Mein liebes Tagebuch

Finde die Fehler: Die Mehrwertsteuer ist gesenkt und die Wirtschaft boomt. Die Gematik hat den Bau- und Fahrplan fürs E-Rezept auf den Tisch gelegt und ab Juli 2021 gibt’s das E-Rezept dann auf allen Smartphones. Das Apothekenstärkungsgesetz kommt im Herbst in den Bundestag und die EU-Kommission stimmt zu. Die ABDA will ihre Organisation analysieren und sich dann rundum erneuern. Wir Apothekers werden schon bald gegen Grippe impfen und die Ärzte lehnen sich entspannt zurück. Mit dem Patientendatenschutzgesetz wird das digitale Gesundheitsparadies Wirklichkeit und alle freuen sich über E-Rezept und E-Patientenakte.

29. Juni 2020

Manchmal braucht’s a bisserl Zeit, bis Vernunft einkehrt, auch in Bayern: Endlich müssen nun auch in diesem Bundesland Verkäufer*innen und Kassierer*innen keine Maske mehr tragen, wenn sie bei der Arbeit durch eine Plexiglasscheibe von der Kundschaft abgetrennt sind. Bayern akzeptiert geeignete Schutzwände als einen zuverlässigen Infektionsschutz. Endlich. Und das gilt, wie das Bayerische Gesundheitsministerium verlautbart, auch in öffentlichen Apotheken. Mein liebes Tagebuch, es wurde auch Zeit, dass hier Einsicht einkehrt. Zuvor mussten Apothekenmitarbeiter*innen im Freistaat trotz Plexiglasscheiben an den HV-Tischen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, auch im Backoffice – eine Zumutung und für viele in der Tat eine enorme Belastung: Mit Maske atmete man schlecht, die Brille beschlug und der Kunde verstand beim Beratungsgespräch nicht viel mehr als ein Nuscheln. Jetzt dürfen auch die bayerischen Apothekenmitarbeiter*innen mit offenem Visier kämpfen hinter Pexiglasscheiben. Für Kunden ist der Mund-Nase-Schutz allerdings nach wie vor Pflicht, auch in Apotheken.

 

Beschlossen: das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung zur Ankurbelung der Wirtschaft. Und damit auch die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent (bzw. von 7 auf 5 Prozent). Mein liebes Tagebuch, gigantisch, oder? Was das für Kaufanreize auslösen wird! Mir wird ganz schwindelig. Im Ernst: Ob diese Senkung wirklich die erhoffte Wirkung entfalten wird, darüber sind sich auch Experten uneins. Fraglich, ob der Handel die Absenkung an seine Kunden weitergibt. Wir Apothekers wollen doch nicht den Arzneimittelabsatz ankurbeln nach dem Motto: Kauft mehr Kopfschmerztabletten, jetzt nur mit 16 Prozent Mehrwertsteuer. Also, für uns Apothekers bringt das Spektakel Mehrwertsteuersenkung nichts, wir legen sogar drauf bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Wenn der Mehrwertsteuersatz auf 16 Prozent sinkt, vermindert der Kassenabschlag den Nettoumsatz. Für jedes abgerechnete Arzneimittel nehmen die Apotheken netto 4 Cent weniger ein. Freilich, ist nicht die Welt, aber es läppert sich. Und es geht ums Prinzip. Und außerdem macht die Mehrwertsteuersenkung zusätzlich Arbeit bei der Umetikettierung der Waren. Da fand sich allerdings eine offiziell akzeptierte Lösung: Man kann auf die Umetikettierung verzichten, wenn man einen Aushang in die Offizin hängt, mit dem man die Kunden informiert, dass man bei allen in der Apotheke ausgezeichneten Waren die Mehrwertsteuerreduzierung an der Kasse abzieht. Der Deutsche Apothekerverband hatte sich zwar bemüht, eine Ausnahme für Rx-Arzneimittel zu erwirken – vergebens. Bundestag und Bundesrat hatten kein Ohr für uns Apothekers, sie hatten es zu eilig mit ihrem Paket.

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