Gesund oder ungesund?: Wie du Gähnen unterdrückst – und was dabei im Körper passiert

Müde, gelangweilt, desinteressiert? Wer in der Gegenwart anderer gähnt, erweckt oft unfreiwillig einen negativen Eindruck.

Manchmal kann man jedoch gar nichts dafür. Beispielsweise wenn jemand anderes vorher gegähnt hat. Denn Gähnen gilt gemeinhin als ansteckend.

Warum das so ist, wieso man eigentlich gähnt, wann man ein Gähnen am besten unterdrückt und wie dies gelingt?

In diesem Artikel findest du bereits viele Antworten und noch mehr Wissenswertes zu dem Thema Gähnen.
 

Sollte man das Gähnen unterdrücken – oder lieber nicht?

Wiederholtes Gähnen wurde bei einer Untersuchung aus dem Jahre 2018 mit Migräneattacken in Zusammenhang gebracht.

Im Allgemeinen ist man sich jedoch einig, dass Gähnen – solange es nicht häufiger als einmal pro Minute auftritt –, auch wenn es als störend empfunden wird, nicht auf eine medizinische Ursache verweist und somit nicht gesundheitsschädigend ist.

Wie aber steht es mit dem Unterdrücken ebenjenen Bedürfnisses?

Im allerschlimmsten Fall wird Gähnen als desinteressiert oder gar respektlos vom Gegenüber empfunden, weshalb es manchmal sinnvoll sein kann, ein Gähnen zu unterdrücken.

Ähnlich wie beim Unterdrücken von Niesern stellt sich hier die Frage, ob häufig unterdrücktes Gähnen schädlich sein kann.

Beim Gähnen ist hierzu jedoch nichts bekannt. Das liegt unter anderem daran, dass selbst in Fachkreisen die eigentliche Funktion des Gähnens nicht ganz unstrittig ist.

Warum gähnt man überhaupt?

Welchem Zweck dient das seltsame Verziehen des Gesichtes, das mit tiefem Einatmen einhergeht? An eine bestimmte Ursache oder ein spezifisches Ergebnis scheint es nicht geknüpft zu sein.

Viele gähnen am Morgen direkt nach dem Aufstehen oder kurz vor dem Schlafengehen am Abend. Handelt es sich also womöglich um ein körperliches Anzeichen für Müdigkeit?

Dies würde aber nicht erklären, was es im Körper bezweckt. Sollte es am Morgen doch eine andere Wirkung haben – eine aktivierende nämlich – als am Abend, wenn der Körper herunterkommen soll.

Auch im Laufe des Tages gähnt man, zum Teil sogar ganz ohne Müdigkeit, zum Beispiel auch bei Langweile.
 

Was bewirkt Gähnen im Körper?

Ein durchschnittliches Gähnen dauert fünf Sekunden. So viel weiß man bezüglich dieses Phänomens. Bei dem meisten anderen herrscht jedoch weniger Einigkeit in der Forschung.

Physiologische Besonderheiten rund ums Gähnen wurden bei einer Studie mit 48 Studentinnen und Studenten aufgedeckt. Hiernach steigt die Herzrate auf dem Höhepunkt des Gähnens signifikant an und ist bis zu 15 Sekunden nach dem Gähnen noch weiter erhöht. Ähnliches gilt auch für die Hautleitfähigkeit.

Die meisten Gähn-Episoden konnten in dieser Untersuchung während Aktivitäten von geringer Interaktion festgestellt werden, beispielsweise während Seminaren, beim Lernen, beim Autofahren oder beim Fernsehen.

Schnellere, interaktivere Beschäftigungen wie Aufräumen, Kochen, Putzen, Sprechen usw. gingen seltener mit Gähn-Episoden einher. Dies bestärkte die Forscher und Forscherinnen in dem Schluss, Gähnen diene der Erregung oder Anregung, weshalb eine höhere Gehirnaktivierung auf ein Gähnen folgt.

