Ex-Abteilungsleiter: „Würste hätten auf Müll gehört – dann wurden sie verkauft“

Das Veterinäramt des Landkreises Waldeck-Frankenberg hat die Firma Wilke Wurstwaren in Twistetal-Berndorf geschlossen. Grund dafür sind zwei Todesfälle, die mit Produkten der Firma in Zusammenhang stehen. Nun hat das Unternehmen Insolvenz beantragt. Die weiteren Entwicklungen im News-Ticker.

Ex-Abteilungsleiter: "Würste hätten auf den Müll gehört – dann wurden sie verkauft"

21.44 Uhr: Ein langjähriger Abteilungsleiter in der Wilke-Produktion packt über offenbar katastrophale Zustände bei dem Unternehmen aus. „Oft wurde so viel Wurst produziert, dass sie nicht mehr ins Kühlhaus passte, sondern im Gang davor gelagert wurde. Darum wurden die Würste nicht genug gekühlt. Es entstand Schimmel, erst auf dem Darm, dann im Darm. Spätestens dann hätten sie auf den Müll gehört! Sie wurden aber in Scheiben geschnitten und verkauft. 2018 kündigte ich", erzählt Andreas Fischer der "Bild am Sonntag".

Ein weiterer Mitarbeiter berichtet von Mäusedreck im Produktionsbereich, von der er ein Foto gemacht habe – "die Geschäftsführerin zwang mich, es zu löschen". Eine andere Angestellte sagt, dass sie schimmlige Trockensalami für eine Lieferung fertigmachen sollte. Dem Chef sei der Zustand der Wurst egal gewesen. "Er maulte mich dann an, sagte: ‚Egal, das muss heute noch weg, putz es schnell, Etikett drauf und weg‘“, so die Frau zur „Waldeckischen Landeszeitung“. Viele Mitarbeiter hätten nicht einmal Hygieneschulungen absolviert.

Information über Wurst-Rückruf durch Feiertag verzögert

13.15 Uhr: Nach zwei Todesfällen durch keimbelastete Wurst aus einem Betrieb in Hessen ist es wegen des Feiertags diese Woche zu Verzögerungen bei der Information über den Produktrückruf gekommen. In Köln zum Beispiel hat die Stadt erst am Freitag alle betroffenen Großhändler erreicht – drei Tage nach der Schließung des nordhessischen Betriebs. Der Ablauf sei durch den Feiertag am Donnerstag erschwert gewesen, sagte ein Stadtsprecher am Samstag.

Die hessischen Behörden hatten die Produktion des Unternehmens Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren in Twistetal-Berndorf am Dienstag vorläufig geschlossen und einen Produktrückruf angeordnet.

Das Kölner Verbraucherschutzamt sei am Donnerstag von der zuständigen NRW-Landesbehörde informiert worden, dass neun Kölner Großhändler mit Wurstwaren der Firma beliefert worden seien, sagte ein Stadtsprecher am Samstag. «Wegen des Feiertags wurden vom Verbraucherschutzamt nicht alle Großhändler unmittelbar erreicht», teilte die Stadt mit. Erst im Laufe des Freitags sei es gelungen, alle Großhändler zu informieren, sagte der Sprecher.

Die Großhändler seien von der Stadt aufgefordert worden, «alle Abnehmer/Kunden der bereits ausgelieferten Ware zu benachrichtigen». Wie viele von dem Rückruf betroffene Produkte in Köln tatsächlich noch ausgeliefert wurden, ist unklar. Die Stadt erwarte nun eine Dokumentation der betroffenen Großhändler.

Am Freitag hatte bereits die Kölner Uniklinik Fehler nach dem Rückruf der Wilke-Wurstwaren eingeräumt. Einige Reha-Patienten hätten trotz des Rückrufs noch Wurstwaren der Firma Wilke bekommen, hatte die Klinik mitgeteilt.

Großhändler ruft mehrere Wurstwaren aus Wilke-Produktion zurück

Samstag, 5. Oktober, 10.57 Uhr: Im Wurst-Skandal um das nordhessische Unternehmen Wilke Wurstwaren ruft der Großhändler Igro verschiedene Produkte zurück. Der Fachgroßhandel für Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung teilte den Rückruf auf seiner Homepage mit. Auch dieses Unternehmen erfuhr aus der Presse von dem Vorfall, veröffentlichte seine Mitteilung bereits am Mittwoch. "Vorsorglich haben wir uns entschieden, die Ware komplett zu sperren. Wir bitten Sie dringendst vorrätige Produkte der Firma Wilke (…) nicht zu verzehren", heißt es in der Mitteilung von Igro.

Wilke Wurstwaren: Haus von Geschäftsführer durchsucht

20.28 Uhr: Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll am Freitagmittag das Haus des Wilke-Geschäftsführers durchsucht worden sein. Die Ermittler hätten dabei jedoch nichts beschlagnahmt. Lediglich auf dem Firmengelände habe man einen Laptop und Akten beschlagnahmt.

