Ein Verkehrsunfall oder ein Schlaganfall – und von jetzt auf gleich ist man nicht mehr in der Lage zu entscheiden, welche medizinische oder pflegerische Behandlung man möchte und welche nicht. Gut, wenn es dann eine Patientenverfügung gibt.
“Mit einem solchen Schriftstück kann jeder seinen Willen bekunden, wie er in dem Fall, in dem er sich nicht dazu äußern kann, medizinisch behandelt werden möchte”, erklärt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz in Dortmund. Liegt keine Patientenverfügung vor, müssen entweder Angehörige und Ärzte beziehungsweise ein möglicher Bevollmächtigter oder Betreuer und ein Arzt den mutmaßlichen Willen des Betroffenen erörtern.
In gesunden Zeiten an die Verfügung denken
Wie die aktuelle Diskussion um das Leben des französischen Wachkomapatienten Vincent Lambert zeigt, ist dies oft nicht leicht. Seit 10 Jahren liegt der heute 42-Jährige im Krankenhaus und wird dort künstlich am Leben gehalten. Bei einem Unfall wurde sein Gehirn schwer geschädigt, seitdem befindet er sich im Wachkoma. Seine Familie ist zerstritten, aktuell wird vor Gericht verhandelt, ob sein Leben weiterhin künstlich verlängert werden soll. Seine Eltern und seine Geschwister sind gegen die Einstellung der Pflege, Lamberts Ehefrau will ihn dagegen “in Würde gehen lassen”. Ihr Mann habe sich nie gewünscht, dass sein Leben künstlich verlängert werde, sagte sie vor einigen Jahren. Lambert hatte allerdings keine Patientenverfügung.
Liegt jedoch ein schriftliches Dokument vor, müssen Mediziner den dort geschriebenen Willen respektieren. “Eine Patientenverfügung sollte jeder Mensch ab dem 18. Lebensjahr haben”, rät Brysch von der Stiftung Patientenschutz deshalb. Darin sollte konkret stehen, welche Wünsche in unterschiedlichen Situationen gelten. Darum kümmern sollte sich jeder schon in Zeiten guter Gesundheit.
So konkret wie möglich
“Eine Patientenverfügung gliedert sich in zwei Teile”, erklärt der Rechtsanwalt Dietmar Kurze aus Berlin. Im ersten Teil ist aufgelistet, für welche Situationen die Patientenverfügung gilt: zum Beispiel für das letzte Stadium im Sterbeprozess, eine unheilbare Krankheit oder ein Wachkoma. Im zweiten Teil werden die konkreten Behandlungswünsche in diesen Situationen genannt.
So kann etwa festgelegt werden, ob die Ärzte eine künstliche Beatmung oder künstliche Ernährung, Wiederbelebungsmaßnahmen oder eine Organspende durchführen sollen. “Die Wünsche sollten individuell und so konkret wie möglich formuliert werden und genau auf die Situationen bezogen sein”, sagt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Hilfreich sei, persönliche Erlebnisse zu schildern – zum Beispiel, warum man eine Patientenverfügung erstellt. “So kann etwa niedergeschrieben werden, dass man eine bestimmte Behandlung nicht möchte, weil man erlebt hat, dass eine nahe Angehörige darunter sehr gelitten hat,” erklärt Kranich.
Beratungsstellen und Hausärzte ansprechen
Wichtig beim Schreiben: Vage Formulierungen reichen nicht aus. Sie sind sogar unwirksam, entschied der Bundesgerichtshof 2016. Den bloßen Wunsch, dass keine lebensverlängernden Maßnahmen erfolgen sollen, ließen die Richter im verhandelten Fall nicht gelten. Bei unpräzisen Formulierungen wie dieser entscheiden letztlich doch die Ärzte gemeinsam mit Angehörigen oder möglichen Bevollmächtigten über die Behandlung.
Damit das nicht passiert, sollten sich Interessierte beraten lassen. Das ist zum Beispiel bei Verbraucherzentralen, Betreuungsvereinen oder der Deutschen Stiftung Patientenschutz möglich. Auch manche Hausärzte helfen. Das Bundesjustizministerium stellt auf seiner Website eine Broschüre mit Textbausteinen bereit.
In den Notfallordner heften und regelmäßig aktualisieren
Generell gilt: Eine Patientenverfügung erfolgt immer schriftlich. “Sie kann handschriftlich abgefasst oder am PC erstellt werden”, erklärt Rechtsanwalt Kurze. Sinnvoll ist es, sich auf dem Dokument von jemandem – am besten vom Hausarzt – bestätigen zu lassen, dass der Verfasser zum Zeitpunkt der Erstellung im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Nicht nötig ist es laut Brysch der Stiftung Patientenschutz, die Verfügung notariell beglaubigen zu lassen.
In jedem Fall sollte sie so aufbewahrt werden, dass sie auch schnell gefunden werden kann. Eine Möglichkeit ist, das Dokument in einem “Notfallordner” aufzubewahren. “Hilfreich kann auch sein, Kopien der Patientenverfügung Angehörigen, Bevollmächtigten, Freunden oder etwa dem Hausarzt zu übergeben”, sagt Kranich.
Die Patientenverfügung sollte regelmäßig, spätestens alle zwei Jahre, überprüft und unter Umständen aktualisiert werden. Denn es kann sein, dass sich der eigene Gesundheitszustand, aber auch die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten verändern. Wenn aus Sicht des Verfassers alles noch aktuell ist, sollte er das Dokument erneut unterschreiben und das jeweilige Datum hinzufügen.
Ein Stellvertreter für den Fall der Fälle
Neben einer Patientenverfügung macht es auch Sinn, Vorsorgevollmachten zu erteilen. Damit wählt man sich quasi einen persönlichen Stellvertreter aus, der im Fall der Bewusstlosigkeit oder Geschäftsunfähigkeit die Entscheidungen trifft. “Damit haben die Ärzte auch gleich einen Ansprechpartner, wenn sie mit dem Patienten selbst nicht mehr reden können”, so Kurze. Eine Vorsorgevollmacht wird ebenfalls schriftlich erteilt.
Wer will, kann eine Kopie der Patientenverfügung und gegebenenfalls auch der Vorsorgevollmacht an die Deutsche Stiftung Patientenschutz schicken. Sie prüft kostenfrei, ob die Dokumente praxistauglich sind. Beide Schriftstücke können auch beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer oder im Bundeszentralregister Willenserklärung registriert werden.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen