Für viele gehört eine Tasse Kaffee zum täglichen Start in den Tag. Um genau zu sein: 72 Prozent der Deutschen trinken regelmäßig das schwarze Gold. Für manche liefert er nur einen kleinen Energiekick am Morgen, doch einige Kaffeetrinker:innen kennen sicherlich das Phänomen, dass auch ihr Stoffwechsel in Gang gebracht wird. Nach der Tasse Kaffee steht gleich der Gang zur Toilette an, um den Darm zu entleeren. Doch warum müssen wir von Kaffee auf die Toilette?
Bei der Beliebtheit von Kaffee könnte man meinen, dass die Forschung den Zusammenhang von Kaffee und Stuhlgang längst untersucht hätte, doch in der Wissenschaft spielt diese Alltagsfrage keine große Rolle. Die Wirkung von Kaffee zu erforschen, ist außerdem komplexer als auf den ersten Blick vermutet. Über 1000 Inhaltsstoffe stecken in der Bohne. Darunter Proteine, Mineralstoffe, Vitamine und eine hohe Anzahl an Antioxidantien. Herauszufinden, welchen Effekt sie auf den Magen-Darm-Trakt haben, ist keine leichte Aufgabe.
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Kaffee stimuliert die Dickdarmaktivität
Ein paar Studien haben sich dem Phänomen aber doch gewidmet – allerdings nahmen an ihnen nur wenige Proband:innen teil, die Studien waren zeitlich limitiert und sind zudem meist auch schon etwas älter. Eine Studie aus dem Jahr 1998 lässt vermuten, dass der anregende Effekt nicht am Wachmacher Koffein liegt. Denn: Entkoffeinierter Kaffee hat eine ähnlich stimulierende Wirkung auf den Dickdarm wie Kaffee mit Koffein. Warmes Wasser hingegen nicht. Für die Studie hatten sich zwölf gesunde Proband:innen eine Sonde in den Dickdarm einführen lassen, die daraufhin die Aktivität des Organs gemessen hat. In einem 10-Stunden-Zeitfenster konsumierten die Teilnehmenden Wasser, Kaffee, entkoffeinierten Kaffee und eine Mahlzeit.
Vom Magen aus gelangt über den Dünndarm ein Speisebrei in den Dickdarm. Dieser ist dann dafür verantwortlich, dass die fast nährstofffreien Nahrungsreste in Richtung After und so schlussendlich in die Toilette gelangen. Der Dickdarm erfährt drei Arten von Kontraktionen, die zusammenarbeiten, um Kot zu mischen, zu kneten und schließlich auszustoßen. Das Auftreten, der Zeitpunkt und die Häufigkeit dieser Kontraktionen werden durch muskuläre, neurale und chemische Faktoren beeinflusst. "Kaffee könnte diese motorische Aktivität des Dickdarms innerhalb von Minuten nach dem Konsum stimulieren", sagte Kyle Staller zu "CNN". Der Gastroenterologe und Direktor des Gastrointestinal Motility Laboratory am Massachusetts General Hospital beruft sich dabei auf die begrenzt verfügbaren Forschungsergebnisse.
Kommunikation von Magen, Hirn und Darm
In einer anderen Studie aus dem Jahr 1990 haben 92 junge Erwachsene einen Fragebogen über den Einfluss von Kaffee auf ihren Stuhlgang ausgefüllt. 29 Prozent der Befragten gab an, dass das Trinken von Kaffee bei ihnen "den Wunsch nach Stuhlgang auslöst". 63 Prozent der Proband:innen, die dies sagten, waren weiblich. Ähnlich wie in der Studie aus dem Jahr 1998 willigten Freiwillige ein, sich eine Sonde in den Dickdarm einführen zu lassen. Bei den Proband:innen, die dem Kaffee bereits im Fragebogen einen Einfluss auf den Stuhlgang zugeschrieben hatten, konnte die Sonde dieses Gefühl bestätigen. Bereits vier Minuten nach der Tasse Kaffee konnte diese eine erhöhte Dickdarmaktivität nachweisen.
