Nur falsche Hoffnung oder doch neue Therapie? Essen kann das Krebsrisiko und auch die Behandlung positiv beeinflussen. Welche Rolle Fasten, ketogene Diät und Anti-Krebs-Lebensmittel wirklich spielen.
- Ketogene Diät, als Geheimtipp gegen Krebs gehandelt, ist gefährlicher als gedacht.
- Tageweises Fasten kann Krebszellen empfindlicher machen auf die Chemotherapie.
- Fasten verhindert das „Chemobrain“, eine neurologische Langzeitfolge der Chemotherapie.
- Bester Schutz vor Krebs: Halb soviel Fleisch essen und abnehmen.
Wer Krebs hat, sollte sich besonders vollwertig ernähren und darf auf keinen Fall fasten. Bis vor Kurzem galten diese Regeln noch als verbindlich. Doch es gibt Hinweise darauf, dass eine strikte Ernährungsumstellung, ja sogar Fasten den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen könnten, vor allem bei fortgeschrittenem Krebs.
Ketogene Diät heißt: Doppelt so viel Fett essen wie normal
Vor allem die sogenannte ketogene Diät soll bei Krebs sinnvoll sein und fast so gut wie gängige Krebstherapien sein. Sie bedeutet, kaum Kohlenhydrate zu essen und gänzlich auf Zucker zu verzichten. Hochwertige Fette wie Pflanzenöle (Olive, Raps,), aber auch Sahne, Butter Käse, Nüsse und Avocado sind dagegen erlaubt. 70 Prozent der täglichen Ernährung sollten dabei aus Fett bestehen. Diese Menge ist mehr als doppelt so hoch wie normalerweise empfohlen.
Die extreme Diät soll Krebszellen sozusagen aushungern. Doch stimmt das wirklich? „Es ist derzeit überhaupt nicht sicher, dass ketogene Diät gegen Krebs wirksam sein kann“, sagt Rainer Stange, leitender Arzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, Naturheilkunde, Fasten- und Ernährungsexperte. Dass diese Form der Ernährungsumstellung hilft, sei eine Hypothese, die sich auf Grundlagenforschung des Biochemikers Otto Heinrich Warburg (1883 bis 1970) beruft.
Ketogene Diät – die Idee ist viele Jahrzehnte alt
Der Nobelpreisträger vermutete, dass Krebs durch eine Stoffwechselstörung der Zellen entstehe und Zuckerverzicht bösartige Wucherungen stoppen könne. „70 Jahre nach Warburgs Entdeckung hat eine daraus ableitbare Ernährungsumstellung jedoch noch keinen Einzug in die Onkologie gehalten. Sie ist bis heute zwar eine interessante Modellvorstellung, aber klinisch nicht untersucht“, stellt der Experte klar.
Unbestritten ist diese radikale Diät jedoch eine sinnvolle, zeitweise Ergänzung schwer kontrollierbarer Epilepise, vielleicht auch bei Multipler Sklerose. Eine genaue Erklärung gibt es dafür noch nicht. Eine mögliche: Bei ketogener Diät fällt Glukose als normaler Energieträger weitgehend weg, dafür stellt die Leber sogenannte Ketone oder Ketonkörper her. „Vergleichen lässt sich das in etwa, als würden Sie Ihr Haus nicht mehr mit Öl, sondern mit Holz heizen“, sagt Rainer Stange.
Dann fühlt man sich anders und die meisten empfinden, um bei diesem Vergleich zu bleiben, die Holzheizung als angenehmer. So ist das vielleicht auch mit der ketogenen Diät. Sie verändert die Arbeitsweise des Gehirns tiefgreifend. Das Schmerzempfinden kann abnehmen, die Schlafqualität sich verbessern, ebenso wie das allgemeine Wohlbefinden – Krebs wird aber vermutlich nicht geheilt.
So riskant ist ketogene Diät
Daneben ist diese radikale Diät jedoch nicht ungefährlich. „Wenn, dann sollte sie auf jeden Fall langsam einschleichend begonnen werden“, sagt der Fastenexperte. Nicht umsonst brechen viele, die versuchen, sich ketogen zu ernähren, das Experiment wieder ab. Denn massive Nebenwirkungen drohen, etwa:
- Durchfälle mit Fettstühlen
- im Tierversuch Begünstigung von Diabetes
- Fettstoffwechselstörungen
„Grundsätzlich ist die ketogene Diät vermutlich nicht 'gesund', auf jeden Fall wissen wir nichts über Langzeit-Risiken“, stellt Rainer Stange fest.
Fasten kann für Krebspatienten sinnvoll sein
Anders sieht es mit Fasten aus, genau genommen mit intermittierender kalorischer Restriktion sowie Kurzzeit-Fasten. Das umgangssprachlich auch Intervall-Fasten genannte Programm bedeutet, mindestens 14 Stunden bis mehrere Tage nichts zu essen, sondern nur zu trinken.
Zwar bremst oder heilt Fasten Krebs nicht. Doch kleinere Studien konnten deutlich zeigen, dass intermittierendes Fasten während der Chemotherapie sinnvoll ist.
