DAV-Chef Dittrich kritisiert chaotische Gesundheitspolitik

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, kritisierte die Bundesregierung gestern in Rostock-Warnemünde scharf. Bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern nannte er die Corona- und Energiepolitik „unkoordiniert“ und stellte infrage, ob die Abgeordneten in Berlin verstanden hätten, wie das Apothekenwesen funktioniert.

Der Doppel-Wumms hat bei DAV-Chef Thomas Dittrich nachhaltig Eindruck hinterlassen. „Ist das Comic-Sprache oder noch ernsthafte Politik?“, fragte er am gestrigen Mittwoch bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern in Rostock-Warnemünde. Die Bundesregierung mache derzeit in Sachen Corona- und Energiepolitik keine gute Figur – „unkoordiniert“ sei das Vorgehen, so Dittrich.

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Leider setze sich das Chaos auch in der Gesundheitspolitik fort. So brächten viele Abgeordnete etwa brutto und netto sowie Gewinn und Umsatz durcheinander, wenn es um die Sondereinnahmen der Apotheken während der Pandemie geht. Auch dass die geplanten Gesundheitskioske insbesondere von der GKV finanziert werden sollen, ergibt aus Dittrichs Sicht keinen Sinn – denn mit Gesundheit hätten diese nur am Rande zu tun. Nach allem, was bisher bekannt sei, sollen sie zumeist versicherungsfremde Leistungen übernehmen und müssten daher nach Ansicht des DAV-Chefs eigentlich Sozialkioske heißen.

Wie wenig Ahnung die Politikerinnen und Politiker vom Apothekenwesen haben, zeige sich auch an der Prüfbitte der FDP-Fraktion im Bundestag, welche Auswirkungen ein Preisdeckel bei der 3-Prozent-Marge in Höhe von 45 Euro hätte. „Dann wird bei Hochpreisern der Ertrag allein schon von den Zinsen der Finanzierung aufgefressen“, sagte Dittrich. „Die Abgeordneten wissen einfach nicht, wie Apotheke funktioniert.“ Er riet allen Anwesenden, die Bundestagsabgeordneten aus ihrem Wahlkreis einzuladen und ihnen zu erklären, mit welchen Belastungen die Betriebe zu kämpfen hätten.

Was kosten Lieferengpässe die Apotheken?

Ein Problem, mit dem die Mitarbeitenden in den Apotheken derzeit deutlich stärker als sonst zu tun hätten, sei allerdings inzwischen im Bewusstsein nicht nur der Politik, sondern auch der meisten Bürgerinnen und Bürger angekommen: Lieferengpässe. Diese zu managen, koste nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld, rechnete Dittrich vor. Konservativ geschätzt, müsse dafür pro Betrieb eine PTA-Arbeitsstunde am Tag einkalkuliert werden. Pro Jahr schlage das letztlich mit etwa 15.000 Euro pro Apotheke zu Buche, über alle Betriebe hinweg gar mit 260 Millionen Euro jährlich. Oder anders ausgedrückt: Pro abgegebener Rx-Packung müsse man mit etwa 36 Cent rechnen, die für das Lieferengpass-Handling draufgehen.

Doch wie sollen die Kolleginnen und Kollegen jetzt vorgehen, um ihre Sorgen an die Politik heranzutragen? Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern, hält es für keine gute Idee, auf Konfrontationskurs zu gehen. Diese Herangehensweise schreibt er etwa dem ehemaligen ABDA-Präsidenten Hans-Günther Friese zu. Friese war von 1996 bis 2004 der oberste Apotheker im Land gewesen – von 2013 bis 2020 füllte Friedemann Schmidt dieses Amt aus, der eher als Mann der leisen Töne galt. „Das hat über viele Jahre sehr gut funktioniert“, sagte Pudimat. Unter Schmidt habe es gute Kontakte ins Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gegeben, hob der Verbandschef hervor. Auch wenn es mit dem Rx-Versandverbot nicht geklappt habe, sei mit dem Rx-Boni-Verbot immerhin ein Kompromiss für die Apothekerschaft drin gewesen.

Dialog statt Konfrontation

Pudimat setzt auch weiterhin auf den Dialog – mit Blick auf die Protestaktion der Apotheken am 19. Oktober sei es ihm schwergefallen, sich zu positionieren. In vier Bundesländern blieben vor gut einem Monat die Betriebe geschlossen, zumindest für einen Montagnachmittag. Es sei klar gewesen, dass man mit der Aktion die Erhöhung des Kassenabschlags nicht mehr verhindern konnte. Dafür sei der Aufruf zu kurzfristig gekommen und es habe kaum brauchbare Formulierungen gegeben, mit denen man auf sich hätte aufmerksam machen können.

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Eine „Maximaleskalation“ zu diesem Zeitpunkt wäre aus Pudimats Sicht nicht der richtige Weg gewesen. „In einen Machtkampf mit dem BMG einzutreten, den wir argumentativ nicht gewinnen können, wäre dumm“, sagte er. „Das Ministerium wird nicht aus Angst vor den Maßnahmen der Apotheken den Geldhahn aufdrehen – das ist eine Illusion.“ Er bevorzuge es daher, Abgeordnete und Ministerialbeamte von den Positionen der Apotheken zu überzeugen, statt zu streiken. Positiv hob er etwa das Engagement der Kollegin Doreen Wegner hervor: Sie hatte als singende Apothekerin mit einer ganz eigenen Version des Grönemeyer-Hits „Was soll das“ für mediales Interesse gesorgt – eine tolle Aktion, betonte der Vorsitzende. Solche Botschaften seien direkt von der Basis am glaubhaftesten.

Vorstand verjüngt sich

Pudimat will sich auch in den kommenden Jahren weiter für die Apothekerschaft in Mecklenburg-Vorpommern stark machen. Er kündigte an, bei den Wahlen im kommenden Jahr erneut anzutreten. Der siebenköpfige Vorstand indes verjüngte sich am gestrigen Mittwoch: Neu gewählt wurden Antje Urban aus Rostock, Dr. Marco Neumann aus Stralsund und Markus Oelze aus Jarmen. Dafür schieden Andrea Nowotny, Birka Zander und Thomas Müller aus dem Vorstand aus – sie alle haben ihre Betriebe bereits abgegeben oder planen, dies in Kürze zu tun. Pudimat dankte ihnen für ihren langjährigen Einsatz für den Verband und all das Herzblut, mit dem sie ihre Aufgaben ausgefüllt hätten.

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