Nirgends in Europa haben sich so viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert wie in Italien: Bei mehr als 4600 Menschen wurde die neuartige Lungenkrankheit bis Samstagmittag nachgewiesen. Knapp 200 von ihnen sind gestorben. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund 640 Infizierte registriert, gestorben ist bislang niemand. Das Auswärtige Amt hat deswegen am Freitag seine Reisehinweise verschärft: Es rät ab sofort von nicht nötigen Reisen in die Provinz Südtirol und die Regionen Lombardei und Emilia-Romagna sowie in die Stadt Vo in der Provinz Padua ab.
Aber wieso gibt es ausgerechnet in Italien so viele Fälle? Und wieso breitet sich das Virus dort offenbar stärker aus als in anderen europäischen Ländern? Die Zeitung “Corriere della Sera” hat drei Experten dazu befragt und vier Gründe analysiert.
Coronavirus in Deutschland
Was kommt da noch? – Corona und die Folgen
1. Die Welle wurde erst erkannt, als sie schon zu groß war
Massimo Galli ist Professor für Infektionskrankheiten an der Universität Mailand. Er ist überzeugt: Das Virus hat sich vermutlich ab Ende Januar in Italien ausgebreitet. Bloß: Wer es ins Land gebracht hat, ist völlig unklar. Der sogenannte “Patient Null” blieb bis heute unbekannt.
Der Grund: Die meisten Corona-Patienten bilden kaum oder nur milde Symptome aus. Auch “Patient Null, wer auch immer er ist, hatte keinen Grund zu der Annahme, dass er infiziert war”, sagte Galli dem “Corriere”. Er oder sie steckte daher unbewusst weitere Menschen an – das Virus konnte sich ungehindert ausbreiten, vor allem in der sogenannten Roten Zone im Norden des Landes. “Wir bemerkten das Feuer erst, als es bereits den größten Teil des ersten Stocks verbrannt hatte”, so Galli. Als die Gesundheitsbehörden erkannt hätten, womit sie es zu tun hatten, sei die Welle längst zu groß gewesen.
Coronavirus in Italien
Protokoll der Fahrlässigkeit: Warum es wohl keinen "Patient 0", sondern nur "Patient 1" geben wird
2. Die “Super-Verbreiter”
Paolo Bonanni, Professor für Hygiene an der Universität von Florenz, brachte eine weitere Komponente ins Spiel: die sogenannten “Super-Verbreiter”. Sie könnten der Grund sein, warum sich das Virus, obwohl es mittlerweile bekannt ist und es Versuche zur Eindämmung gibt, in Italien immer noch rasend schnell ausbreitet.
Bonannis Theorie: In bestimmten “Subjekten” habe sich “der Mikroorganismus in Mengen repliziert, die viele Menschen innerhalb kurzer Zeit infizieren können”. Ein “Super-Verbreiter” könne daher mehr Menschen anstecken als es bei einer normalen Ausbreitung einer grippalen Erkrankung üblich sei. Laut Bonanni sei nicht auszuschließen, dass es in Italien einen oder mehrere Super-Verbreiter gebe.
3. Italien testet auch symptomfreie Patienten
Ein weiterer Grund für die hohen Fallzahlen in Italien ist laut Fabrizio Pregliasco, Virologe an der Universität in Mailand, die hohe Testfrequenz der Italiener. Während in anderen Ländern nur auf Covid-19 getestet werde, wer Symptome zeige, “wurden bei uns auch zahlreiche Tests durchgeführt an Risikopersonen”, so Pregliasco. Damit sind vor allem Kontaktpersonen von Infizierten oder potenziell Infizierten gemeint.
Aufgrund der höheren Testfrequenz gebe es auch mehr identifizierte Kranke, so der Virologe. Zum Vergleich: In Deutschland werden Kontaktpersonen von Corona-Patienten in der Regel nicht sofort getestet, sondern zunächst in häusliche Isolation geschickt. Sofern sie keine Symptome ausbilden, findet meist kein Test statt – manche Infektionen bleiben so unerkannt.
4. Italien als “Labor” für andere Länder
Hygiene-Professor Bonanni geht davon aus, dass sich die Fallzahlen in anderen Ländern wahrscheinlich auch deswegen nicht so massiv erhöhen wie in Italien, weil man dort von den Erfahrungen profitiert, die die Italiener im Umgang mit dem Virus bereits gemacht hätten: “Im Moment sind wir im Verlauf der Epidemie ein Stückchen voraus, andere Länder werden erst später dort ankommen, wo wir jetzt schon sind.”
So könnten zum Beispiel Eindämmungsmaßnahmen in anderen Ländern schon früher angewendet werden, wenn sie sich in Italien als wirksam erwiesen hätten. “Wir sind in jeder Hinsicht eine Art Labor für andere Nationen”, so Bonanni.
Quellen: “Corriere della Sera”, Nachrichtenagentur ANSA
Neu in Gesundheit
Coronavirus
Ansturm erwartet: Aldi bietet ab Montag Desinfektionsmittel an
stern Reisewelten
Westeuropa Kreuzfahrt ab Hamburg mit All Inclusive ab 499 Euro
Australien
Hamsterkäufe wegen Coronavirus: Verlag bindet Toilettenpapier in Zeitung ein
Australien
Wegen Coronavirus: Familie bestellt aus Versehen Toilettenpapier für zwölf Jahre
Ungewöhnliche Aufnahmen
Trotz Verbots: Ärzte und Schwestern tanzen gegen die Coronavirus-Angst
Essen mit Nebenwirkung
Warum ein Stück Feta einem Kind beinahe zum Verhängnis wurde
Leben in Isolation
"Das Schlimmste ist die Sorge" – Teneriffa-Urlauber zeigt das Leben in Hotel-Quarantäne
Aktuelle Zahlen zu Sars-CoV-2
So breitet sich das Coronavirus aus – in Deutschland und weltweit
Coronavirus
Bloß kein Händeschütteln! Die besten alternativen Begrüßungsmethoden – und was der Knigge sagt
Gesundheit
Kann Mineralwasser schlecht werden – und wie erkennt man das?
Vorsichtsmaßnahme
Ärzte führen "Drive-in-Praxis" für Coronavirus-Verdachtsfälle ein
Beauty-Trend
Natürliche Kosmetik: Darum fördert Rosenwasser ein gesundes Hautbild
Schmerzen lindern
So erkennen Sie eine Nagelbettenzündung – und so behandeln Sie sie richtig
Wegen Coronavirus
Landrat Stephan Pusch: Schulen im Kreis Heinsberg bleiben länger geschlossen
Kleingedrucktes beachten
Diese Desinfektionsmittel sind tatsächlich wirksam gegen das Coronavirus
Fragen und Antworten
Kann man sich über Geld und andere Gegenstände mit dem Coronavirus infizieren?
Coronavirus
"Keine Panik": Ein Psychologe erklärt, warum Politiker diese Floskel nicht verwenden sollten
"Grand Princess"
Ex-Passagier starb an Corona: Tausende sitzen auf Kreuzfahrtschiff vor Kalifornien fest
Bundesgesundheitsminister
Spahn: Höhepunkt der Corona-Ausbreitung noch nicht erreicht
Erkältungszeit
Unangenehmer Schleim im Hals: Diese fünf Tipps und Hausmittel helfen
Patientenansturm
Mit Schnupfen in die Notaufnahme: So erlebt eine Krankenschwester die Coronavirus-Panik
Quelle: Den ganzen Artikel lesen