Das Verbot von Feuerwerkskörpern soll Kliniken in Pandemie-Zeiten entlasten. Doch bezwecken könnte es das Gegenteil. Chirurgen befürchten den vermehrten Einsatz von selbstgebauten oder illegalen Sprengkörpern. Dies könne „katastrophale Folgen“ mit sich bringen.
Am Sonntag, den 13. Dezember, haben sich Bund und Länder auf ein generelles Verkaufsverbot von Pyrotechnik geeinigt. Ein Entschluss, den Michael Raschke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie („DGU“), grundsätzlich befürwortet. Schließlich herrsche über Neujahr für gewöhnlich Hochbetrieb in der Unfallchirurgie. Gegenüber „Welt“ sagt der Mediziner: „Jede Verletzung aufgrund von Feuerwerkskörpern um die Silvesterzeit ist eine zu viel.“
Die Verletzungen, mit denen Raschke und seine Kollegen jährlich in der Silvesternacht konfrontiert werden, würden eine große Bandbreite aufweisen. Von oberflächlichen Verbrennungen bis hin zu Amputationsverletzungen an Armen und Beinen oder auch schweren Augenverletzungen sei alles dabei.
Chirurgen warnen vor Gebrauch von illegalen Sprengkörpern
Während der angespannten Corona-Lage sei deswegen jede mögliche Entlastung wünschenswert. Schließlich sei die Personalsituation in den Kliniken schon jetzt angespannt. Doch als Entwarnung betrachtet Raschke, seit 2003 Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster, das Böllerverbot nicht.
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Der Chirurg befürchtet, dass dieses Jahr viele Menschen kreativ werden, um den Jahreswechsel wie gewohnt mit Feuerwerk begehen zu können. „Wir müssen auch mit Ausweichbewegung durch selbstgebaute oder illegale Sprengkörper rechnen“, sagt Raschke der „Welt“. Dies könne schwere Folgen mit sich ziehen. Denn gerade bei der Verwendung offiziell nicht zugelassener Sprengkörper käme es erfahrungsgemäß zu „katastrophalen Fällen.“
Feuerwerks-Branche befürchtet „mehr Menschen im Krankenhaus“
Auch die Pyrotechnik-Branche hegt Zweifel, ob ein Verkaufsverbot per se zu weniger Silvester-Unfällen in den Kliniken führt. Klaus Gotzen, Sprecher vom Verband der pyrotechnischen Industrie („VPI“), äußert sich gegenüber „Welt“: „Ein Verbot der zugelassenen und sicheren Artikel treibt im schlimmsten Fall sogar mehr Menschen ins Krankenhaus.“ Er plädiere deswegen an die Politik, illegale Einfuhren stärker kontrollieren zu lassen.
Die sind auch ohne das Böllerverbot 2020 ein Problem. An der Grenze zu Polen wird das ganze Jahr über immer wieder in Deutschland nicht zugelassenes Feuerwerk beschlagnahmt. Im vergangenen Jahr rechnete der Zoll etwa mit rund zehn Tonnen beschlagnahmter Pyrotechnik – und das allein im Grenzgebiet zu Polen. Darunter ist laut Hauptzollamt Frankfurt (Oder) immer häufiger gefährliche Ware, die zwar zertifiziert ist, aber nur von ausgebildeten Pyrotechnikern gezündet werden darf.
Notfallmediziner: Mehrbelastung für Rettungsdienst, aber nicht für Intensivmedizin
Thomas Schneider, Chefarzt der Notfallmedizin am St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, ist indes der Ansicht: Patienten, die wegen eines Unfalls mit Feuerwerkskörpern Krankenhäuser aufsuchen, bedürfen bis auf wenige Ausnahmen keiner Intensivtherapie. Schneider sagte im November: „Eine Mehrbelastung gibt es in der Silvesternacht für den Rettungsdienst und die Feuerwehr, in der Folge dann auch für die Notaufnahme. Ursache sind Verletzungen durch Feuerwerkskörper und Glassplitter sowie Alkoholvergiftungen.“
Die Behandlung anderer Patientengruppen, zum Beispiel von Covid-Patienten, würde durch Böllerverbote nicht beeinflusst, heißt es auch von einer Sprecherin der Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden.
Chefarzt Schneider befürworte jedoch jede Maßnahme, die helfe, größere Menschenansammlungen zu vermeiden: „Feuerwerk ist eine typische Veranstaltung mit hohem Aufkommen an Menschen und damit zurzeit erhöhter Infektionsgefahr.“
Kontaktbeschränkungen werden zu Silvester nicht gelockert
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich im Zuge der sich weiter stark ausbreitenden Corona-Pandemie auf das Böllerverbot geeinigt. Um die hohen Fallzahlen in den Griff zu bekommen, wird das öffentliche Leben vom kommenden Mittwoch (16. Dezember) bis zum 10. Januar stark heruntergefahren.
Lockerungen der strengen Kontaktbeschränkungen gibt es zu Weihnachten für Feiern im engsten Familienkreis, nicht aber zum Jahreswechsel. Am Silvester- und Neujahrstag gelten bundesweit ein An- und Versammlungsverbot sowie ein Feuerwerksverbot auf vielbesuchten Plätzen, die von den Kommunen festgelegt werden.
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