Vor Katarakt-Operation: Tamsulosin früh absetzen!

In seiner „Drug Safety Mail“ vom vergangenen Freitag weist die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft auf das intraoperative Floppy-Iris-Syndrom im Zusammenhang mit Tamsulosin hin. Es kann als eine mögliche Komplikation der Kataraktchirurgie auftreten. Für die Praxis sei zudem wichtig, dass Tamsulosin anatomische Veränderungen des Auges zu bewirken scheint, die sich auch nach (frühem) Absetzen von Tamsulosin nicht vollständig zurückbilden.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) empfiehlt aktuell, dass bei Patienten mit klinischen Hinweisen auf eine Katarakt („grauer Star“) ein Augenarzt einbezogen werden sollte, ehe ein Alpha-1-Rezeptorantagonist (ARA) wie Tamsulosin verordnet wird. Dabei soll die Wahrscheinlichkeit einer zukünftig erforderlich werdenden Katarakt-Operation abgeschätzt werden. 

Ist bereits eine OP geplant, sollte der Eingriff laut AkdÄ möglichst vor Beginn einer Behandlung mit Alpha-1-Rezeptorantagonisten erfolgen. Denn für die Praxis sei wichtig, dass Tamsulosin anatomische Veränderungen – „möglicherweise eine Atrophie des M. dilatator pupillae“ – zu bewirken scheint, die sich auch nach Absetzen nicht vollständig zurückbilden. „Wenn noch keine Katarakt-Operation durchgeführt wurde, sollte – falls ein ARA unverzichtbar erscheint – ein nicht selektiver ARA wie Alfuzosin gewählt werden“, heißt es. Nach erfolgter Katarakt-Operation könne dann jeder Alpha-1-Rezeptorantagonist angewendet werden

Vorsicht auch bei Frauen!

Grund für diesen doch eher ungewöhnlich allgemeinen Aufruf zur Vorsicht ist, dass sowohl die Trübung der Augenlinse als auch die benigne Prostatahyperplasie (BPH) mit zunehmendem Alter immer häufiger vorkommen. Damit drohe vor allem bei Männern, die insbesondere mit Tamsulosin behandelt wurden, bei einer späteren Katarakt-Operation die Komplikation des Floppy Iris-Syndroms (IFIS). Allerdings sollten sowohl Männer als auch Frauen gezielt nach der Anwendung von Alpha-1-Rezeptorantagonisten (auch länger zurückliegend) gefragt werden. Denn IFIS könne auch bei Frauen (z. B. nach Off-label-Anwendung von Tamsulosin bei rezidivierenden Nierenkoliken) auftreten. Die Komplikationsrate sei dann höher als bei Männern.

Das Floppy Iris-Syndrom (IFIS)

In Deutschland werden laut AkdÄ jährlich etwa 900.000 Katarakt-Operationen durchgeführt. „Bei der häufig durchgeführten Phakoemulsifikation wird die getrübte Linse nach minimaler Inzision durch Ultraschall zerkleinert und dann abgesaugt, bevor eine Kunstlinse eingesetzt wird“, heißt es zur Operation an sich.

Als Komplikation kann während der Operation das IFIS auftreten, das eine „Irisverletzung, entrundete Pupille und damit mangelnde Blende (Blendempfindlichkeit und schlechteres Nahsehen), hintere Kapselruptur, Netzhautablösung sowie Verlust von Linsenteilen in den Glaskörperraum begünstigen und ein schlechteres Operationsergebnis mit Beeinträchtigung des Sehvermögens zur Folge haben“ kann.

Das IFIS wurde erstmals 2005 beschrieben und wird durch drei Punkte während der OP charakterisiert:

  • wellenförmige Iris, bereits bei geringen intraoperativen Flüssigkleitsströmungen trotz Mydriatika-Applikation
  • Neigung der Iris (Irisvorfall)
  • intraoperative progrediente Miosis trotz Applikation von Mydriatika

Bereits 2005 – bei der Erstbeschreibung des IFIS – wurde auf die gleichzeitige oder vorangegangene Einnahme des Alpha-1-Rezeptorantagonisten (ARA) Tamsulosin hingewiesen, erklärt die AkdÄ die Warnung weiter. Diese Assoziation soll seitdem immer wieder bestätigt worden sein – insbesondere mit Tamsulosin, aber auch mit anderen ARA wie Alfuzosin oder Doxazosin. (Weitere Risikofaktoren wie Alter, Hypertonie sowie die Anwendung von Finasterid, Angiotensin-2-Rezeptor-Inhibitoren, Benzodiazepinen und verschiedenen Antipsychotika werden diskutiert.)

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