Tierstudien deuten auf anderen Ursprung hin

Eine Studie mit Schimpansen förderte jedoch ganz andere Ergebnisse zutage. So konnten Vick und Paukner nachweisen, dass die Mehrzahl der aufgezeichneten Gähner, während die Schimpansen eine Aktivität ausführten, auftraten.

Nur ganz selten war das Gähnen an Schläfrigkeit gekoppelt; es trat kaum kurz vor dem Schlafengehen oder direkt nach dem Erwachen auf.  

Eine Studie an Ratten zeigte, dass Gähnen eine kühlende Wirkung auf Gehirnareale habe. Demnach steige die Temperatur innerhalb von drei Minuten vor dem Gähnen an und sinke danach signifikant ab, bis sie – bis zu drei Minuten später – wieder zur Ausgangstemperatur zurückkehre.
 

Gähnen zur Kühlung, zum Druckausgleich, für mehr Sauerstoff?

Auch Andrew Gallup, ein Junior-Professor der Psychologie, der sich bereits in vielen Studien mit dem Phänomen des Gähnens beschäftigte, geht davon aus, dass die Kühlung des Gehirns der Zweck des Gähnens sei. “Es verändert die Frequenz und die Temperatur des Blutstroms zum Gehirn.”

Morgendliches und abendliches Gähnen lasse sich, laut Gallup, so erklären, dass zu diesen beiden Zeitpunkten die Körpertemperatur am höchsten sei.

Er versteht Gähnen daher als Instrument, welches dabei hilft, den Übergang vom Wach- zum Schlafzustand und andersherum reibungslos zu ermöglichen.

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Eine Zeitlang nahm man an, Gähnen sei gedacht, um sauerstoffarme Luft aus den Lungen zu beseitigen und so auch die Sauerstoffsättigung im Gehirn zu erhöhen.

Diese Vermutung wurde jedoch verworfen, nachdem in einer Studie, bei der Teilnehmer und Teilnehmerinnen unterschiedlich zusammengesetzte Luftmischungen einatmen mussten, keine auffälligen Unterschiede im Gähn-Verhalten entdeckt werden konnten.

Eine andere Theorie ist, dass Gähnen den Druck auf die Ohren lindern soll. Neben dem bewusst ausgeführten Druckausgleich durch Zuhalten der Nase und Gegenpusten ist Gähnen ein eher unbewusstes Mittel, um im Flugzeug den Druck, der auf den Ohren bei Start und Landung entsteht, zu verringern.
 

Ansteckend: Warum muss man mitgähnen?

Gähnen ist ansteckend. So viel ist bekannt. Fängt jemand in deiner Nähe, deinem Blickfeld an zu gähnen, wird es dir nicht leicht fallen, nicht miteinzusteigen. Manchmal reicht es sogar schon, wenn ein Mensch im Fernsehen gähnt, du über das Gähnen sprichst oder sogar die Tatsache, hier in diesem Artikel vom Gähnen zu lesen.

Es gibt klinische, neurobiologische und psychologische Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen ansteckendem Gähnen und zwischenmenschlichem Mitgefühl. Ein Forschungsteam aus Italien untersuchte ein Jahr lang, wie sich verschiedene Faktoren auf das Ansteckungspotential vom Gähnen auswirkten.

Man testete beispielsweise, ob und wie sehr Herkunft, Geschlecht oder auch bestimmte Gähn-Charakteristika der gähnenden sowie der anderen Personen und Überstimmungen zwischen diesen das Übernehmen des Gähnens beeinflussten.

Resultat war, dass nur der Faktor ‘soziale Bindung’ das Auftreten des Gähnens vorhersagen konnte. Das Gähnen von Verwandten war am ansteckendsten.

Millen und Anderson fanden heraus, dass Kinder, bevor sie das Schulalter erreichen, weitestgehend unempfänglich für ansteckendes Gähnen sind. Frühestens bei Kindern mit vier bis fünf Jahren konnte ansteckendes Gähnen beobachtet werden.