Dass Kaffee den Dickdarm innerhalb weniger Minuten stimulieren könne, bedeute, dass "es wahrscheinlich durch die Darm-Hirn-Achse geht", sagte Robert Martindale, Professor für Chirurgie und medizinischer Direktor für Krankenhausernährungsdienste an der Oregon Health and Science University, gegenüber der "New York Times". Das bedeutet: Kommt der Kaffee im Magen an, wird ein Signal an das Hirn gesendet, welches den Dickdarm anrege. Dieses Signal führe dazu, dass der Dickdarm sage: "Nun, wir sollten uns besser entleeren, weil die Dinge stromabwärts kommen", erklärte Martindale. Bis der Kaffee selbst vom Magen über den Dünndarm im Dickdarm landet, würde es wahrscheinlich mindestens eine Stunde dauern, sagte der Experte.
Hormone spielen eine Rolle
Der gastrokolische Reflex, also die Kommunikation zwischen Magen, Hirn und Dickdarm, ist eine Reaktion, die standardmäßig im Verdauungstrakt abläuft, wenn wir etwas essen. Doch in der Studie aus dem Jahr 1998 haben Forschende herausgefunden, dass Kaffee eine besonders stimulierende Wirkung auf den Dickdarm hat. Acht Unzen Kaffee (etwa 237 Milliliter) lösen eine ähnliche Dickdarmkontraktion aus wie eine Mahlzeit mit 1000 Kalorien. Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass die Kommunikation zwischen Magen, Gehirn und Dickdarm durch eine oder mehrere Inhaltsstoffe des Kaffees ausgelöst wird. Es könnten auch Hormone eine Rolle spielen.
Auch der Effekt von Kaffee auf Hormone, die eine wichtige Rolle im Verdauungstrakt spielen, wurde schon untersucht. Das schwarze Gold scheint die Freisetzung des Hormons Gastrin anzukurbeln. Das Hormon ermöglicht die Produktion von Magensäure. Diese hilft nicht nur bei der Verdauung von Nahrung, sie regt auch die Dickdarmaktivität an. Eine Studie aus dem Jahr 1986 zeigt, dass Kaffeetrinken (entkoffeinierter und koffeinhaltiger) einen deutlichen Einfluss auf den Gastrinspiegel hat. In einer sehr kleinen Studie von 2009 haben sechs männliche Probanden über Nacht gefastet und bekamen entweder eine Mahlzeit und schwarzen Kaffee oder nur eine Mahlzeit. Das Ergebnis: Nach dem Trinken von Kaffee ist die Zeit, welche die Nahrung brauchte, um den Magen zu verlassen und in den Dünndarm zu gelangen, deutlich verkürzt. Zwei weitere Studien aus den 1990er-Jahren deuten darauf hin, dass Kaffee auch den Spiegel des Verdauungshormons Cholecystokinin erhöhen kann. Dieses Hormon hat nicht nur Einfluss auf die Bewegung von Nahrung durch den Dickdarm, es steht auch in Verbindung mit dem gastrokolischen Reflex.
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Moderater Kaffee-Genuss empfohlen
Eine weitere Ursache von direktem Stuhlgang nach dem Genuss einer Tasse Kaffee könnte eine Lebensmittelunverträglichkeit sein. Tritt der schnelle Stuhlgang nur nach dem Trinken von Kaffee mit Milch auf, könnte das ein Hinweis auf eine Laktoseintoleranz sein. Herausfinden lässt sich dies, wenn die Milch im Kaffee einfach weggelassen wird. Auch das Auftreten von Unterbauchschmerzen, Völlegefühl, Durchfall und Blähungen nach dem Verzehr von Milch kann auf eine Unverträglichkeit hindeuten.
Für alle Kaffeetrinker:innen, die durch das schwarze Gold nur einen etwas angeregten Stoffwechsel haben, ist der Verzehr unproblematisch. Sie sollten die Tasse Kaffee vielleicht nur nicht genießen, wenn keine Toilette in der Nähe ist. Die Deutsche Gesellschaft (DGE) empfiehlt übrigens nur einen moderaten Kaffee-Konsum, weil Kaffee nicht als Durstlöscher gewertet wird, sondern als Genussmittel mit Koffein. Drei bis vier Tassen pro Tag sind für Erwachsene laut DGE kein Problem. Wer den Kaffee ohne Milch und Zucker trinkt, nimmt durch das Getränk keine Kalorien auf.
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