Für die Entscheidung, den Genesenen-Status zu verkürzen, hat das RKI viel Kritik eingesteckt. Jetzt meldet sich auch die Deutsche Gesellschaft für Virologie zu Wort. Sie fordert eine Gleichstellung von Geimpften und Genesenen, sofern eine Grundbedingung erfüllt ist.
Wie lange gilt eine Person als genesen und durch die durchgemachte Infektion als geschützt vor Covid-19? Seit das Robert-Koch-Institut (RKI) im Januar den Genesenen-Status ohne Vorwarnung von sechs auf drei Monate verkürzt hat, wird darüber heftigst diskutiert.
Die angeführte Begründung seitens des RKI: Die Antikörperspiegel würden nach einer Infektion rasch sinken. Experten wie Alexander Kekulé und Hendrik Streeck kritisierten die Entscheidung deutlich – vor allem, weil sie Genesene im Gegensatz zu Geimpften benachteiligt. „Ein Genesener hat einen viel besseren Immunschutz als ein Geimpfter“, monierte Kekulé. Es gebe keine wissenschaftliche Begründung dafür zu sagen, „die Geimpften haben neun Monate Schutz, die Genesenen nur drei Monate“.
Kritik nach Genesenen-Entscheidung des RKI
Streeck sah ebenfalls „Diskussionsbedarf“ und erklärte gegenüber FOCUS Online: „Mit den verschiedenen Virus-Varianten und den möglichen Kombinationen von Genesenen und Geimpften, also genesen von einer Alpha-Variante und reinfiziert mit Omikron, ist die Datenlage natürlich unübersichtlich. Trotz allem zeigen alle Daten durch die Bank, dass im Durchschnitt der Schutz vor einem schweren Verlauf nach einer Infektion sehr gut ist. Der Schutz vor einer Infektion ist vergleichbar mit dem Schutz nach der Impfung.“
Das RKI hat seither grundsätzlich an seiner Entscheidung festgehalten; allerdings heißt es in einer aktualisierten Version zum Genesenen-Status inzwischen: „Diese fachlichen Vorgaben für den Genesenennachweis beziehen sich ausschließlich auf Personen, die ungeimpft sind, d.h. weder vor noch nach ihrer durchgemachten Infektion eine Impfung erhalten haben.“ Außerdem wird darauf hingewiesen, dass sich diese Vorgaben gemäß dem Stand der Wissenschaft ändern können.
Antikörper nicht allein entscheidend für Immunität
Diese Feinheit ist aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Virologie zentral. „Neben Antikörpern spielt bei der Abwehr der Sars-CoV-2 Infektion auch die zelluläre Immunität eine Rolle“, schreiben die Virologen in einer Stellungnahme vom Montag. Wichtig dabei seien insbesondere sogenannte T-Zellen, die virusinfizierte Zellen erkennen und zerstören.
Der Schutz vor schweren Covid-19 Verläufen hänge deshalb nicht ausschließlich von neutralisierenden Antikörpern ab, sondern auch von der Fähigkeit der T-Zellen, infizierte Zellen im Körper zu erkennen und abzutöten.
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Mehr zur Omikron-Variante
Neuste Publikationen zeigten, dass sich aufgrund des Booster-Effektes Sars-CoV-2 spezifische Antikörper mit hoher Neutralisationsfähigkeit und in ausreichender Menge erst nach mehreren Antigenkontakten über die Zeit entwickelten. Dabei sei die Anzahl der Antigenkontakte entscheidend.
Als ein solcher Kontakt mit dem Virus zählten entweder
- eine einmalige Impfung (also eine Impfdosis) oder
- eine Infektion.
„So hat beispielsweise eine vollständige geimpfte Person (d.h. nach zwei Impfdosen), die zusätzlich eine Infektion durchgemacht hat, insgesamt drei Antigenkontakte“, schreibt die Fachgesellschaft, in deren Vorstand unter anderem die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek und der Essener Virologe Ulf Dittmer aktiv sind.
„Die Studien zeigen, dass sich nach drei Antigenkontakten qualitativ hochwertige Antikörper gegen das Sars-CoV-2 entwickeln, die auch in der Lage sind, die Omikron-Variante zumindest teilweise zu neutralisieren. Dies ist unabhängig von den unterschiedlichen Konstellationen der Antigenkontakte, also unabhängig davon, ob eine Person 3-fach geimpft, 2-fach geimpft und genesen oder genesen und 2-fach geimpft ist.“
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Virologen fordern Gleichstellung von Genesenen und Geimpften nach Dreimal-Kontakt
Aufbauend auf den bisher bekannten Daten diesbezüglich schlagen die Experten vor, deutschlandweit eine pragmatische Regelung anzuwenden, die Personen mit drei Antigenkontakten, unabhängig von der Art der Antigenkontakte (Impfung oder Infektion), gleichsetzt.
In einigen Bundesländern wird dies bereits so gehandhabt, etwa in Bayern und Hamburg. Wer doppelt geimpft und einmal nachweislich genesen ist, ist von der Testpflicht bei 2Gplus ausgenommen.
Ausdrücklich nicht gelten sollte die Gleichstellung laut Virologen-Gesellschaft für Menschen, die nur genesen oder nur zweifach geimpft sind.
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Münchner Studie hatte Dreifach-Kontakt bereits zum zentralen Kritierium erklärt
Dass drei Kontakte mit dem Virus notwendig und vorrangig für den Schutz relevant sind – und nicht die Art und Weise, also ob per Impfung oder Infektion – hatte Ende Januar schon eine Studie von Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie des Helmholtz Zentrums und der Technischen Universität München nahegelegt.
Das Forscherteam schrieb im Fachmagazin „Nature Medicine“, dass insgesamt drei Kontakte zum Spike-Protein als viralem Antigen notwendig seien, damit neutralisierende Antikörper nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch in hoher Qualität gebildet werden. „Solche qualitativ hochwertigen Antikörper binden das Virus stärker und können dadurch auch die Omikron-Variante bekämpfen“, hieß es in einer Pressemitteilung des Instituts.
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