Fast eine halbe Million Menschen erkrankt in Deutschland jedes Jahr an Krebs. Vielfach ist eine genetische Prädisposition schuld, in anderen Fällen die Ernährung, die ungesunden Kilo zu viel auf den Hüften, der Lebensstil. FOCUS Online macht den Risiko-Check.
226.000 Menschen sind laut Robert-Koch-Institut 2014 in Deutschland an Krebs gestorben, doppelt so viele neu daran erkrankt. Aktuellere Zahlen liegen bislang nicht vor. Doch die Tendenz ist eindeutig: Die Zahlen steigen Jahr für Jahr. Diagnostizierten Mediziner 1999 noch weniger als 400.000 bösartige Tumorerkrankungen, waren zuletzt 75.000 zusätzliche Patienten betroffen. Für 2030 geht das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) von bis zu 600.000 Neuerkrankungen aus. "Es ist nicht übertrieben davon zu reden, dass wir einen Tsunami an Krebserkrankungen vor uns haben", teilen die Spezialisten mit.
Die Gründe, warum sich Tumorzellen in immer mehr Körpern unkontrolliert vermehren und gesundes Gewebe zerstören, sind vielfältig. Bei einigen liegen sie im Erbgut, in den von den Eltern vererbten Genen begründet. Andere entstehen erst dadurch, wie wir leben, essen, trinken, uns bewegen – und sind deshalb vermeidbar. Was die größten Krebs-Gefahren sind und wie Sie Ihr Risiko senken.
1. Übergewicht
Übergewicht haben viele als Risiko-Faktor für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder frühzeitigen Verschleiß, etwa im Knie, abgespeichert. Dass die Extra-Kilos auch das Krebsrisiko erhöhen, unterschätzten dagegen viele, sagt Jan Steffen Jürgensen, Ärztlicher Direktor des Klinikums Stuttgart. „Dabei besteht eine deutliche Korrelation zwischen Übergewicht und Krebsrisiko, die wissenschaftlich sehr gut belegt ist.“
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) geht davon aus, dass Übergewicht das Risiko für mindestens 13 Krebsarten erhöht.
Dazu zählen:
- Darmkrebs
- Leberkrebs
- Prostatakrebs
- Brustkrebs
- Gallenblasenkrebs
- Gebärmutterhalskrebs
- Nierenkrebs
Würde jeder normalgewichtig sein, könnten allein in Deutschland pro Jahr etwa 25.000 Krebserkrankungen vermieden werden, erklärt die Deutsche Krebsgesellschaft. Besonders gefährlich ist laut DKFZ das Fett um die Körpermitte. Denn das Bauchfett gibt besonders viele Botenstoffe an seine Umgebung ab, die Entzündungen im Körper auslösen und die Wirkung von Insulin verringern. Einige davon gelten als Wachstumsfaktoren, die andere Zellen dazubringen, sich häufiger zu teilen als üblich. Damit sind sie eine potenzielle Ursache von Tumoren.
Konsequenz: Achten Sie auf ein gesundes Körpergewicht. Aufschluss darüber, ob das eigene Gewicht bedenklich ist, gibt der Body-Mass-Index (BMI). Dieser berechnet sich als: Körpergewicht in Kilo geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. (Ein Beispiel: Eine Frau wiegt 67 Kilo und ist 1,70 Meter groß. 1,70 x 1,70 = 2,89; 67 : 2,89 = 23,2)
Dabei gilt der Deutschen Adipositas Gesellschaft zufolge folgende Einordnung:
- unter 18,5: Untergewicht
- 18,5 bis 24,9: Normalgewicht
- 25 bis 29,9: Übergewicht
- 30 bis 34,9: Adipositas (Fettsucht) Grad I
- 35 bis 39,9: Adipositas Grad II
- ab 40: Adipositas Grad III
Ab einem Wert von 25 steigt das Krebsrisiko.
Zusätzlich ist der Taillenumfang relevant, denn hier wird das Bauchfett stärker als beim BMI berücksichtigt. Als Richtmaße gelten hier laut Deutscher Krebsgesellschaft: Frauen sollten einen Umfang von 80 Zentimetern nicht überschreiten, für Männer liegt die Maximalgrenze an der Taille bei 94 Zentimetern.
Alles, was darüber hinausgeht, geht mit einem erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen einher. Ab 88 beziehungsweise 102 Zentimetern sprechen die Experten von Bauchfettsucht. Diese erhöhe das Risiko für Folgekrankheiten wie Krebs sogar deutlich.
