Corona

»Das ist sehr unsozial, muss ich sagen. Ja, finde ich nicht in Ordnung. Man sollte einen Termin also wirklich einhalten und ansonsten Bescheid geben, dass man nicht kann.«

Silvia Word ist sauer. Die Hamburgerin bekommt heute ihre zweite Impfung im Hamburger Impfzentrum. Dass es Menschen gibt, die ihren Impftermin verfallen lassen, ohne abzusagen, kann sie nicht verstehen. Für Word und ihren Mann ist es ein besonderer Tag.

Dirk Heinrich, Medizinische Leitung Impfzentrum Hamburg
»Wenn Ersttermine nicht wahrgenommen werden, dann vermute ich mal, dass jemand woanders geimpft worden ist. Denn man muss ja davon ausgehen, derjenige ist impfbereit. Also wird er nicht verzichten, sondern er wird irgendwo anders geimpft worden sein, beim Betriebsarzt, beim Hausarzt und hat aber nicht abgesagt. Das ist bei Erstterminen sehr ärgerlich, weil er könnte absagen. Das System gibt das durchaus her. Das ist dann ein Stück weit auch unfair, wenn man das nicht tut.«

Während vor den Messehallen hunderte Menschen anstehen, werden trotzdem auch an diesem Dienstag wohl wieder reihenweise Termine verfallen. Allein zwischen fünf und sechs Prozent der Zweittermine sind es jeden Tag. Für Dirk Heinrich ein logistischer Mehraufwand, aber kein großes Problem. Vielmehr fürchtet er eine sinkende Motivation.

Dirk Heinrich, Medizinische Leitung Impfzentrum Hamburg
»Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir dadurch, dass wir eine niedrige Inzidenz haben, und dadurch, dass eine hohe Impfquote schon da ist, dass es Menschen gibt, die sagen: Naja, dann brauche ich mich ja jetzt nicht mehr impfen lassen. Ist ja schon alles wieder gut. Das Ding ist vorbei. Die Sache ist gegessen. Das wäre ein fataler Fehler.«

»Erst haben wir alle danach gegiert und nun wollen sie nicht mehr.«

»Ich finde, wenn man die Chance hat, sich impfen zu lassen, sollte man es auch auf jeden Fall machen.«

»Rücksichtnahme ist leider in unserer Gesellschaft nicht mehr das oberste Gut. Es wäre total toll, wenn manche Menschen einfach ein bisschen reflektieren würden und nicht nur an sich, sondern auch an den Rest denken könnten.«

Doch nicht nur Impfschwänzer sind ein Problem im flächenmäßig größten Impfzentrum der Republik. Jeden Tag gibt es auch Impfdrängler, die sich nach einer Erstimpfung beim Hausarzt für eine erneute Erstimpfung beim Impfzentrum anmelden, um so den Impfabstand zu verkürzen. Wer bei so einer Aktion auffliegt, wird wieder nach Hause geschickt.

Dirk Heinrich, Medizinische Leitung Impfzentrum Hamburg
»Wenn man es zusammen nimmt, sind das so 700 oder 800 Menschen und die Termine könnten wir anderweitig verwenden. Insofern ist das schon ärgerlich.«

Mittlerweile ist auch Silvia Word mit ihrer Zweitimpfung an der Reihe. Vorab gibt es allerdings noch neue Infos.

»Und Sie wissen, dass Sie das letzte Mal Astra Zeneca bekommen haben. Heute bekommen Sie den Impfstoff Moderna. Und nachdem, was wir bis jetzt wissen, ist es so, dass die Effektivität größer ist, dass sie noch besser geschützt sind als mit zwei Astra-Zeneca-Impfungen.«

Und weil das so ist, empfiehlt die Ständige Impfkommission seit letzter Woche allen Menschen, die bei ihrer ersten Impfung einen Vektor-Impfstoff wie Astra Zeneca bekommen haben, nun eine mRNA-Vakzine wie BionTech oder Moderna zu verabreichen. Für Hausärzte und Impfzentren kam das unvorbereitet und hat spürbare Folgen.

Dirk Heinrich, Medizinische Leitung Impfzentrum Hamburg
»Dadurch können wir weniger Erstimpfungen mit diesen beiden Impfstoffen vornehmen. Das ist ganz klar. Wir haben jetzt noch neun Tage vor uns mit Astra-Erstimpflingen, die jetzt den mRNA-Impfstoff bekommen. Und insofern haben wir tatsächlich eine Lücke von zwei Wochen etwa, wo wir deutlich weniger Erstimpfungen machen können, als wir geplant haben. Das sind bei uns im Zentrum dann etwa 50.000 bis 60.000 Termine.«

In Hamburg sorgen Impfdrängler, Impfschwänzer und die neue Impfempfehlung für eine Verlangsamung des Impffortschritts. Dirk Heinrich versichert aber, dass deshalb kein Impfstoff entsorgt werden muss. Um eine vierte Welle mit der aktuell vorherrschenden Delta-Variante zu verhindern, müssen laut Robert Koch-Institut 85 % der Erwachsenen geimpft sein. Und da zählt am Ende jede Impfung.







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