So verzichteten etwa Brustkrebspatientinnen eineinhalb Tage vor und einen Tag nach der Chemotherapie auf Nahrung. Damit ließen sich Nebenwirkungen mildern oder sogar vermeiden. „Fasten hat einen biochemisch enormen Einfluss auf die Zellen“, erklärt Rainer Stange. Die Signaltransduktion der Zellen verändere sich, also die Signalübertragung. Das beeinflusst den Stoffwechsel der Zelle. Während der Chemo bedeutet das:
- schnellere Regeneration der Schleimhautzellen in Magen und Darm, die durch die Chemo oft geschädigt werden
- Aktivierung von gesunden Stammzellen, die wichtig für die Bildung von Blutzellen im Knochenmark sind
Im Gehirn Langzeitfolgen der Chemotherapie verhindern
„Eine große Chance könnte intermittierendes Fasten auch in Hinblick auf die einschneidenden Langzeitfolgen der Chemotherapie bieten“, sagt der Experte. Das sind vor allem unerwünschte Wirkungen auf das Nervensystem wie Polyneuropathie. Viele Patienten klagen auch über Hirnleistungsverlust wie rasche Ermüdung, Konzentrations- und Merkstörungen. Die etwas saloppe amerikanische Bezeichnung dafür ist „Chemobrain“, einen Fachbegriff gibt es dafür noch nicht.
Besonders tragisch ist diese Langzeitfolge für jüngere Patienten, die nach der Erkrankung wieder in den Beruf einsteigen möchten. „Hier gehen wir jedem Hoffnungsschimmer nach, um diese neurotoxologischen Schäden zu verhindern“, sagt der Experte.
Fasten macht Krebszellen leichter angreifbar
Zusätzlich könnte die veränderte Signaltransduktion durch Fasten auch die Empfindlichkeit der Krebszellen gegenüber der Chemotherapie erhöhen. Wenn sich diese Vermutung bestätigt, bedeutet das für die Patienten, dass sie durch Fasten die Dosis der Chemo reduzieren könnten. „Doch auch hier steht die Forschung erst am Anfang“, bremst Rainer Stange zu hohe Erwartungen.
Ernährung schützt vor Krebs – doch nur teilweise
Unbestritten spielt die Ernährung jedoch bei der Krebsprävention eine große Rolle, was wissenschaftlich in zahlreichen Studien bewiesen ist. Doch die guten Nachrichten in den 90-er Jahren, dass auf diese Weise die Hälfte aller Krebsfälle vermieden werden könnte, schwächten spätere Studien ab.
„So zeigt etwa die EPIC-Studie, dass der Verzicht auf rotes Fleisch das Risiko für Dickdarmkrebs etwa um 20 Prozent senken könnte“, stellt der Experte klar. Momentan isst jeder Deutsche durchschnittlich 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr. „Würden wir diese Menge nur halbieren, wäre das ein großer Schritt für die Krebsprävention, aber auch für die Umwelt“, schlägt Rainer Stange vor.
Warum Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe so wichtig sind
Warum rotes Fleisch das Krebsrisiko erhöht, ist biochemisch nicht ganz klar. Auch könnte die Zubereitung eine noch größere Rolle spielen als bisher angenommen, etwa Grillen. Fest steht, dass Krebs sich oft über Jahrzehnte durch biochemische Prozesse entwickelt, die auch die Darmflora beeinflussen.
Pflanzliche Ballaststoffe fördern eine intakte Darmflora und schützen damit vor Krebs – „ebenso wie sekundäre Pflanzenstoffe und günstige Fette wie Omega-3-Fettsäuren“, ergänzt der Ernährungsexperte. Sekundäre Pflanzenstoffe greifen milde in das Abwehrsystem ein und stärken es dauerhaft gegen Krebs.
Besonders wertvoll in diesem Zusammenhang sind
- fetter Salzwasserfisch,
- Beeren,
- Nüsse,
- Gewürze beispielsweise Ingwer und Kurkuma
- viel frisches Gemüse und Obst
Letztendlich handelt es sich dabei um Zutaten der Mittelmeerküche, die bekannt dafür ist, besonders gesund zu sein – auch in Hinblick auf Herz-Kreislauferkrankungen.
Wichtigster Schutzfaktor vor Krebs: Übergewicht vermeiden!
Doch Sie können so viel Goji-Beeren, Ingwer-Tee und Lachs zu sich nehmen, wie Sie wollen. Wesentlich besser als die Anti-Krebs-Lebensmittel schützt vermutlich Gewichtskontrolle vor Krebs. „Der unbestritten handfesteste Ansatz für wirkungsvolle Krebsprävention ist, nicht übergewichtig zu sein“, stellt der Experte klar.
Jeder dritte ist jedoch inzwischen zu dick. Doch warum stehen Fettpolster und Krebs in Verbindung? „Fettgewebe ist ein aktiver Speicher, auch für Schadstoffe und Hormone“, erklärt Rainer Stange. Bekannt ist, dass etwa bei hormonabhängigen Tumoren wie Brustkrebs, die Hormone aus dem Fettgewebe den Krebs anheizen können.
Für den Schutz vor Krebs spielt neben gesunder Ernährung mit vernünftiger Kalorienmenge vor allem auch Bewegung eine Rolle. Wer sich täglich mindestens eine halbe Stunde bewegt und sich etwa mediterran ernährt, tut das Beste für seine Gesundheit und zwar gleich mehrfach: Schutz vor Krebs, Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall!
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