Um Gewicht zu reduzieren oder zu halten, empfiehlt der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung neben einer gesunden Ernährung mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche oder 75 Minuten anstrengenden Sport.
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2. Ungesunde Ernährung
Jede dritte Krebserkrankung in westlichen Ländern führt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) inzwischen auf die Ernährungsgewohnheiten der Patienten zurück. Dabei kommt es nicht nur auf die Menge dessen an, was wir essen, sondern vor allem auf die Lebensmittel, die auf unseren Tellern landen.
Als besonders schädlich angenommen werden dabei:
- rotes Fleisch
- verarbeitete Fleischerzeugnisse wie Wurst, Salami oder Schinken
- Grillfleisch
- Milch in großen Mengen
Sie alle stehen laut WHO im Verdacht, das Krebsrisiko "wahrscheinlich" zu erhöhen. Wurstwaren gelten sogar als "karzinogen", also als Lebensmittel, bei denen wissenschaftlich bewiesen ist, das sie Krebs auslösen können.
Allerdings listet die WHO auch Lebensmittel auf, die das Risiko, an Krebs zu erkranken, senken können.
Dazu gehören:
- ballaststoffreiche Vollkornprodukte
- Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Linsen
- Obst wie Weintrauben oder Blaubeeren
- Gemüse wie Champignons, Tomaten oder Brokkoli
Konsequenz: Vermeiden Sie industriell verarbeitetes Fleisch, essen Sie nur wenig rotes Fleisch (maximal 500 Gramm pro Woche) und verzichten Sie, so weit wie möglich, auf salzreiche Lebensmittel. Auch Produkte mit hohem Fett- oder Zuckergehalt sollten Sie am besten weglassen.
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3. Alkohol
Wer Alkohol trinkt, steigert sein Krebs-Risiko. Darüber sind sich Mediziner und Forscher heute einig. Das IARC zählt Alkohol zu den zehn bedeutendsten Gesundheitsrisiken – auch in Bezug auf Krebs.
Der Grund: Alkohol wird im Körper in Acetaldehyd umgewandelt. Dieses geht häufig Bindungen mit anderen Molekülen ein, wodurch es zu Mutationen und somit auch zu Krebs kommen kann, erklärt die Krebsgesellschaft.
Als besonders einflussreich gilt Alkohol bei diesen Krebsformen:
- Mundhöhlenkrebs
- Speiseröhrenkrebs
- Lebertumoren
- Dick- und Enddarmkrebs
- Brustkrebs bei Frauen
Konsequenz: Am besten überhaupt keinen Alkohol trinken. Wer ein Glas Bier oder Wein hin und wieder nicht lassen kann, für den sollten folgende Grenzwerte gelten: Männer sollten laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) pro Tag nicht mehr als 20 Gramm reinen Alkohol zu sich nehmen. Das entspricht in etwa einem halben Liter Bier oder einem Viertelliter Wein.
Bei Frauen liegt die Grenze bei 10 Gramm reinem Alkohol täglich, also einem Viertelliter Bier oder einem Achtelliter Wein.
4. Rauchen
Dass Rauchen Gift für den Organismus ist, weiß mittlerweile jeder. Trotzdem qualmen nach wie vor zu viele Menschen in Deutschland und machen Rauchen damit zum "wichtigsten vermeidbaren Risiko-Faktor der Krebsentstehung", erklärt das DKFZ. "Die Beziehung zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebs ist besonders auffallend. In Deutschland sind bei Männern vermutlich neun von zehn, bei Frauen mindestens sechs von zehn Lungenkrebserkrankungen auf das aktive Rauchen zurückzuführen." Doch längst nicht nur Lungenkrebs wird mit Rauchen in Verbindung gebracht, auch das Risiko für diverse andere Krebsformen steigt durch den Konsum von Tabak.
Das Risiko sei dabei umso höher, je mehr Zigaretten ein Raucher täglich konsumiere, je früher er mit dem Rauchen begonnen habe und je länger er rauche. Die Unterschiede zwischen Zigaretten, Zigarren, Pfeifen oder Wasserpfeifen sind dabei geringer als die meisten annehmen.
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Vor allem Wasserpfeifen schätzten viele als weniger gefährlich als normale Glimmstängel ein. Doch sind die Gesundheitsrisiken laut Experten ähnlich hoch wie bei herkömmlichen Zigaretten. "Selbst tabakfreie Wasserpfeifen, bei deren Komsum unter anderem Kräutermischungen oder Gele verwendet werden, setzen krebserzeugende oder giftige Substanzen frei", erklärt das DKFZ.
