Alles nur "Panikmache", "unsinnige" Verbotsregeln: Wolfgang Wodargs steile Thesen im Faktencheck

In Krisenzeiten wissen Menschen oft nicht, wem sie glauben, was sie tun und was sie lassen sollen. Dann schlägt die Stunde der Populisten, der Rauner und Abwinker. In den vergangenen Tagen machte etwa der Lungenarzt und ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD Wolfgang Wodarg mit steilen Thesen zum neuartigen Coronavirus von sich hören. Interviews mit ihm auf Youtube wurden millionenfach angeschaut. Einige seiner Behauptungen im Faktencheck:

Ist das Virus gar nicht neu? Experten widersprechen

Behauptung: Das Virus sei vielleicht gar nicht so neu. Man könne nicht wissen, “ob nicht schon in Peking oder in Italien früher diese Viren vorhanden waren”. Man habe “nie danach suchen können und nie danach gesucht”.

Bewertung: Das Virus ist nach übereinstimmender Ansicht von Forschern kürzlich zum ersten Mal bei Menschen aufgetreten. 

Virologe

Der Aufklärer: So wurde Christian Drosten zum wichtigsten Mann Deutschlands

Fakten: Wie neu genau Sars-CoV-2 ist, ist schwer zu sagen. Allerdings bezweifeln Forscher, dass es das Virus schon Jahre vor den ersten Krankheitsfällen in China gab, “allenfalls wenige Monate vor der Entdeckung im Dezember”, schätzt der Frankfurter Virologe Martin Stürmer. “Sollte dieses Virus schon vorher in Italien oder China vorhanden gewesen sein, hätte man die Erkrankten erkannt, die negativ auf die bekannten Atemwegserreger sind, und hätte nach dem neuen Erreger gesucht – so wie im Dezember in China”, sagt auch Stephan Becker vom Institut für Virologie der Universität Marburg.

Weitere Hinweise darauf, dass es sich um einen neuen, sich rasch verbreitenden Erreger handelt, geben laut dem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Jörg Janne Vehreschild, die Daten zum Krankheitsverlauf. In den meisten Statistiken sei etwa zwei Wochen nach Anstieg der Fallzahlen auch ein Anstieg der Sterbezahlen zu sehen. Wäre das Virus von vornherein in der gesamten Bevölkerung verbreitet gewesen, wäre das Muster ein anderes. 

Wolfgang Wogard glaubt an Geldmacherei

Behauptung: Der in Deutschland entwickelte Corona-Test sei “noch nicht mal validiert”. Er könne möglicherweise auf viele Viren positiv reagieren, nicht nur auf das neuartige Sars-CoV-2. Wodarg suggeriert, man mache einen Hype um das Coronavirus, damit Forscher mit den Tests Geld verdienen könnten.

Bewertung: Die Tests wurden in einer Art vereinfachtem Verfahren validiert, um schnell verfügbar zu sein. Sie reagieren zwar auf mehrere Viren, außer dem neuartigen Coronavirus treten diese aber nicht oder nicht mehr beim Menschen auf. Die Kosten für einen Test tragen die Krankenkassen.

Fakten: Ein Test auf das neuartige Coronavirus wurde von einem Team um den Virologen Christian Drosten an der Berliner Charité entwickelt. In einer klinischen Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst auf verschiedene Typen von Viren getestet. Nach Bekanntwerden der Virus-Sequenz von Sars-CoV-2 wählte das Team aus der Vielzahl an Tests die passendsten aus und führte gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Rotterdam, Hongkong und London weitere Untersuchungen durch.

Appell an die Nation

Wutrede zu Corona-Verhalten: Wenn selbst Pocher ernst wird, ist es ernst

Bisher ist der Test nur vorläufig validiert. Das hängt auch mit der derzeitigen Dringlichkeit zusammen. Martin Walger, Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Industrie (VDGH), sagte der “Welt” bereits im Januar: “In einer akuten Gefährdungslage wie jetzt würde es viel zu lange dauern, einen Test auf herkömmlichem Wege auf den Markt zu bringen.”

Der Test fällt zwar auch bei anderen Viren positiv aus, diese Information sei aber irreführend, sagt Drosten in einem Podcast des NDR. Denn diese Viren träten nur bei Fledermäusen auf oder existierten nicht mehr – so etwa das alte Sars-Virus von 2002. “Dieser Test reagiert gegen kein anderes Coronavirus des Menschen und gegen kein anderes Erkältungsvirus des Menschen.”

Die Tests auf Sars-CoV-2 werden wie üblich nach den Honorarordnungen der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen abgerechnet. Drosten selbst stellt klar: “Wir verdienen keinen Cent, im Gegenteil: Wir zahlen sehr viel drauf.” 

Corona-Falschmeldungen

Atem anhalten und man weiß, ob man infiziert ist!? Die krudesten Fake-News zu Corona

“Unsinniger Freiheitsentzug” – Italien belehrt uns eines Besseren

Behauptung: Die Coronakrise sei ein “Hype”. Die Krankenhäuser würden belastet “durch die vielen Fragen und durch die Panik, aber nicht durch neue Krankheitsfälle”. Es seien “leichtfertige und unberechtigte Quarantänemaßnahmen und Verbotsregelungen” in Kraft – und “gegen einen unsinnigen Freiheitsentzug sollte man sich zur Wehr setzen”.

