berufsstand auf die Unterstützung der Politik angewiesen. Wie reagiert das Sozialministerium darauf, wenn Sie dort die Sorgen des Berufsstands ansprechen?
Wie groß das Interesse ist, hat sich unter anderem beim Apotheken-Protesttag am 14. Juni gezeigt. Sowohl unser Ministerpräsident Michael Kretschmer als auch unsere Sozialministerin Petra Köpping haben an diesem Tag Apotheken besucht, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Apotheken in Sachsen hatten Besuch von Abgeordneten aller Couleur, auch der Grünen, zu denen wir ein eher schwieriges Verhältnis haben. Ich bin überzeugt, dass der Rückhalt in der Sächsischen Landesregierung sehr groß ist. Wir haben in den vergangenen Jahren viele gute Kontakte geknüpft und können uns auch mal auf dem kleinen Dienstweg mit der Politik austauschen. Das ist wichtig für uns, auch wenn die großen Apothekenthemen meist auf Bundesebene geregelt werden müssen.
Auf ein Thema, das der Apothekerschaft am Herzen liegt, hat die Landespolitik durchaus Einfluss: die Zahl der Studienplätze für Pharmazie. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass diese in Sachsen aufgestockt wird?
Ich halte es für unabdingbar, die Zahl der Studienplätze in Leipzig aufzustocken. Wir sind sehr erleichtert, dass es uns gelungen ist, den Standort zu erhalten, dafür haben wir lange hart gekämpft. Inzwischen haben wir mit der besonderen interprofessionellen Ausrichtung dort ein Erfolgsmodell geschaffen, das sich auch auf die Versorgung der Menschen in Sachsen positiv auswirkt – denn die Vernetzung von Arzt und Apotheker bewirkt viel Gutes. Was uns aktuell jedoch fehlt, um die Studienplatz-Kapazitäten zu erhöhen, ist ein eigenes Lehrgebäude. Das fordern wir immer wieder bei der Politik ein, zusammen mit der Erhöhung der Zahl an Pharmaziestudienplätze auf mindestens 100. Mittlerweile empfangen wir Signale, dass wir gehört werden. Derzeit wird der Hochschulentwicklungsplan entworfen und ich bin optimistisch, dass wir darin berücksichtigt werden.
Ein Teil des Problems ist aber auch, dass die Absolventen Krankenhäuser und Industrie bevorzugen. Wie wollen Sie den Arbeitsplatz Apotheke gegenüber der starken Konkurrenz wieder attraktiv machen?
In diesem Punkt ist der gesamte Berufsstand gefragt, den jungen Kolleginnen und Kollegen die Freude an der Arbeit in einer öffentlichen Apotheke zu vermitteln. Leider kommt mir immer mal wieder zu Ohren, dass vereinzelt Pharmaziepraktikanten in den Apotheken verheizt werden. Das ist für mich ein Unding. Die Absolventen kommen mit dem Kopf voller Wissen und ganz vielen Hoffnungen zu uns. Da können wir sie doch nicht an die Kasse stellen und sich selbst überlassen! Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Ausbildung im Praktischen Jahr qualitativ zu verbessern und ein Stück weit zu vereinheitlichen. Dabei setze ich auf den Input junger Kollegen, die sich bereits in der Kammer engagieren. Sie wissen, wie das System funktioniert und kennen die Wünsche der Absolventen recht genau. Abgesehen davon muss sich natürlich auch beim Gehalt etwas tun. Ganz ohne zusätzliches Geld und eine Anpassung des Apothekenhonorars wird es schwer für die Präsenzapotheken, konkurrenzfähig zu bleiben im Werben um Fachkräfte.
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Wie locken Sie persönlich den Berufsnachwuchs in Ihre Apotheken?
Meine Frau und ich haben wirklich sehr gute Leute, von denen wir uns einige selbst herangezüchtet haben. Wir bieten zum Beispiel Schülerpraktika an, bei denen wir den jungen Menschen zeigen, wie interessant und vielfältig die Arbeit in der Apotheke ist. In Dippoldiswalde, wo meine Hauptapotheke steht, nutzen wir jede Gelegenheit, um auch an den Schulen für die Apothekenberufe zu werben. Uns ist klar, dass es die wenigsten Absolventen von Leipzig hierherzieht. Aber wer hier seine Wurzeln hat, der kommt vielleicht nach dem Studium zurück oder entscheidet sich für eine Ausbildung bei uns. Darauf setzen wir und haben gute Erfahrungen gemacht.
Und was tut die Kammer, um den Nachwuchs zu begeistern?
Die Begeisterung für die Apothekenberufe zu vermitteln, muss aus dem Berufsstand heraus kommen. Davon bin ich fest überzeugt. Da ist jeder Einzelne gefragt, das kann die Kammer nicht zentral für alle lösen. Wir unterstützen, wo immer es uns möglich ist, etwa mit Infomaterialien und Ständen, wenn sich jemand auf einer Veranstaltung präsentieren möchte. Sogar eine VR-Brille stellen wir bereit, mit deren Hilfe sich Interessierte virtuell durch eine Apotheke bewegen können. Natürlich bespielen wir als Kammer zusammen mit dem Verband die großen berufsorientierenden Messen und suchen den Kontakt zu den Berufsinformationszentren, um auch dort präsent zu sein. Wir stehen zudem in engem Austausch mit der Uni Leipzig und den Studierenden und versuchen, die Leute dort abzuholen und für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke zu gewinnen. Aber entscheidend ist letztlich, dass die Apothekerinnen und Apotheker selbst auf die jungen Menschen in ihrer Region zugehen und es als Chance begreifen, wenn Schülerinnen und Schüler nach einem Praktikumsplatz fragen. Wenn es gelingt, sie zu überzeugen und in der Apotheke zu halten, werden das nach meiner Erfahrung die treuesten Mitarbeiter sein.
Sie haben die pharmazeutischen Dienstleistungen eingangs bereits angesprochen. Inwiefern können diese dazu beitragen, die Attraktivität der Arbeit in der Apotheke zu steigern?
Ich halte es für einen wichtigen Baustein, dass junge Apothekerinnen und Apotheker bei uns die Gelegenheit bekommen, ihr pharmazeutisches Wissen einzubringen. Wir haben an der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen teilgenommen, die unter dem Kürzel ARMIN bekannt ist. Das war ein Wegbereiter für die inzwischen sehr gute Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft in der Umgebung. Daher war für uns sofort klar, dass wir auch Medikationsanalysen anbieten werden. Gerade meine junge Approbierte ist da sehr hinterher. Und nach all den tollen Erfahrungen, die wir in ARMIN machen durften, bin ich völlig überzeugt davon, dass wir nicht nur die Medikationsanalyse, sondern eine Rechtsgrundlage für ein bundesweites Medikationsmanagement brauchen. Wir haben in diesem Projekt bewiesen, dass wir nicht nur die Kaufleute sind, die Teile der Politik zumeist in uns sehen, sondern Heilberufler. Wenn wir unsere pharmazeutische Kompetenz einbringen, geht es den Patientinnen und Patienten in diesem Land besser. Da müssen wir am Ball bleiben und dafür sorgen, dass die beeindruckenden Ergebnisse aus ARMIN nicht einfach versanden.
Herr Donner, vielen Dank für das Gespräch!
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