Konsequenz: Hören Sie, wenn möglich, mit dem Rauchen auf. Den Verzicht auf den Tabak dankt Ihnen Ihr Körper bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit, sind sich Experten sicher. "Langfristig vertragen Krebspatienten, die nicht rauchen, die meisten Behandlungen besser: Wunden heilen schneller, Medikamente belasten den Stoffwechsel weit weniger, und bei Schmerzen helfen schon viel geringere Mengen an Schmerzmitteln als bei Rauchern, weil der Körper nicht mit der Verarbeitung von Nikotin beschäftigt ist", erläutern die Krebs-Experten.
Zehn bis 20 Jahre nach der letzten Kippe sinke das Krebs-Risiko deutlich. Das Lungenkrebs-Risiko halbiere sich innerhalb von zehn Jahren, sofern ein Patient mit dem Rauchen aufhöre.
5. Zu viel Sonne
UV-Strahlung ist krebserzeugend, das wissen nicht nur Forscher, sondern auch die meisten Deutschen. Trotzdem legen sich viele immer noch zu achtlos in die Sonne, lassen sich zumindest im Urlaub oft ohne ausreichenden Sonnenschutz durchbrutzeln. Auch das künstliche Licht im Solarium schadet der Haut nachhaltig.
Denn: "UV-Strahlung ist energiereich genug, um Schäden an der Erbsubstanz (DNA) zu verursachen", erklärt das DKFZ. "Geringfügige DNA-Veränderungen bessern Reparatur-Enzyme in der Regel wieder aus. Bei immer wiederkehrender UV-Überdosierung entstehen allerdings dauerhafte Schäden am Erbmaterial, sogenannte Mutationen. Diese Veränderungen geschehen auch schon, bevor ein sichtbarer Sonnenbrand entsteht." Sterben schwerer geschädigte Zellen in der Folge nicht ab, kann daraus Hautkrebs resultieren.
Das Fatale: Einen Grenzwert, bis zu dem UV-Strahlen für den Organismus unschädlich sind, gibt es laut den Experten nicht. Die Strahlenbelastung summiere sich im Laufe des Lebens, die Haut vergesse nichts. Ein Alter, ab dem die UV-Strahlung nicht mehr schade, auch das gebe es nicht.
Konsequenz: Schützen Sie Ihre Haut mit Sonnenschutzmittel. Erwachsene sollten mindestens Lichtschutzfaktor 20 verwenden, Kinder mindestens LSF 30. Zudem sollten Sie die Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr meiden. Dann ist die Strahlenbelastung für die Haut am größten. Zusätzlichen Schutz bieten besonders beschichtete UV-Kleidung, Sonnenhut und Sonnenbrille.
6. Viren
Viren sind nicht pauschal krebserregend. Unter bestimmten Umständen aber können sie eine Krebserkrankung begünstigen.
Dazu zählen laut Deutschem Krebsforschungszentrum:
- Epstein-Barr-Virus (EBV)
- Humanes Herpesvirus 8 (HHV-8) oder Kaposi-Sarkom-Herpesvirus (KSHV)
- Hepatitis-B-Virus (HBV)
- Hepatitis-C-Virus (HCV)
- Humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 (HTLV-1)
- Humanes Immundefizienzvirus (HIV)
- Merkelzell-Polyoma-Virus (MCV oder MCPyV)
- Humane Papillomviren (HPV)
Besonders häufig sind Letztgenannte: Krebserkrankungen durch Humane Papillomviren. Fachleute schätzen, dass pro Jahr etwa 7.700 Menschen in Deutschland an HPV-bedingtem Krebs erkranken. Viele dieser Krankheitsfälle könnten allerdings mithilfe der HPV-Impfung vermieden werden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt daher die Impfung gegen humane Papillomviren für alle Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.
Konsequenz: Lassen Sie sich, in Absprache mit Ihrem Arzt, und vor allem Ihre Kinder impfen. Der einmal im Abstand von fünf Monaten zu wiederholende Pieks bietet einen nahezu hundertprozentigen Schutz vor der Infektion mit den häufigsten krebserregenden Viren und ist gut verträglich. Eine Auffrischungsimpfung ist nicht nötig. Auf etwa eine Million Impfdosen kommt nur eine Nebenwirkung mit meist nicht bedrohlichen Symptomen.
Mit Material der dpa
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