Bewertung: Diese Behauptungen widersprechen den Erkenntnissen von Forschern weltweit. Sie werden auch durch die Berichte aus Ländern widerlegt, in denen hohe Fallzahlen verzeichnet werden, etwa Italien. Behördlichen Maßnahmen nicht Folge zu leisten, gefährdet die Gesundheit und kann strafbar sein.

Fakten: Wer in den vergangenen Tagen Berichte aus Norditalien gelesen hat, der weiß: Die Menschen in den Krankenhäusern von Bergamo oder Brescia sterben nicht an Panik oder offenen Fragen, sondern in sehr vielen Fällen an Covid-19. Wie hoch der Anteil von Covid-19-Erkrankten ist, die daran sterben, lässt sich erst nach dem Ende der Pandemie genau berechnen. Er dürfte nach Angaben der WHO bei einigen Promille liegen, also wenigen Fällen von Tausend. 

Appell an die Nation

Wutrede zu Corona-Verhalten: Wenn selbst Pocher ernst wird, ist es ernst

Das große Problem bei Covid-19 ist der verhältnismäßig hohe Anteil Erkrankter, die intensivmedizinisch betreut werden müssen. Die Fallzahlen sollen deshalb durch die aktuellen Vorkehrungen zu jeder Zeit so gering wie möglich gehalten werden, um die Intensivstationen zu entlasten. Der Virologe Stürmer hält – wie auch seine Kollegen – das Vorgehen in der jetzigen Situation für angemessen. “Wenn wir jetzt nicht aufpassen, bekommen wir auf den Intensivstationen Verhältnisse wie zum Teil in Italien. Dann müssten Ärzte entscheiden, wem sie ein Bett auf der Intensivstation geben und wem nicht.”

Gefährlich ist ein Aufruf dazu, sich gegen einen “unsinnigen” Freiheitsentzug “zur Wehr zu setzen”, übrigens nicht nur aus gesundheitlichen Gründen. Wer sich einer Anordnung zur Quarantäne oder einer eventuellen Ausgangssperre widersetzt, macht sich unter Umständen strafbar.

Alles über Corona

News zum Coronavirus

Bayern und Saarland erlassen Ausgangsbeschränkungen – Gastronomie ab Mitternacht wohl bundesweit geschlossen

stern Reisewelten

Westeuropa Kreuzfahrt ab Hamburg mit All Inclusive ab 499 Euro

Alternative Treibstoffe

Die Spritmacher: Diese Firma stellt aus Luft, Wasser und Strom Treibstoffe her


Entscheidung steht an

Ausgangssperre: Was das bedeutet und worauf wir uns im Alltag einstellen müssen

Bei Verdacht

Berliner Charité veröffentlicht Coronavirus-Testapp – 26 Fragen zur Selbsteinschätzung

Kampf gegen das Coronavirus

Ab Freitagnacht: Bayern kündigt Ausgangsbeschränkungen an

Covid-19-Pandemie

Bis zu 15 Jahre Haft: Rumänien führt Haftstrafen bei Verletzung von Corona-Auflagen ein

Corona-Einschränkungen

Psychotherapeutin gibt Tipps: So erhalten Sie Ihre geistige Gesundheit in Isolation

Statements zur Corona-Krise

Harry und Meghan vs. William: So unterschiedlich wenden sie sich an die Öffentlichkeit

Covid-19

Studie gibt Prognose zur Dunkelziffer der Fälle


Coronakrise in Großbritannien

Journalistin kritisiert britische Politiker: "Die Sparpolitik hat unseren Staat stark beschädigt"



ntv-Gespräch

Lindner fordert Steuerrückzahlungen zur Bekämpfung der Coronakrise

Coronavirus-Krise

"Die wollen hier keine Deutschen mehr" – in Indien gestrandete Deutsche bitten verzweifelt um Hilfe

Bilder in sozialen Netzwerken und Chats

Welche Grafiken die Coronavirus-Pandemie gut erklären – und welche nicht

Polizei warnt

Betrüger nutzen Angst vor Coronavirus, um ältere Menschen um ihr Geld zu bringen

Mehr als 3400 Tote

Corona-Lage in Italien immer dramatischer – Krankenschwester: "Druck ist unbeschreiblich!"

Arbeiten trotz Coronavirus

Erfahrungen im Homeoffice: Wenn die Kinder in die Videokonferenz platzen

Bestattungen zu Corona-Zeiten

"Das eigentliche Problem entsteht, wenn man aus Angst vor Corona nicht trauern kann"

Die Welt nach Corona

Die Krise kann eine Chance sein – wenn wir jetzt alles richtig machen. Und Glück haben.


Corona-Talk bei "Maybrit Illner"

Virologe Drosten: "Es könnte sein, dass wir so gerade die Kurve kriegen" – wenn sich jetzt alle zusammenreißen

Coronavirus

Tui setzt weltweites Reiseprogramm bis 23. April aus

Quelle: Den ganzen Artikel lesen