Krebs: Blutverdünner bremsen Metastasenbildung – Heilpraxis

Krebs: Blutverdünner bremsen Metastasen

Millionen Menschen hierzulande nehmen regelmäßig Gerinnungshemmer ein. Die Medikamente, die umgangssprachlich als Blutverdünner bezeichnet werden, hemmen die Bildung von Blutgerinnseln und senken so das Risiko für die Bildung von Thrombosen, Embolien und Schlaganfällen. Gerinnungshemmende Arzneimittel könnten auch beim Kampf gegen Krebs helfen.

Damit eine Hirnmetastase entstehen kann, müssen Krebszellen zunächst aus feinen Blutgefäßen in das Hirngewebe vordringen. Dazu beeinflussen sie die Blutgerinnung, wie Forschende nun bei Mäusen zeigen konnten. Die Krebszellen fördern aktiv die Bildung von Gerinnseln, was ihnen dabei hilft, sich in den feinen Hirngefäßen festzusetzten und dann durch die Gefäßwand in das Gehirn vorzudringen. Arzneimittel, die den Gerinnungsfaktor Thrombin hemmen, konnten die Anzahl der Hirnmetastasen in diesem experimentellen Modell reduzieren.

Komplikation fortgeschrittener Krebserkrankungen

Wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, sind Hirnmetastasen eine gefürchtete Komplikation fortgeschrittener Krebserkrankungen.

Laut den Fachleuten unterscheiden sich die verschiedenen Krebsarten in ihrer Tendenz, das Gehirn zu besiedeln. Schwarzer Hautkrebs in fortgeschrittenen Stadien beispielsweise bildet in fast der Hälfte aller Fälle Absiedlungen im Gehirn, auch bei bestimmten Formen von Brustkrebs sowie Lungenkrebs treten Hirnmetastasen sehr häufig auf.

Hirnmetastasen sind oft nicht operativ zu entfernen und sprechen häufig nicht langfristig auf Behandlungen an. „Bei Krebsarten, die sehr häufig ins Gehirn streuen, wäre den Betroffenen extrem geholfen, wenn wir eine präventive Behandlung zur Verfügung hätten, die verhindern kann, dass Hirnmetastasen entstehen“, sagt Frank Winker, Arbeitsgruppenleiter im DKFZ sowie Geschäftsführender Oberarzt an der neurologischen Universitätsklinik Heidelberg.

Möglicher Einfluss auf die Metastasierung

Aus Beobachtungsstudien war schon bekannt, dass antithrombotische Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, sich günstig auf die Prognose bestimmter Krebserkrankungen auswirken können. Diese Wirkstoffe beeinflussen möglicherweise die Metastasierung.

Ob dies auch für Hirnmetastasen gilt und wenn ja, auf welche Weise hier Blutgerinnung und Metastasierung zusammenhängen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem DKFZ und dem Universitätsklinikum Heidelberg nun an Mäusen.

Dazu nutzen die Forschenden eine spezielle mikroskopische Technik (in vivo multiphoton laser-scanning microscopy), die ihnen einen tiefen Blick in das Hirngewebe erlaubt und ermöglicht, einzelne Krebszellen zu verfolgen.

Deutlich weniger Metastasen entwickelt

Den Angaben zufolge erhielten die Mäuse Melanom- oder Brustkrebszellen in die Blutbahn gespritzt. Daraufhin setzten sich einzelne der zirkulierenden Tumorzellen in den feinen Blutkapillaren des Gehirns fest. Nur, wenn es diesen Zellen gelingt, durch die Gefäßwand ins Hirngewebe vorzudringen, können sie zur Hirnmetastase auswachsen.

Winker und seine Kolleginnen und Kollegen beobachteten, dass sich um die festgesetzten Tumorzellen häufig Blutgerinnsel – wissenschaftlich: Thromben – bildeten. Krebszellen, um die sich kein solches Gerinnsel bildete, schafften es jedoch nicht, die Kapillarwand zu durchdringen. „Offenbar hilft der Thrombus den Zellen dabei, sich lange in der Kapillare festzuhalten, um die Passage durch die Gefäßwand vorbereiten zu können“, so Winkler.

Das Forschungsteam fand heraus, dass die Tumorzellen offenbar direkt in die komplexe Kaskade der Blutgerinnung eingreifen und so die Entstehung der Thromben aktiv auslösen. Diese fördern die Entstehung des Gerinnungsfaktors Thrombin, der für die Bildung des langfaserigen Proteins Fibrin erforderlich ist, aus dem das Netzwerk des Gerinnsels hauptsächlich besteht.

Die Forschenden erkannten, dass die Thrombus-Bildung für Tumorzellen die notwendige Voraussetzung ist, um die Kapillare zu verlassen und damit den entscheidenden ersten Schritt zur Bildung einer Hirnmetastase zu gehen.

Also müsste ein Wirkstoff, der Thrombin hemmt, in der Konsequenz die Metastasierung unterdrücken, da er die Tumorzellen daran hindert, ins Hirngewebe vorzudringen. Und tatsächlich stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass Mäuse, die den bereits als Medikament zugelassenen Thrombin-Hemmstoff Dabigatran erhielten, signifikant weniger Metastasen entwickelten als unbehandelte Tiere.

Und auch die Hemmung eines weiteren Blutgerinnungsfaktors (von Willebrand-Faktor) mit spezifischen Antikörpern reduzierte bei den Mäusen die Bildung von Thromben – und in der Folge auch die Anzahl der entstehenden Hirnmetastasen.

Hirnmetastasen vorbeugen

„Wir konnten mit dieser Arbeit zeigen, dass vor allem der Einfluss der Krebszellen auf die plasmatischen Gerinnungsfaktoren die Entstehung von Hirnmetastasen begünstigt. Deshalb sollte ein präventives Medikament genau hier ansetzten“, sagt Manuel Feinauer, Erstautor der aktuellen Studie, die in der medizinischen Fachzeitschrift „Blood“ veröffentlicht wurde.

„Unser Ziel ist es, Wirkstoffe zur Prävention von Hirnmetastasen bei Hochrisikopatienten zu identifizieren“, erklärt Winkler. „Die Untersuchungen an Mäusen ist ein erster Schritt, um genau zu verstehen, auf welche Weise die Substanz die Besiedlung des Gehirns durch Tumorzellen verhindern kann“, so der Experte.

„Langfristig wollen wir diese Wirkstoffe dann in klinischen Studien testen. Dazu müssen wir zunächst noch besser verstehen, für welche Krebs-Unterarten dieser Mechanismus besonders wichtig ist, und auch, ob wir Patienten mit einem besonders hohen Risiko für Gehirnmetastasen noch besser identifizieren können.“

Die Forschenden sind optimistisch, denn Wirkstoffe, die Thrombin hemmen, haben zumindest einen bereits bekannten Vorteil: Sie werden bereits seit längerem schon zur Prävention von Schlaganfällen verordnet und gelten daher als vergleichsweise gut verträglich, auch über lange Zeiträume. (ad)

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