Dänemark hebt fast alle Corona-Maßnahmen auf – drei Faktoren verhindern das bei uns

Trotz 5000er-Inzidenz verabschiedet sich Dänemark am 1. Februar von den allermeisten Corona-Maßnahmen. Selbst die Maskenpflicht fällt. Ähnlich geht aktuell Großbritannien vor. Was Experten dazu sagen – und wie sich die Situation in Deutschland unterscheidet.

Trotz Zehntausender Neuinfektionen pro Tag will Dänemark künftig fast ohne Corona-Maßnahmen auskommen. Von kommendem Dienstag, dem 1. Februar, an müssen die Dänen an den meisten Orten keine Masken mehr tragen oder Impfnachweise zeigen, wie Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Mittwoch in Kopenhagen ankündigte. Diskotheken sollen wieder normal öffnen, Großveranstaltungen in vollem Umfang stattfinden.

Damit folgt ihre Regierung den Weisungen der zuständigen dänischen Corona-Kommission. Sie hatte empfohlen, die Notfallmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie – und damit die meisten Beschränkungen – auslaufen zu lassen.

Dänemark sagt "Hallo zu dem Leben, das wir vor Corona kannten"

Frederiksen bezeichnete den Schritt als Meilenstein. "Wir sagen Auf Wiedersehen zu Einschränkungen und Hallo zu dem Leben, das wir vor Corona kannten", sagte die Regierungschefin. Die hohe Impfbereitschaft habe sich als "Superwaffe" herausgestellt, so Frederiksen weiter. Omikron rufe seltener schwere Krankheitsverläufe hervor und die Zahl der Krankenhauseinweisungen sei verhältnismäßig gering.

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Bei einer Inzidenz von 5444 Fällen pro 100.000 Einwohner in einer Woche liegen aktuell 938 Covid-Patienten in dänischen Krankenhäusern; davon lediglich 40 auf Intensivstationen. 25 werden nach Angaben des staatlichen Serum-Instituts künstlich beatmet.

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  • Kommen die Lockerungen zu früh?

    Experten bewerten die Abschaffung der Corona-Maßnahmen dennoch teilweise skeptisch. Der Mathematiker und Epidemiologe Viggo Andreasen von der Universität Roskilde unterstützt die Lockerungen zwar im Prinzip. Allerdings hätte er sich für eine leichte Verzögerung ausgesprochen.

    Er fürchtet, dass bei noch höheren Infektionszahlen – und davon ist künftig auszugehen, wenn die zentralen Schutzmaßnahmen nicht mehr gelten – so viele Menschen gleichzeitig krank werden könnten, dass es immer noch Probleme für Krankenhäuser, Pflegeheime oder Schulen bedeuten könnte.

    Ähnlich hatte sich Epidemiologe Ralf Reintjes zuletzt in Bezug auf die ebenfalls öffnenden Briten geäußert. Ob es generell eine gute Idee ist, „mitten im Winter“ alle Maßnahmen fallen zu lassen, stellte er auf Nachfrage von FOCUS Online in Frage und warnte vor einem „weiteren Zerreißtest“ für das Gesundheitssystem.

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    Diese Gründe sprechen gegen breite Öffnungen in Deutschland

    Deutschland sei von einer endemischen Corona-Situation, in der zumindest die meisten Corona-Beschränkungen fallen könnten, aber ohnehin noch „viel weiter“ entfernt.

    • Einerseits liege unsere Durchimpfungsquote dafür noch deutlich zu niedrig.
    • Andererseits sei die Durchseuchung weniger fortgeschritten.

    Dies gilt sowohl im Vergleich zu Großbritannien als auch zu Dänemark.

    Während Großbritannien mit knapp 71 Prozent zwar eine ähnliche Impfquote in Sachen Grundimmunisierung, also zwei Corona-Impfungen, wie Deutschland meldet, ist dort fast jeder Vierte nachweislich von einer Infektion genesen. Bei uns sind es nur etwa elf Prozent. Die Quote bei den Zweifachgeimpften liegt bei 73 Prozent.

    In Dänemark sind beide Werte deutlich höher: Mehr als 81 Prozent sind doppelt geimpft, zudem gelten mehr als 28 Prozent als Genesene. Über 60 Prozent der Bevölkerung haben darüber hinaus bereits eine dritte Dosis eines Corona-Impfstoffs erhalten. In Deutschland und Großbritannien gilt das nur für etwa jeden Zweiten. 

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    Deutschlands Problem: Drei Millionen ungeimpfte Risikopatienten

    Besonders relevant ist die Impfquote bei den Über-60-Jährigen, da sie trotz tendenziell milderer Omikron-Verläufe ein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-Erkrankung haben. In Dänemark liegt diese laut offizieller Zahlen bei etwa 95 Prozent. Bei uns gibt sie das Gesundheitsministerium mit 88 Prozent an.

    Das klingt vergleichbar viel, bedeutet allerdings, dass weiterhin etwa drei Millionen Menschen über 60 Jahren nicht geimpft sind. Sie zu schützen, sei der Hauptgrund für die Maßnahmen, die wir zurzeit wegen der Omikron-Welle einsetzen. Hätten wir die nicht, könnten wir ähnlich lockern wie andere Länder, sagte Epidemiologe Timo Ulrichs gegenüber FOCUS Online.

    Weiterer Grund gegen Lockerungen: Omikron-Peak ist noch nicht erreicht

    Lockerungen verhindert in Deutschland derzeit aber noch ein weiterer Grund: der Peak bei den Neuinfektionen ist anders als zum Beispiel in Dänemark noch nicht zu sehen. Die Omikron-Welle setzte bei uns später ein und hat sich aufgrund konstant geltender Maßnahmen langsamer aufgebaut als anderswo.

    Entsprechend erklärte Epidemiologe Ralf Reintjes: "Ich empfehle in den nächsten Wochen, bis die große Omikron-Welle vorbei ist, noch sehr vorsichtig zu sein. Danach, im Frühling und Sommer, wird sich die Situation wahrscheinlich deutlich entspannen." Experten wie der Statistiker Christian Hesse rechnen mit dem Höhepunkt der Welle in Deutschland bis Mitte Februar.

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    Regierung lehnt Ende der Covid-Maßnahmen bisher ab

    Bund und Länder lehnen Corona-Lockerungen vorerst ab. Das Bundesgesundheitsministerium erläuterte kürzlich, sie wirkten und hätten eine Entschleunigung erreicht, so dass die Omikron-Ausbreitung keine "Steilwand" geworden sei. Diesen Weg wolle man fortsetzen.

    Doch auch Ministerpräsidentin Frederiksen mahnte die Dänen trotz fallender Maßnahmen, weiter Rücksicht zu nehmen auf Risikogruppen wie Ältere, gesundheitlich Geschwächte und Menschen mit chronischen Erkrankungen. "Jeder muss sich auch in einem offenen Dänemark sicher fühlen", sagte die sozialdemokratische Politikerin. Als einzige Maßnahmen bleiben sollen vorerst eine Testpflicht für einige Einreisende sowie nicht verpflichtende Empfehlungen zu Tests und anderen Vorsichtsmaßnahmen.

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