Nasenspray-Impfstoffe mobilisieren das Immunsystem dort, wo das Virus eindringt
Geht es nach Deutschlands Intensivmedizinern, sollte die Entwicklung von Nasenspray-Impfstoffen gegen das Coronavirus stärker vorangetrieben werden. »Ich glaube, wir würden beim Impfen noch besser vorankommen, wenn man den Impfstoff nicht spritzen müsste, sondern als Nasenspray verabreichen könnte«, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, der Düsseldorfer »Rheinischen Post« vom Dienstag. »Wir sollten diese Entwicklung maximal fördern.«
Zwar ist unklar, ob Menschen mit grundsätzlichen Vorbehalten Impfstoffen gegenüber tatsächlich einer solchen, relativ neuen Technologie vertrauen würden. Unabhängig davon haben Nasenspray-Impfstoffe jedoch den Vorteil, dass sie das Immunsystem genau an der Stelle mobilisieren, an der das Virus eindringt. Dadurch kann der Körper den Erreger möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt abwehren als bei herkömmlichen Impfungen. Dementsprechend ist auch denkbar, dass Nasenspray-Impfungen in Zukunft bei einem nachlassenden Impfschutz als Booster zum Einsatz kommen.
Gegen die Grippe existiert in Deutschland bereits ein Nasenspray-Impfstoff. Das Mittel wird aber nur in Ausnahmefällen bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt, für Erwachsene ist es nicht zugelassen.
Blick auf den Herbst: »Wochen der Wahrheit« kommen noch
Aktuell werden dem Fachmagazin »Science« zufolge sieben Nasenspray-Impfstoffe gegen das Coronavirus in klinischen Studien getestet. Allerdings befanden sich demnach Ende Juli alle noch in frühen Studienphasen, in denen es zunächst nur darum geht herauszufinden, ob die Impfstoffe überhaupt verträglich sind, ob sie bewirken, was man sich erhofft, und welche Dosierungen benötigt werden. Erst danach folgen die großen Phase-III-Studien, die für eine Zulassung notwendig sind.
Bis ein Impfstoff zugelassen wird, muss er in drei Phasen klinisch geprüft werden. Damit das Paul-Ehrlich-Institut einen potenziellen Impfstoff für eine klinische Studie am Menschen zulässt, muss ein Hersteller zunächst Daten vorlegen, dass der Stoff bereits ausreichend präklinisch getestet wurde – etwa in Tierversuchen.
Phase I: Der Impfstoff wird einer kleinen Gruppe von freiwilligen Gesunden verabreicht. Es wird beobachtet, ob das Mittel den Zielbereich im Körper erreicht und dabei keine akuten Nebenwirkungen auftreten.
Phase II: Erst wenn die Phase I erfolgreich war, kann der Impfstoff in Phase II einer größeren Teilnehmerzahl verabreicht werden, die der Risikogruppe entstammen. Im Fall von Covid-19 wären das ältere Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen. In dieser Phase werden die Wirksamkeit des Impfstoffs bei der Verhinderung der Krankheit und die geeignete Dosierung getestet.
Phase III: Danach kann der Impfstoff an einer repräsentativen Gruppe von Freiwilligen getestet werden – bis zu 10.000 Probanden werden dabei geimpft. In Phase III werden die Wirksamkeit, die Sicherheit sowie die Dosierung der Impfung bestätigt. Unerwünschte Ereignisse, wie etwa ein besonders schwerer Krankheitsverlauf durch die Gabe des Impfstoffs, können ausgeschlossen werden.
Im kommenden Herbst also werden Nasenspray-Impfstoffe noch keine Rolle spielen. Dabei wäre es notwendig, die Impfquote so schnell wie möglich zu steigern. »Wir werden mit den jetzigen Impfquoten einen erneuten Anstieg auf den Intensivstationen im Oktober und November sehen«, sagte Karagiannidis der »Rheinischen Post«. »Das gute Wetter schützt uns im Moment. Die Wochen der Wahrheit kommen aber, wenn das Wetter nasskalt und ungemütlich wird.«
Für den Pandemieverlauf in den kommenden Wochen spielen dem Intensivmediziner zufolge zwei Punkte eine wesentliche Rolle: die Dunkelziffer der Genesenen in Deutschland sowie die Dynamik des Infektionsgeschehens im Herbst. »Wir müssen den Anstieg im Herbst so weit es geht in die Länge ziehen«, sagte der DGIIN-Präsident. »Je höher wir jetzt mit den Zahlen steigen, desto weniger Puffer werden wir haben.«
Quelle: Den ganzen Artikel lesen