Totimpfstoff gegen Omikron: Der neue Hoffnungsträger, der vielleicht gar keiner ist

Seit die neue Virusvariante Deutschland überrollt, macht die Bundesregierung Druck. "Omikron setzt sich immer mehr durch. Der beste Schutz gegen eine schwere Corona-Infektion ist und bleibt das Impfen", twitterte Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Januar. Das Problem: Die Omikron-Variante weicht den Antikörpern, die nach einer Infektion oder einer Impfung gebildet werden, aus. Zellkernstudien zeigten zudem, dass das Virus gegen "mehrere (…) Antikörper resistent ist", schreibt das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

Das Robert Koch-Institut bestätigt diese Erkenntnisse in seinem aktuellen Wochenbericht. Darin vermeldet das Institut ein "auffallend" deutliches Absinken der geschätzten Impfeffektivität bei Personen zwischen zwölf und 59 Jahren. Symptomatische Infektionen hätten seit Mitte Dezember unter den Geimpften zugenommen. Was nicht bedeute, dass die Impfung gar nicht mehr vor der Omikron-Variante schützt. Hilfreich sei etwa eine Impfauffrischung sowie eine Kreuzimpfung mit Biontech und Astrazeneca, schreibt das DZIF.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wird deshalb nicht müde, immer wieder die "besonders offensive" Booster-Kampagne als Kampfmittel anzupreisen. Zwar könne sie die Omikron-Welle nicht vollständig verhindern, "aber sie ist das Wichtigste, was man tun kann, um zu verhindern, dass viele Menschen schwer erkranken". Bisher sind knapp 74 Prozent aller Deutschen doppelt geimpft. Etwas mehr als die Hälfte aller Bundesbürger hat derweil einen Booster erhalten (Stand 28. Januar 2022).

Totimpfstoff überzeugt erst im dritten Anlauf

Während unter anderem Biontech und Moderna an einer Neuauflage ihrer Vakzine arbeiten, damit Omikron wirksamer bekämpft werden kann, lässt ein neuer Wirkstoff hoffen. Wie kürzlich bekannt wurde, soll das Vakzin VLA2001 des französisch-österreichischen Herstellers Valneva wirksam gegen die Omikron-Variante sein. Der einzige Haken: Das Ergebnis nach zwei Impfungen sei laut den Labortests noch nicht überzeugend, wie der Geschäftsführer von Valneva, Thomas Lingelbach einräumt. Nach drei Impfungen könnte der Wirkstoff Omikron immerhin zu 87 Prozent neutralisieren.

"Es gibt eine abgeschwächte Wirkung, aber eine ausreichende Wirkung und damit muss man davon ausgehen, dass es mindestens vor schwerwiegenden Verläufen schützt", sagte Lingelbach im Ö1 Morgenjournal. Den Angaben zufolge wurde Valneva bisher an über 4000 Personen getestet und habe sich als "verträglich" erwiesen. Ähnlich wie bei den Wirkstoffen von Biontech und Moderna bedürfe es auch hier eines doppelten Impfung mit einem Abstand von 28 Tagen. Nach einem halben Jahr müsse die Immunisierung aufgefrischt werden. Lingelbach geht davon aus, dass der Impfstoff darüber hinaus jährlich verabreicht werden muss.

Bei dem Wirkstoff handelt es sich um einen Totimpfstoff – den besonders Impfskeptiker herbeisehnen. Für unentschlossene Ungeimpfte sind diese Art von Impfstoffen vor allem deshalb attraktiv, weil sie als erwiesen gelten. Zu den klassischen Totimpfstoffen gehören etwa die Vakzine gegen die Grippe und Hepatitis B. Sie enthalten ausschließlich abgetötete Viren, die sich nicht mehr vermehren können und keine Erkrankung auslösen. Im Körper werden sie als fremd erkannt und entsprechend Antikörper produziert. Angaben des RKI zufolge gelte das aber auch für die mRNA-basierten Mittel. "Die COVID-19-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren. Insofern können sie mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden."

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Datengrundlage noch lückenhaft

Seit Anfang Dezember wird der Impfstoff von Valneva durch die Europäische Arzneimittelagentur geprüft. Wann er zugelassen wird, ist allerdings noch offen. Der Konzern rechnet damit, dass die Entscheidung bis Ende März fallen könnte. Die ersten Lieferungen könnten ab April beginnen. Die EU-Kommission hat sich bisher 27 Millionen Impfstoffdosen gesichert, Deutschland hat schon jetzt 11 Millionen Dosen bestellt.

Ob Valneva als Booster mit bereits zugelassenen Impfstoffen kombiniert werden kann, steht ebenfalls noch nicht fest. Die nötigen Untersuchungen fehlen derzeit noch. Eine kürzlich veröffentlichte Studie im Fachblatt "The Lancet" hat bereits die Booster-Wirkung von sieben verschiedenen Impfstoffen untersucht und miteinander verglichen. Das Ergebnis: Am effektivsten wirkten die Impfstoffe von Biontech und Astrazeneca sechs Monate nach der Auffrischung gegen Hospitalisierungen und dem Tod. Der Wirkstoff von Valneva schnitt am schlechtesten ab.




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Eine Untersuchung der UK Health Security Agency (UKHSA) hat die Booster-Wirkung ebenfalls untersucht – Valneva gehörte jedoch nicht zu den untersuchten Wirkstoffen. Die Ergebnisse bescheinigen Biontech und Moderna einen Schutz vor symptomatischen Erkrankungen durch Omikron von 65 bis 75 Prozent innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen nach der Booster-Impfung. Danach fällt der Schutz auf 55 bis 70 Prozent innerhalb der folgenden fünf bis neun Wochen. Gut zweieinhalb Monate danach liegt die Wirksamkeit nur noch bei 40 bis 50 Prozent.

Ob sich das Warten auf den Totimpfstoff lohnt, ist fraglich. Im Vergleich zu den bereits zugelassenen Wirkstoffen wurde Valneva bisher nur an einer kleinen Gruppe von Menschen getestet. Die bisherigen Erkenntnisse über mögliche Nebenwirkungen gelten bei den Konkurrenten als bekannt und gesichert. Impfnebenwirkungen treten Angaben der EMA zufolge extrem selten auf. Das muss sich beim Impfstoff von Valneva erst noch zeigen. Auch mit der Wirksamkeit gegen Omikron kann das Vakzin nicht meher punkten. Wie die Labortests gezeigt haben, reduziert Valneva das Risiko schwer durch die Omikron-Variante zu erkranken erst nach dem dritten Piks. Damit dürfte der Wirkstoff zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel besser sein als die bisher zugelassenen Vakzine.

Quellen: Wochenbericht RKI, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Ärzteblatt.de, ORF, Europäische Arzneimittelagentur, ZDF.de, Valneva, "The Lancet"

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