Dreieinhalb Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Rx-Boni von EU-Versendern gibt es noch immer keine Klarheit, wie die flächendeckende Arzneimittelversorgung künftig sichergestellt werden kann. Das beklagen nicht nur die Apotheker – auch Kai Vogel, Leiter Gesundheit beim Bundesverband der Verbraucherzentrale, fehlt das Verständnis, dass das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz nicht vorankommt. Zugleich hat er Ideen, was in der Arzneimittelversorgung geändert werden sollte.
Als der Europäische Gerichthof (EuGH) im Oktober 2016 entschied, es sei mit dem Europarecht nicht vereinbar, wenn sich EU-ausländische Versandapotheken, die Patienten in Deutschland mit Arzneimittel versorgen, an die hierzulande geltenden Rx-Fixpreise halten müssten, war die Reaktion aus der Politik eindeutig: Eine solche Schieflage zwischen inländischen und ausländischen Apotheken darf keinen Bestand haben. Wer die flächendeckende Versorgung durch Apotheken in Deutschland bewahren will, muss dafür sorgen, dass sie verlässliche Rahmenbedingungen haben.
Wir alle wissen: Bis heute gibt es weder ein Rx-Versandverbot, wie es der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe als Antwort auf das EuGH-Urteil gefordert hatte, noch eine Preisbindung für EU-Versender im Sozialrecht, wie es Jens Spahn mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) verfolgt. Und das trotz Kampagnen aus der Apothekerschaft, diverser Gutachten und durchaus existierenden Gesetzentwürfen.
Noch ein Gutachten abwarten?
Dass es noch immer keine Klarheit über die zukünftigen Rahmenbedingungen der Arzneimittelversorgung gibt, beklagt auch der Leiter Gesundheit beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Kai Vogel. In einem Standpunkt für den „Tagesspiegel Background Gesundheit“ stellt er die Frage, ob es noch ein weiteres Gutachten benötigt, um tätig zu werden. Damit meint er das vom Bundesgesundheitsministerium beim IGES-Institut in Auftrag gegebene Gutachten, das sich mit den möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung beziehungsweise der Gewährung von Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln befassen soll. Vogel räumt zwar ein: „Fundierte Fakten zum Apothekenmarkt und zu den möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Preise sind zwar hilfreich, da hier erheblicher Nachholbedarf besteht und dies nicht zuletzt auch einer der Kritikpunkte in der Urteilsbegründung des EuGH war.“ Dennoch: Nach jahrelangen Diskussionen brauche es „endlich eine Entscheidung der Politik, wie es nun weitergehen soll – und damit Klarheit für alle Beteiligten“. Planungssicherheit bräuchten an erster Stelle die Apotheker. Wobei Vogel deutlich macht, dass ein Rx-Versandverbot für ihn keine zeitgemäße Lösung wäre.
Der Markt darf den Arzneimittelabgabepreis nicht bestimmen
Aber der Verbraucherschützer denkt natürlich nicht minder an die Verbraucherinnen und Verbraucher, die auf eine flächendeckende qualitätsgesicherte Arzneimittelversorgung angewiesen sind. Mit Blick auf das beim IGES-Institut in Auftrag gegebene Gutachten betont Vogel: „Der Markt darf den Abgabepreis eines Arzneimittels in der Apotheke nicht bestimmen. Nachsehen hätte dann beispielsweise schnell eine ältere, nicht mobile Patientin, die in einer ländlichen Region akut ein Arzneimittel benötigt und nur eine Anlaufstation vor Ort hat.“
Quelle: Den ganzen Artikel lesen