Ob die Durchsuchung mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kassel im Listerien-Skandal zu tun hat, ist nicht bekannt. Diese richten sich aktuell gegen keine konkrete Person, man gehe jedoch dem Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung nach, hatte eine Sprecherin am Freitag erklärt.

Uniklinik Köln räumt Fehler nach Wurst-Rückruf ein

19.20 Uhr: Das Universitätsklinikum Köln hat nach dem Rückruf von Wurstwaren durch den hessischen Hersteller Wilke einen Fehler bei einer Tochtergesellschaft eingeräumt. "Aufgrund der Kurzfristigkeit und des Zeitpunktes der Information ist es im Zusammenhang mit unserer Tochtergesellschaft UniReha zu einem Fehler innerhalb der Speisenversorgung gekommen, so dass einigen Reha-Patienten dennoch Wurstware der Firma Wilke angeboten worden ist", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Uniklinik Köln am Freitagabend.

Für Nachfragen, zu welchen Zeitpunkt und wie viele Reha-Patienten vom Rückruf betroffene Wurst des Herstellers Wilke noch erhalten haben, war die Uniklinik Köln am Freitagabend nicht zu erreichen.

In der Erklärung der Uniklinik Köln heißt es weiter, sie sei am Mittwoch (2. Oktober) um 17.45 Uhr durch ihren Fleisch-Zulieferer per E-Mail informiert worden, dass sämtliche Produkte des Wurstherstellers der Firma Wilke zurückgerufen werden. "Daraufhin haben wir unverzüglich damit begonnen, die Verteilung der Wurstwaren zu stoppen", erläuterte der Sprecher des Universitätsklinikum Köln weiter. "Die in den Medien genannten, vermutlich kontaminierten Wurstsorten des Herstellers sind in der Uniklinik Köln jedoch nicht verwendet worden", betonte er.

Hinweis: Die Meldung über einen Rückruf von Münchner Weißwürsten durch einen Großhändler hat sich als falsch erwiesen. Darüber hinaus gibt es keinen Zusammenhang mit dem Listerien-Skandal um die Firma Wilke. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Mehr dazu lesen Sie hier bei "produktwarnung.eu".

17.33 Uhr: Auch Kaufland ruft nun Wurst zurück, die in drei Filialen an der Theke verkauft wurde und womöglich nicht direkt als Produkt der Firma Wilke zu erkennen ist. Alle Infos dazu lesen Sie hier.

Zuvor war bekannt geworden, dass Wilke-Produkte auch unter anderem Namen in den Verkauf gelangt sind. Die Produkte waren auch in Produkten der Metro verarbeitet. Der Großhändler rief daher gesondert folgende Produkte zurück:

  • Aro Pizzasalami 1000g,
  • Aro Peperonisalami 1000g,
  • Metro Chef Pizzasalami geschnitten 1000g,
  • Metro Chef Peperonisalami geschnitten 1000g.

Die Seite Produktwarnung.eu hat außerdem weitere Großhändler aufgelistet, die aktuell betroffen sind:

  • Wurstwaren-Großhändler – Hans Kremers GmbH (Das Unternehmen hat eine Vertriebsliste zur Verfügung gestellt)
  • GRAPO GmbH – Gastronomiebedarf
  • SB Union Großmarkt GmbH / EDEKA Foodservice
  • Domino Gastro e.G.
  • igro-Schmidt GmbH & Co.KG

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung

17:10 Uhr: Die Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH hat nicht nur die Produktion eingestellt und Insolvenz angemeldet. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Kassel wegen fahrlässiger Tötung. Es gebe einen Anfangsverdacht, sagte eine Sprecherin. Dieser richte sich noch nicht gegen eine konkrete Person.

Woher die Keime kamen, ist weiterhin unklar. Die Behörden erhoffen sich neue Hinweise. Man warte auf den Bericht der Arbeitsgruppe, die den Betrieb untersucht habe, sagte Wecker.

Laut Lebensmittelwarnung.de sind aktuell folgende Bundesländer betroffen:

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

Kein Zusammenhang mit Fällen in den Niederlanden

Auch in den Niederlanden werden Todesfälle durch die Keime gemeldet – ohne Bezug zu Wilke: In den vergangenen zwei Jahren waren in den Niederlanden drei Menschen durch Listerien in Wurstwaren gestorben und eine Frau hatte eine Fehlgeburt erlitten. Der Aufschnitt kam danach von einer Firma in Aalsmeer. Der Betrieb wurde vorläufig stillgelegt.

