Es ist schon eine Weile her, dass ein Abnehmprogramm als „800-Kalorien-Diät“ punkten konnte. Das strenge Zählen der Energieeinheiten ist längst abgelöst von lässigeren Methoden, um Gewicht zu verlieren. Das ist nicht nur eine Modeerscheinung, sondern hat viel mit Ernährungsmedizin zu tun.
Wer heute einen Diät-Ratgeber aufschlägt, wird meist durch ein Versprechen zum Abspecken motiviert: „Erfolgreich abnehmen ohne Kalorien zählen“. Dagegen scheint der Erfolgsgarant von früher, nämlich genau auf die Kalorienzufuhr zu achten, heute eher ein Hindernis für eine Diät zu sein: Zu kompliziert, zu aufwändig, zu pingelig ist das ständige Zählen, Addieren und Vergleichen.
Kalorien zählen ist nicht sexy
Was für Verbraucher in erster Linie lästig ist, beschäftigt Ernährungswissenschaftler aus einem andern Grund: Sie mussten einsehen, dass kalorienreduzierte Lebensmittel nicht beim Abnehmen helfen. Das liegt weniger an mangelnder Disziplin beim Kalorienzählen, sondern an den konsumierten Lebensmitteln an sich.
Den Nachweis lieferte 2018 eine Studie der Stanford-Universität mit 600 übergewichtigen Probanden. Der renommierte Ernährungsforscher Christopher Gardener wollte eigentlich herausfinden, ob Low Carb oder Low Fat die bessere Diät-Methode ist.
Automatisch weniger Kalorien durch Zucker, Weißmehl- und Fastfood-Verzicht
Die Studienteilnehmer bekamen aber keine vorgefertigten Ernährungspläne. Sie sollten weder auf Kalorien noch Portionsgröße ihrer Mahlzeiten achten, sondern einige Dinge komplett streichen: Weißmehl, zugesetzter Zucker, Fertiggerichte und andere industriell verarbeitete Produkte: also keine fettarmen oder zuckerreduzierten Industrie-Donuts, sondern gar keine.
Nach einem Jahr hatten die Probanden durchschnittlich sechs Kilogramm abgenommen – ohne je eine Kalorienvorgabe bekommen zu haben. Und es war auch völlig gleichgültig ob ihre Ernährung mehr Kohlenhydrate (carbs) oder mehr Fett (fat) enthielt.
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Der Knackpunkt der Stanford-Studie war, dass die Probanden durch den verlangten Verzicht auf leere Kalorien (Weißmehl, Zucker) und Fertigprodukte sehr viel mehr frische Lebensmittel selbst zubereiten. Dadurch wurde das Essen automatisch „schlanker“ und gesünder.
Sechs Kilo in einem Jahr sind nicht die Welt. Wer streng auf Kalorien achtet, kann dieses Gewicht wesentlich schneller verlieren – es dann aber sehr wahrscheinlich auch schnell wieder zunehmen. Vor allem, wenn die Kalorienzufuhr einer Diät sehr niedrig bemessen wird, lauert der berüchtigte Jojo-Effekt.
Körper und Psyche im Kalorien-Stress
Ganz generell stresst die Methode „Abnehmen durch Kalorienzählen“ Körper und Psyche.
Der Körper leidet: Kalorienreduktion bedeutet weniger Energiezufuhr und somit Hunger. Das ist eine Stresssituation für den Körper, der jetzt gegensteuert, um Energie zu sparen. Der Stoffwechsel läuft langsamer, der Kalorienverbrauch sinkt, das Abnehmen stagniert.
Die Psyche kommt ins Spiel: Der stockende Abnehmerfolg ist maximal frustrierend. Außerdem ist das Essen kein Genuss mehr, wenn Lebensmittel nur noch nach Kalorien bewertet werden. Die Motivation schwindet und dann wird eine Diät auch schnell wieder abgebrochen.
100 Kalorien haben nicht immer die gleiche Wirkung
Und dann sind Kalorien noch nicht einmal eindeutig in ihrem Effekt: Der Abnehmerfolg beruht darauf, was der Körper mit den zugeführten Kalorien anstellt.
100 Kalorien in Form von Vollkorn machen satt, 100 Kalorien als Schokolade nicht.
Der Kaloriengehalt eines Gemüses wirkt unterschiedlich je nach Zubereitung: Für die Verdauung von Rohkost muss der Körper viel mehr Energie aufwenden, als wenn dasselbe Gemüse gegart wird.
Und wer während der Diät Sport treibt, verbraucht 100 Kalorien sehr viel schneller als jemand, der sich wenig bewegt.
Und die Alternative zum Kalorien zählen?
Stanford-Professor Gardiner rät zu „Qualität“:
- auf Zucker und Weißmehl verzichten
- einkaufen auf dem Wochenmarkt
- selber kochen mit viel Gemüse
- gemeinsam essen.
Nicht Kalorien zählen, sondern Stunden
Das lässt sich auch gut in der derzeit beliebtesten Diät-Methode umsetzen: dem Intervall-Fasten.
- Dabei werden drei Mahlzeiten mit möglichst wertvollen, nährstoffreichen Lebensmitteln in einem Zeitfenster (zum Beispiel acht Stunden tagsüber) konsumiert.
- In der übrigen Zeit (in diesem Fall 16 Stunden) gibt es allenfalls Wasser oder einen kalorienarmen Tee.
- In den Fastenstunden schaltet der Körper von Kohlenhydrat- auf Fettverbrennung um. Und er nutzt die Zeit für die Regeneration.
Die Pfunde purzeln ganz ohne auf die Kalorien zu achten.
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