Dumpfe Schmerzen links in der Brust, die langsam ausstrahlen und den Atem rauben, und allgemeines Unwohlsein lassen viele Betroffene erst einmal an einen Herzinfarkt denken. Doch es können auch die ersten Anzeichen einer Gürtelrose sein.
Wer die Windpocken hatte, hat ein erhöhtes Risiko im Alter eine Gürtelrose, auch bekannt als Herpes Zoster, zu entwickeln. Denn beide Krankheiten werden vom selben Erreger verursacht, dem Varizella-Zoster-Virus (VZV). Doch die Gürtelrose zieht deutlich öfter lang andauernde, schwerwiegende Komplikationen nach sich.
Sind die Windpocken abgeheilt, wandert das Virus in die Hirnnerven und in die Nervenwurzeln des Rückenmarks. “Dort versteckt es sich vorm schlagkräftigen Immunsystem und wartet darauf, dass der Körper durch Erkrankung oder außergewöhnlich großen Stress stark geschwächt ist”, sagt Tilo Biedermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München.
Aus diesem Grund sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem besonders gefährdet. Dazu zählen unter anderem:
- Menschen, die an chronischem Asthma oder Neurodermitis leiden,
- Patienten, die das Immunsystem unterdrückende Medikamente einnehmen, beispielsweise Rheumatiker und Menschen mit einem transplantierten Organ,
- ältere Menschen. Mehr als zwei Drittel der an Gürtelrose erkrankten sind älter als 50 Jahre.
Wird das Virus wieder im Körper aktiv, breitet es sich entlang der Nervenbahnen aus. Es dringt in die Nervenzellen ein, die sich entzünden und heftig schmerzen. Wo die Viren wandern, treten Brennen, Jucken oder stechende Schmerzen auf. Begleitend leiden die Betroffenen an Fieber und Abgeschlagenheit. Schließlich wandern die Erreger in Hautzellen. Wenige Tage nach den genannten ersten Symptomen bilden sich deshalb eng nebeneinanderliegende, gürtel- oder rosettenförmig angeordnete kleine rote Flecken. Sie werden zu Bläschen, gefüllt mit Flüssigkeit, in der sich die hochansteckenden Viren befinden.
Dass die Flecken oft rund um Bauch und Brustkorb auftreten, gab der Krankheit den Namen Gürtelrose. Grundsätzlich können die Bläschen aber überall auf dem Körper entstehen, denn sie tauchen überall dort auf, wo die Viren entlang der Nervenbahnen gewandert sind.
So wird die Gürtelrose behandelt
“Befallene Nerven- und Hautzellen werden von den Viren umprogrammiert und dienen fortan der Produktion neuer Viren, die wiederum Zellen infizieren. Dieser Prozess sollte möglichst frühzeitig unterbrochen werden”, erklärt Biedermann. Das können Virusstatika wie etwa Aciclovir in Form von Tabletten oder intravenösen Infusionen erreichen.
Je weniger Viren entlang der Nervenbahnen wandern könnten, desto geringer seien die Auswirkungen. “Die Viren aktivieren nämlich die Immunabwehr, was dazu führt, dass sich Gewebe entzündet und zerstört wird”, sagt Biedermann. Wird die Gürtelrose bereits in den ersten 48 bis 72 Stunden für eine Woche oder länger behandelt, heilt sie zumeist innerhalb von vier Wochen wieder aus. Schmerzmittel können helfen, die Krankheitsphase besser zu überstehen.
Langwierige Komplikationen
Die Gürtelrose kann auch mehrere Monate bis Jahre andauernde Folgen haben, wenn eine so genannte postzosterische Neuralgie auftritt. “Eine frühe Behandlung kann diese Nervenschmerzen verhindern. Wichtig ist auch, dass die zumeist sehr quälenden Schmerzen konsequent und ausreichend behandelt werden, beispielweise mit trizyklischen Antidepressiva oder Opiat-Abkömmlingen”, sagt der Experte.
Die Häufigkeit dieser postzosterischen Neuralgie scheint zu steigen – zumindest galt das im Zeitraum zwischen 2005 und 2009. Sie nahm laut den Daten der German Pharmacoepidemiological Research Database von etwa 12 Prozent der an Gürtelrose Erkrankten auf circa 15 Prozent zu. Das kann daran liegen, dass insgesamt ältere Menschen betroffen sind oder dass mitunter erst zu spät behandelt wird.
In seltenen Fällen, wenn das Virus entlang eines Hirnnervs wandert und der Ausschlag in der Nähe der Augen, Ohren oder dem Gehirn auftritt, kann es zu einer einseitigen Gesichtslähmung, zu Sehschäden oder Hirnhautentzündung kommen.
Das Risiko, irgendwann im Laufe des Lebens, eine Gürtelrose zu bekommen, beträgt zwischen 20 und 30 Prozent. Wegen des schwächer werdenden Immunsystems steigt es bei über 85Jährigen bis auf mehr als 50 Prozent an. Auch etwaige Komplikationen treten mit zunehmendem Alter häufiger auf.
Eine Gürtelrose kann bei älteren Menschen einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall begünstigen, zeigt eine in “Plos Medicine” veröffentlichte Studie. Das Risiko ist in der ersten Erkrankungswoche besonders hoch, aber auch danach für bis zu sechs Monate erhöht. “Als mögliche Ursachen sind Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel, Fehlfunktionen von Blutgefäßen und Blutdruckanstiege aufgrund von Schmerzen oder Stress durch Zoster denkbar”, sagt der Münchner Arzt Biedermann.
Die Zoster-Impfung ab 50 Jahren
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Es gibt eine sogenannte Zoster-Impfung für Menschen ab 50 Jahren, die schon einmal Windpocken hatten. Die Schutzwirkung liegt allerdings nur bei 50 Prozent. Mit zunehmendem Alter sinkt der Schutzeffekt sogar weiter ab. Dennoch ist die Impfung ratsam, denn wer trotz Impfung erkrankt, hat ein verringertes Risiko für die gefürchteten langanhaltenden Nervenschmerzen. Allerdings kann die Impfung nicht erfolgen, wenn jemand das Immunsystem unterdrückende Medikamente einnimmt. Der Impfstoff enthält nämlich abgeschwächte lebende Viren.
- Manche gesetzliche Krankenkassen zahlen die Zoster-Impfung, andere nicht. Am besten direkt bei der eigenen Kasse nachfragen.
- An einem gentechnisch hergestellten Impfstoff, der einen deutlich höheren Schutz bietet, wird aktuell gearbeitet. Laut den Ergebnissen einer Phase III-Studie, die im “New England Journal of Medicine” veröffentlicht wurden, beträgt der Schutz deutlich über 90 Prozent.
Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt seit 2004 für alle Kinder im zweiten Lebensjahr eine Impfung gegen Windpocken – auch um die Zahl der Gürtelrosefälle zu senken. “Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Kinder später wirklich seltener eine Gürtelrose entwickeln”, sagt Tilo Biedermann, , Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München.
Zur Autorin
- Gerlinde Gukelberger-Felix ist Diplom-Physikerin und studierte eine Zeit lang Medizin, bis sie sich ganz dem Journalismus verschrieb. Besonders interessant findet sie alle Überschneidungen zwischen Medizin, Physik, Biologie und Psychologie. Sie arbeitet als freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin.
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