Ein anderes Forscherteam konnte zeigen, dass schizophrene Personen ebenfalls signifikant seltener vom Gähnen anderer angesteckt werden.
 

Gähnen unterdrücken: So klappt es

Ein Gähnen erfolgreich zu unterdrücken, funktioniert der Kühlungstheorie zufolge am besten mit einem Kühlpad auf dem Kopf. Einer Untersuchung aus 2019 zufolge konnten durch die Platzierung eines etwa 4 Grad Celsius kalten Kühlpads im Nacken die Gähn-Episoden der Untersuchungsteilnehmer und -teilnehmerinnen um das Dreifache reduziert werden im Vergleich zu jenen, die ein Wärmepad bekamen.

Tiefes Ein- und Ausatmen durch die Nase führe aber auch zu einer solchen Kühlung im frontalen Kortex, so Gallup. In einer aktuellen Studie konnte er außerdem belegen, dass Kaugummi kauen das Bedürfnis zu gähnen schmälert.

Und auch Professor Robert R. Provine von der Universität in Maryland, Baltimore County, rät zum tiefen Einatmen durch die Nase. Dies helfe, so der Neurowissenschaftler und Psychologe, jedoch nur zeitlich begrenzt. Irgendwann komme das Gähnen dennoch durch.
 

Quellen

  • Güven, B., et al. (2018): Migraine and Yawning, abgerufen am 27.01.2021 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28960327/
  • Corey, T. P. et al. (2012): Changes in physiology before, during, and after yawning, abgerufen am 27.01.2021 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnevo.2011.00007/full
  • Vick, S.-J. & Paukner, A. (2010): Variation and Context of Yawns in Captive Chimpanzees (Pan troglodytes), abgerufen am 27.01.2021 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2936766/
  • Shoup-Knox, M. L. et al. (2010): Yawning and stretching predict brain temperature changes in rats: support for the thermoregulatory hypothesis, abgerufen am 27.01.2021 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnevo.2010.00108/full
  • Gallup, A. C. & Gallup, G. G. Jr. (2007): Yawning as a Brain Cooling Mechanism: Nasal Breathing and Forehead Cooling Diminish the Incidence of Contagious Yawning, abgerufen am 27.01.2021 https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/147470490700500109
  • Provine, R. R. et al. (1987): Yawning: no effect of 3-5% CO2, 100% O2, and exercise, abgerufen am 27.01.2021 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/3120687/
  • Winther, B. et al. (2005): Radiopaque contrast dye in nasopharynx reaches the middle ear during swallowing and/or yawning, abgerufen am 27.01.2021 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16076711/
  • Haker, H. et al. (2013): Mirror neuron activity during contagious yawning—an fMRI study, abgerufen am 23.12.2020 https://link.springer.com/article/10.1007/s11682-012-9189-9
  • Norscia, I. & Palagi, E. (2011): Yawn Contagion and Empathy in Homo sapiens, abgerufen am 21.12.2020 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0028472
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  • Haker, H. & Rössler, W. (2009): Empathy in schizophrenia: impaired resonance, abgerufen am 27.01.2021 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19377866/
  • Ramirez, V. et al. (2019): Manipulating neck temperature alters contagious yawning in humans, abgerufen am 27.01.2021 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31022409/
  • Gallup, A. (2020): Chewing on gum alleviates chronic bouts of excessive yawning: two case studies, abgerufen am 27.01.2021 https://www.researchgate.net/publication/343904096_Chewing_on_gum_alleviates_chronic_bouts_of_excessive_yawning_two_case_studies
  • Provine, R. R. (1986): Yawning as a Stereotyped Action Pattern and Releasing Stimulus, abgerufen am 27.01.2021 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1439-0310.1986.tb00611.x

Kimberly Papenthin

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