Forschung: Pilzinfektionen anders bekämpfen
Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erkranken jedes Jahr weltweit mehr als eine Milliarde Menschen an Pilzinfektionen, rund 1,5 Millionen Betroffene sterben an den Folgen. Die derzeit erhältlichen Medikamente gegen solche Infektionen haben oft starke Nebenwirkungen. Forschende arbeiten nun an einem neuen, natürlicheren Wirkstoff.
Pilzinfektionen sind ein weit verbreitetes Beschwerdebild, die in äußerst unterschiedlichen Formen auftreten können. Häufig zeigen sie sich als Infektionen der Haut, wie etwa beim Fußpilz. Allerdings können Pilzinfektionen auch tödlich enden. Manche Infektionen können mit Hausmitteln behandelt werden. Doch oft sind Medikamente nötig, die teils mit heftigen Nebenwirkungen einhergehen. Forschende arbeiten nun daran, Pilzinfektionen auf eine neue Art zu bekämpfen.
Gravierende Folgen
Wie in einem aktuellen Beitrag von „scilog“, dem Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) erklärt wird, können Pilzinfektionen gravierende Folgen haben. So befallen die Organismen in der Landwirtschaft jede Art von Kulturpflanzen und machen teure und potenziell umweltgefährdende Fungizid-Anwendungen notwendig.
Und dem Menschen selbst macht nicht nur der Pilzbefall von Haut, Schleimhäuten und Nägeln Probleme, er kann gerade Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem – zum Beispiel nach Organtransplantationen – in Lebensgefahr bringen.
Bestehende Arzneimittel (Antimykotika), die Pilzinfektionen bekämpfen, haben aber häufig starke Nebenwirkungen und tragen zur Bildung von Resistenzen bei.
Günstigere und verträglichere Antipilz-Mittel
Die Mikrobiologin Florentine Marx-Ladurner arbeitet nun an einem neuen, natürlicheren Wirkstoff. Die Grundlagenforschung, die die Forscherin und ihre Arbeitsgruppe im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten internationalen Projekts „Das gamma-Core Motiv antifungaler Proteine aus Ascomyceten“ (2017-2022) an der Medizinischen Universität Innsbruck leisten, könnte zu deutlich günstigeren und verträglicheren Antipilz-Mitteln führen – sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Medizin.
Die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liegt hier auf natürlich produzierten Proteinen, die auch selbst in Pilzorganismen zu finden sind, zum Beispiel im Schimmelpilz Penicillium chrysogenum – jener Spezies also, der auch das berühmte erste Antibiotikum entstammt.
Unerschöpfliche Quelle an nutzbaren Substanzen
„Es ist nicht erstaunlich, dass Pilze auch antifungal wirksame Komponenten produzieren. Sie sind eine nahezu unerschöpfliche Quelle an Substanzen, die wir nutzbar machen können. Neben Penicillin stammen etwa auch bestimmte cholesterinhemmende Wirkstoffe aus Pilzen. Lange Zeit war auch Zitronensäure ein wichtiges Produkt, das aus Schimmelpilzen gewonnen wurde“, erklärt Marx-Ladurner.
Im Pilzorganismus selbst spielen die antifungalen Proteine eine Rolle bei der Bildung von Pilzsporen, die seiner Verbreitung dienen –, das konnte das Forschungsteam für Penicillium bereits nachweisen. Für einen weiteren Schimmelpilz, der in dem Projekt untersucht wird – Neosartorya fischeri – wird an einem derartigen Funktionsnachweis noch gearbeitet.
Wirkkraft belegt
Um die Wirkung gegen Pilze zu untersuchen, nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmte Strukturelemente der Proteine in den Fokus. Ein allgemeines Charakteristikum von Proteinen sind ihre komplexen 3D-Strukturen, die ihre Funktion wesentlich mitbestimmen.
Wie in dem Beitrag erläutert wird, sind manche dieser Strukturen, die durch die Anordnung von Aminosäuren entstehen, so gefaltet, dass sie dem griechischen Buchstaben γ – also Gamma – ähneln: In der Forschung spricht man dann von einem γ-Core-Motiv. Die antifungalen Proteine aus den Schimmelpilzen verfügen ebenfalls über Strukturelemente dieser Art.
Die Mikrobiologin und ihre Kolleginnen und Kollegen wiesen nach, dass diese γ-Core-Motive aus den antifungalen Proteinen bereits allein die gewünschte Wirkung aufweisen. „Wir haben zu diesem Zweck mithilfe von Forschungspartnern verschiedene Peptide hergestellt, also kleine organische Verbindungen, die nur aus den Protein-Abschnitten des γ-Core-Motivs bestehen“, erklärt Marx-Ladurner.
Damit konnten die Forschenden nicht nur deren Wirkkraft belegen, sondern es konnte auch gezeigt werden, wie man den antifungalen Effekt noch steigern kann. „Die Versuche machten klar, dass nicht die Anordnung der Aminosäuren im γ-Core-Motiv für die gewünschte Wirkung ausschlaggebend ist, sondern andere Faktoren: Ersetzt man die Aminosäuren mit solchen, die dem kurzen Motiv eine höhere Wasserlöslichkeit und positive Ladung verleihen, kann die antifungale Aktivität drastisch erhöht werden“, so die Forscherin.
Weitere Eigenschaften prüfen
Es müssen aber noch viele weitere ihrer Eigenschaften geprüft werden, bevor es diese Protein- oder Peptid-Varianten tatsächlich in die Praxis schaffen. Den Angaben zufolge werden Aspekte wie thermische Stabilität, ihr Zusammenwirken mit anderen Substanzen oder das Verhalten bei metabolischen Abbauprozessen untersucht, genauso wie die Effekte auf Körperzellen höherer Organismen, ob sie etwa die Zellmembranen schädigen oder Antikörper-Reaktionen hervorrufen.
„Es gibt viele Kriterien, die die Auswahl eines Wirkstoffes einschränken“, sagt Marx-Ladurner. „Zumindest bei einem der Proteine mit modifiziertem γ-Core-Motiv konnten wir bisher aber sowohl eine Effizienzsteigerung als auch hohe Stabilität und Thermotoleranz nachweisen.“
Erfolgreiche Wirkstoff-Kandidaten könnten in Zukunft als Pflanzenschutzmittel oder als Hautsalben Pilzinfektionen entgegenwirken. Doch selbst wenn dies erreicht ist, ist die Reise nicht vorbei. Wenn man die pilzhemmende Kraft der Proteine als Medikamente im menschlichen Körper nutzen möchte, wären weitere aufwendige Forschungen nötig.
Und auch in der Landwirtschaft gäbe es noch weitere Optionen. „Möglicherweise könnte man das Erbgut von Kulturpflanzen so modifizieren, dass sie das antifungale Protein – und damit also ihr eigenes Pflanzenschutzmittel – selbst produzieren. Ob das tatsächlich machbar ist, kann im Moment aber noch nicht beantwortet werden“, so Marx-Ladurner. (ad)
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