Foodwatch prangert an: Wilke-Wurst-Produkte in Kölner Klinik am Feiertag weiter ausgegeben

15.14 Uhr: Der Rückruf von Wurstprodukten des Herstellers Wilke aufgrund einer möglichen Belastung mit gefährlichen Listerien hat sich zunächst nicht ausreichend verbreitet. So wurden nach Informationen von Foodwatch in der Reha-Einrichtung “UniReha“ des Universitätsklinikums Köln noch am Feiertag (3. Oktober) zum Frühstück vom Rückruf betroffene Wilke-Produkte an Patienten ausgegeben. Dies sei der Verbraucherorganisation von mehreren voneinander unabhängigen Quellen berichtet.

Für die Essensausgabe sei nach Kenntnis von Foodwatch nicht das Uniklinikum, sondern ein Caterer verantwortlich. Es müsse nun geklärt werden, ob beziehungsweise wann dieser die Informationen über den Rückruf erhalten hatte.

Die Verbraucherorganisation hat noch ein weiterer Hinweis über den angeblichen Weiterverkauf von Wilke-Produkten nach dem öffentlichen Rückruf erreicht, konnte dies jedoch noch nicht verifizieren.

“Wir erwarten von den hessischen Behörden eine Auskunft zu der Frage, ob die von Wilke belieferten Unternehmen direkt über den Rückruf informiert wurden. Das ist dringend geboten, damit Großküchen, Restaurants, Wursttheken oder Krankenhäuser die möglicherweise gesundheitsgefährdenden Produkte nicht weiter verbreiten“, erklärte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.

Dass zwei Tage nach Schließung der Produktion von Wilke das Unternehmen und die zuständigen Behörden noch immer keine Listen der Verkaufsstellen und der vom Rückruf betroffenen Produkte und Marken vorlegen könnten, ist laut der Verbraucherorganisation “ein handfester Skandal“.

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Wilke-Wurstprodukte gingen doch unter anderem Namen in den Handel

Update: 4.10.19, 14.54 Uhr: Entgegen der Darstellung von Behörden wurde offenbar doch Fleisch des wegen Keimen geschlossenen Wurstherstellers Wilke unter anderem Namen verkauft. Man habe alle Produkte der Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH aus dem Sortiment genommen, sagte eine Sprecherin des Großhändlers Metro am Freitag. Darunter seien auch Metro-Eigenmarken gewesen. Behörden hatten zuvor in anderen Produkten von Wilke mehrfach Listerien-Keime nachgewiesen. Sie bringen zwei Todesfälle in Südhessen damit in Verbindung.

Der Landkreis Waldeck-Frankenberg als Aufsichtsbehörde hatte am Mittwoch noch erklärt, es gebe keine Wilke-Waren unter anderem Namen. Daher sei keine Liste der Produkte nötig, die aktuell weltweit zurückgerufen werden. Die Verbraucherorganisation foodwatch kritisiert das und hatte erklärt, dass Wilke auch der Hersteller einiger Produkte sei, die Metro unter der Eigenmarke "Aro" vertreibe.

Metro betonte, auf eigene Initiative tätig geworden zu sein. Bereits am Mittwoch habe man vor Eintreffen des Rückrufs alle Wilke-Produkte aus den Regalen genommen und die Kunden direkt informiert. Metro nehme zudem bei Eigenmarken zusätzliche Stichproben. Dabei sei Wilke in den vergangenen sechs Monaten nicht auffällig gewesen.

Was bisher bekannt ist

Stand 4.10.19, 14.30 Uhr: Wie die "Hessisch-Niedersächsische Allgemeine" (HNA) berichtet, handelt es sich bei den Toten um zwei ältere Menschen aus Hessen. 37 weitere Erkrankungen sollen durch Wilke-Produkte ausgelöst worden sein, schreibt die Zeitung. Alle Produkte der Firma – mit Ausnahme der Vollkonserven – werden weltweit zurückgerufen. Wilke beliefert in Deutschland vor allem Restaurants und Großküchen aber auch Supermärkte. Dazu schickt die Firma ihre Waren laut "HNA" auch in zahlreiche Länder außerhalb Europas. 200 Mitarbeiter sind von der Schließung des 80 Jahre alten Unternehmens betroffen. Der zuständige Landrat sagt dem Blatt: "Wie es für die Mitarbeiter weiter geht, ist völlig unklar." Es habe aber keine andere Option gegeben.

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Wilke hat Insolvenzverfahren beantragt

Das Unternehmen ist außerdem in wirtschaftliche Schieflage geraten. Wilke habe die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens beantragt, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts Korbach am Freitag. In einem solchen Verfahren werde geprüft, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens vorliegen.

Das Unternehmen geht nach eigenen Angaben auf eine Dorfmetzgerei vor mehr als 80 Jahren zurück. Die Firma beschäftigt nach Zahlen auf seiner Homepage rund 200 Mitarbeiter und exportiert Waren weltweit.

Das saarländische Verbraucherministerium hat nun bestätigt, dass Wilke auch Kunden im Saarland beliefert hat. Das berichtet der "SR". Detailangaben, an wen Wilke geliefert hat, gebe es noch nicht.

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