Am Mittwochnachmittag bleiben die Apotheken in Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und im Saarland geschlossen – aus Protest gegen die geplante Honorarkürzung. Was sagen die Landesgesundheitsminister:innen zu der Aktion? Haben sie die Nöte der Apotheken auf dem Schirm? Deutliche Worte kommen insbesondere aus Schleswig-Holstein.
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kurzfristig die Löcher in den Kassenfinanzen stopfen. Geplant ist unter anderem, den Kassenabschlag befristet auf zwei Jahre von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro zu erhöhen. Der Berufsstand will das nicht hinnehmen: In vier Bundesländern rufen die Verbände die Apothekeninhaber:innen auf, ihre Betriebe am Mittwochnachmittag zu schließen, um gegen das Vorhaben zu protestieren. Betroffen sind das Saarland, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg.
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Auf Bundesebene zeigt sich die Ampel-Koalition uneinsichtig: Mit dem jüngsten Paket von Änderungsanträgen machen SPD, Grüne und FDP zwar Zugeständnisse etwa an die Ärzte, Zahnärzte und die Pharmaindustrie, die Apotheken sollen aber wie vorgesehen belastet werden. Manchen Ländern hingegen scheint es zu dämmern, dass der Griff in die Taschen der Apotheker:innen die Arzneimittelversorgung insbesondere in ländlichen Regionen weiter gefährdet. So hatte sich der Bundesrat etwa auf Initiative der brandenburgischen Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) gegen die Erhöhung des Kassenabschlags ausgesprochen.
Auf Nachfrage der DAZ bekräftigt die Ministerin noch einmal ihre Haltung: „Auch im Land Brandenburg geht die Anzahl der Apotheken seit einigen Jahren zurück“, lässt sie der Redaktion mitteilen. „Noch ist die flächendeckende Versorgung gewährleistet, wir brauchen aber heute mehr denn je jede Apotheke im ländlichen Raum. Sparaktionen, die die Arzneimittelversorgung in unserem Flächenland gefährden, sehe ich kritisch. Deshalb haben wir uns im Bundesrat auch dafür eingesetzt, die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Erhöhung des Apothekenabschlags zu stoppen. Wir brauchen die Apotheken vor Ort.“
Von der Decken (Schleswig-Holstein): Wir haben verstanden
Auch in Schleswig-Holstein bangt die für Justiz und Gesundheit zuständige Ministerin Kerstin von der Decken (CDU) um die flächendeckende Arzneimittelversorgung. „Die Landesregierung verfolgt den Rückgang der Apothekendichte im Lande mit großer Sorge“, heißt es aus ihrem Haus. „Auch haben wir verstanden, dass ein Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Apotheke und dem akuten Personalmangel in den Apotheken besteht. Daher lehnen wir den Apothekenabschlag in dieser Form ab.“
Dass Lauterbach mit diesem Vorhaben die GKV finanziell entlasten will, klinge zunächst plausibel, schreibt das Ministerium. Denn die Corona-Pandemie habe viel Geld gekostet. Bei allen Kosteneinsparungen müsse aber nach dem Verursacherprinzip vorgegangen werden. „Pauschale Einsparvorgaben dürfen nicht dazu führen, dass funktionsfähige Versorgungsstrukturen zulasten der Patientinnen und Patienten gefährdet werden“, betont von der Decken. Die Apotheken sieht sie dabei nicht als Kostentreiber – denn sie haben an den Gesamtausgaben der GKV nur einen geringen Anteil von etwa 1,9 Prozent. Zudem ist ihr Honorar in den vergangenen zehn Jahren nicht erhöht worden. „Der jetzt verordnete Sparbeitrag von ungefähr 240 Millionen Euro über die nächsten zwei Jahre ist geeignet, die Apotheken in ihrer Handlungsfähigkeit einzuschränken und die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu schwächen“, folgert das Ministerium.
„Nicht die bestrafen, die in der Pandemie Stütze der Versorgung waren“
Den Einsatz der Apothekenteams – nicht nur in der Pandemie – weiß von der Decken zu würdigen. „Die Apotheken vor Ort haben gerade in der Coronapandemie bewiesen, dass sie für ein robustes und leistungsfähiges Gesundheitssystem unverzichtbar sind“, unterstreicht sie. „Die Apotheken stellen eine wohnortnahe und niedrigschwellige Versorgung sicher. Sie beteiligen sich an den COVID-19-Impfungen und an den Influenzaimpfungen. Darüber hinaus übernehmen sie nach dem neuen Vor-Ort-Stärkungsgesetz zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen, um eventuellen Versorgungsdefiziten entgegenzuwirken.“
Die Apotheken jetzt wie vorgesehen zu belasten, ist aus Sicht der Ministerin nicht angezeigt. „Die Landesregierung hat es sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht, eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Wenn wir wirklich die Lehren aus der Pandemie ziehen wollen, dürfen wir nicht die bestrafen, die gerade in der pandemischen Notlage eine wesentliche Stütze der Versorgung waren.“
Jung (Saarland): Apotheken sollten angemessen vergütet werden
„Der Rückgang der Apotheken im Saarland ist besorgniserregend“, kommentiert auch der im Saarland für Gesundheit zuständige Minister Magnus Jung (SPD). „Allein in den letzten 10 Jahren mussten mehr als 15 Prozent aller Apotheken schließen. Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis, dass sich Apotheken für ihre wirtschaftlichen Interessen einsetzen.“
Die Apotheken haben Jung zufolge in der Corona-Pandemie unverzichtbare Leistungen wie die Ausgabe von Schutzmasken, die Herstellung von Desinfektionsmittel und das Erstellen von Impfzertifikaten übernommen. „Apotheken sollten für diesen Einsatz angemessen vergütet werden.“ Mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken habe sich das Saarland bereits in der Vergangenheit dafür eingesetzt, der Ausdünnung von Apotheken, insbesondere im ländlichen Bereich, entgegenzuwirken. „Mit dem Gesetz wurden viele Punkte um- und durchgesetzt, die eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken stärken.“
Kein Kommentar aus Hamburg
Als einzige Metropolregion wird sich auch Hamburg an der Protestaktion beteiligen. Spannend wird, ob es auch hier gelingt, genügend Kolleginnen und Kollegen zu mobilisieren, ihre Betriebe einen Nachmittag lang geschlossen zu halten, um ein echtes Zeichen zu setzen. Nötig wäre es offenbar: Das SPD-geführte Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration unter Senatorin Melanie Leonhard wollte auf Anfrage der DAZ keine Stellungnahme zum Apotheken-Streik abgeben.
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