„The Game Changers“ ist eine US-amerikanische Dokumentation aus dem Jahr 2018, die man seit September 2019 in Deutschland auf Netflix streamen kann. Der Film will zeigen, dass pflanzliche Ernährung nichts mit Schwäche zu tun hat und dem Veganismus mithilfe von Extremsportlern, die sich vegan ernähren, einen neuen Ruf verleihen. Die Thesen und Beispiele aus der Dokumentation werden seither kritisiert, diskutiert und verteidigt. Wir sagen Ihnen, warum Sie „The Game Changers“ mit einem kritischen Blick schauen sollten, ohne gleich die ganze Idee dahinter zu verwerfen.
Was macht wirklich stark?
Der ehemalige Mixed Martial Artist James Wilk, der heute Elite-Militäreinheiten trainiert, hatte die ursprüngliche Idee zu einer ausgiebigen Recherche zur „richtigen“ Ernährung. Der Hintergrund: Während des Trainings zog er sich eine Verletzung zu, die ihn für mehrere Monate außer Gefecht setze. Sein erster Schritt? Er suchte das Gespräch mit Ärzten, Trainern, Wissenschaftlern und Sportlern – wie Arnold Schwarzenegger oder dem Kraftsportler Patrik Baboumian, der als stärkster Mann der Welt gilt. Seine Erkenntnis: Einige dieser Spitzensportler leben vegan, da die pflanzliche Ernährung für eine schnellere Regenerierung der Muskeln sorgt. Pflanzliche Produkte beinhalten in der Regel mehr Antioxidantien haben, deshalb können Entzündungen schneller zurückgehen und Muskeln schneller wieder fit werden.
Fleisch oder Gemüse?
Doch James Wilk stieß bei seiner Recherche noch auf weitere Vorteile des Veganismus. Unter Sportlern sei es weit verbreitet, dass allein tierische Proteine die einzige Quelle für echte Msklelenergie seien – davon ist der jahrelange Sport-Profi und Trainer überzeugt. Eine lebendige Bestätigung dieses Klischees sei Conor McGregor, der einmal behauptete, dreimal am Tag Steak zu essen – morgens, mittags und abends.
Die Dokumentation verfolgt einen wissenschaftlichen Ansatz, um diesen Glauben zu widerlegen: Sie beginnt mit Justus von Liebigs Theorie, die den Ursprung für den schlechten Ruf der vegetarischen Lebensweise darstellt und wird mit Studien, Experimenten und Tests fortgeführt, die sich alle einig sind: Es braucht kein Fleisch, um wirklich stark zu sein. Dementsprechend sei es nicht wichtig, welche Quelle das Protein liefert – man könne diesen also genauso gut mit Linsen oder Erdnussbutter decken. (Pflanzliche oder tierische Proteine? – Hier finden Sie alle Informationen dazu, wie sich die beiden Proteingruppen auf den Muskelaufbau auswirken.)
Pflanzliche Ernährung macht „männlicher“
Die Dokumentation will nicht nur zeigen, welche Auswirkungen die pflanzliche Ernährung auf unsere Kraft und Gesundheit hat, sondern auch auf was wir mit dem Schlagwort „Männlichkeit“ und "Standhaftigkeit" bezeichnen. In einem nicht repräsentativen Experiment mit drei College-Athleten wird getestet, welche Auswirkung ein Abendessen mit Fleisch gegenüber einem veganen Gericht auf die Häufigkeit und Stärke ihrer nächtlichen Erektionen hat – das Ergebnis: Nach dem pflanzlichen Burrito sind die Männer häufiger und stärker erregt. Dieser nicht ganz ernstzunehmende Test bricht mit früheren wissenschaftlichen Studien und will auf spielerische Weise zu einem Überdenken der bisherigen Ernährungsgewohnheiten führen. (Standfester im Bett? Hier finden Sie eine Liste von Leckereien, die Ihre Männlichkeit im perfekten Zustand halten.)
Der Ton der Dokumentation ist nicht verurteilend – niemand scheint eine tierische Ernährung zu verteufeln, alle witzeln über ihre Vorlieben und die Menge, die sie vor ihrer Umstellung zu sich genommen haben. Arnold Schwarzenegger spricht von „10-15 Eiern pro Tag“, bevor er sich für eine rein pflanzliche Ernährung entschied. Es werden Figuren gezeigt, mit denen man sich identifizieren kann oder zumindest will – obwohl Extremsportler im Fokus stehen, sprechen alle ganz offen darüber, dass ihre Ernährung hauptsächlich aus Fleisch bestand, weil sie nicht wussten, welchen Unterschied es machen würde, sich pflanzlich zu ernähren.
Veganismus als Lösung für alles?
Trotzdem stellt sich natürlich die Frage nach den Gegenargumenten und der anderen Seite – die in der Dokumentationen keinen großen Platz bekommt. Wissenschaft ist nie wirklich abgeschlossen und kann somit nie wirklich eindeutig sein – ein Aspekt, der in der etwa anderthalbstündigen Dokumentation auf Netflix keinen Raum bekommt. Stattdessen wird Veganismus als die Lösung für beinahe alles präsentiert – es mindert das Risiko für Krebs, wie Wilks versucht am Beispiel seines Vaters zu zeigen, und steigert die sportlichen Leistungen. Dem Vater geht es besser, seit er sich rein pflanzlich ernährt, die älteste Olympiateilnehmerin lebt vegan – dieser Zusammenhang sieht beim Schauen der Dokumentation nach einer überzeugenden Kausalität aus, doch eigentlich handelt es sich dabei um eine Aufzählung von Fakten, die erstmal nichts miteinander zu tun haben müssen.
Doch die Bilder von Extremsportlern bei Wettkämpfen und Rennen wirken trotzdem überzeugend. Obwohl Ernährung ein wichtiger Faktor ist, sollte er trotz alledem nicht eindimensional betrachtet werden und ist auch nicht allein verantwortlich für unsere Gesundheit. Die vegane Ernährung ist längst kein Garant für ein glückliches, gesundes und langes Leben, wie es in „The Game Changers“ letztlich dargestellt wird. (Wer sich vegan ernährt, verzichtet ganz bewusst auf tierische Lebensmittel. Welche gesundheitlichen Risiken man kennen sollte.)
Der kritische Blick
Dokumentationen wie “The Game Changers“, die das Monopol auf die Wahrheit über die richtige gesunde Ernährung für sich beanspruchen, sind mit Vorsicht zu genießen. Obwohl man sich auf den ersten Blick der Überzeugungskraft, aufgebaut und verstärkt von dem Oscar-Preisträger und Regisseur Louie N. Psihoyos, kaum entziehen kann, gilt es im Hinterkopf zu behalten, dass es für beinahe jede These eine passende Studie gibt, die man verwenden kann, um seine Argumentation zu unterstützen.
Dennoch: Auch wenn “The Game Changers“ den kritischen Blick braucht, sollte man die Richtung, in die diese Dokumentation weist, ernst nehmen. Denn sowohl führende Ernährungsexperten, wie Bestseller-Autor Bas Kast oder auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, zeigen auf, dass der Fleischkonsum in unserer Ernährungs-Pyramide immer unbedeutender wird. Auch Klimaexperten weisen auf die Schäden hin, die der Fleischkonsum mit sich bringt. Somit sind die in der Dokumentation vorgestellten Perspektiven, trotz aller Kritik, sicherlich wegweisend.
Dieser Artikel wurde verfasst von (Angelika Watta)
*Der Beitrag “Vegan-Doku The Game Changers Macht Fleisch uns schwach?” wird veröffentlicht von GQ. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen