Alles Bio, alles gut? Von wegen! Das sind die Schattenseiten des Öko-Hypes

Die Menschen in Deutschland lieben Bio-Lebensmittel, doch sie lieben es auch billig. Billig-Bio boomt. Das ist fatal für Tiere und Umwelt, wie Recherchen der ZDF-Sendung „planet e.“ zeigen. Wer beim Kauf von Öko-Produkten wirklich Gutes tun möchte, sollte diese Wahrheiten kennen.

Wer bio kauft, dem ist meist das Wohl der Tiere wichtig. Doch oft ebenso der eigene Geldbeutel. Denn wie die ZDF-Sendung „planet e.“ zeigt, verkaufen sich vor allem die Billig-Bioprodukte der Discounter. Die Recherchen des Autors Erik Hane zeigen: Pflanzen und Tiere leiden immer öfter.

Was wir essen, sind keine Biobananen

Biobananen sind ein einträgliches Geschäft und das lockt Geldgierige. „Viele Unternehmen betrügen, weil das mehr Geld für sie bringt“, sagt Omar Pavon, Bio-Kontrolleur von Ceres in Ecuador. Das südamerikanische Land ist mit 400.000 Tonnen pro Jahr der größte Lieferant Deutschlands.

Das Zertifizierungssystem sei anfällig für Betrug, berichtet auch Bernhard Schulz, der das Zertifizierungsunternehmen Ceres leitet, das Ökobetriebe weltweit kontrolliert. Jede Firma sucht sich ihren Zertifizierer aus – im Zweifel also denjenigen, der nicht so genau hinschaut, um Kunden zu halten.

Bananen sind eine Kultur, die pro Hektar guten Ertrag bringt – unerlaubte Pestizide kämen demnach häufig zum Einsatz. Schulz berichtet: „Oft werden Bananen als bio verkauft, die das Siegel eigentlich nicht wert sind.“ 33 Plantagen entzog Ceres innerhalb eines Jahres die Biozertifizierung.

Bio-Boom schadet der Natur

Szenenwechsel nach Spanien: Die Gegend um Almería liefert Ökogemüse für deutsche Verbraucher. Die drastische Folge für die Natur: Auf 53.000 Hektar reiht sich Gewächshaus an Gewächshaus, sodass die südspanische Region den Namen „Mar de Plástico“, Plastikmeer, bekam. Von Grünflächen ist hier nichts mehr zu sehen. Im Beitrag sieht der Zuschauer Planierraupen das karge Land platt walzen.

Umweltschützer José Ribera ist besorgt: „Das Naturschutzgebiet Cabo de Gata ist ein einzigartiges Ökosystem in Europa.“ Wenn für mehr Profit immer mehr Gewächshäuser gebaut werden, sterben Pflanzen- und Tierarten aus, die es sonst nirgendwo gibt. Ein zusätzliches Problem stellt der Plastikmüll dar. Ribera findet immer neue Müllberge aus Planen und Behältern von Biopestiziden. „Das Plastik ist schwer zu recyceln“, sagt der Umweltschützer. „Darum schmeißen sie es weg.“ Teilweise versuchen die Bioproduzenten es loszuwerden, indem sie es anzünden. Sogar Ziegen fressen das Plastik.

ZDF/Daniel Meinl Jesús Rincón ist Bio-Bauer aus Leidenschaft in der Nähe der spanischen Almería. Einen Gegenentwurf dazu präsentiert der Biobauer Jesús Rincón. Bei ihm bekommen die Tomaten sogar Musik zu hören. „Die ausländischen Supermärkte wollen Bioprodukte, aber sie interessiert lediglich, dass sie ein Bio-Siegel tragen und nicht, wie sie hergestellt werden“, beklagt Rincón.

Das Siegel EU-Bio gibt es schon mit Minimalanforderungen. Produkte mit dem stilisierten Blatt aus zwölf Sternen erfüllen die gesetzlichen Vorgaben der EG-Öko-Verordnung. Das bedeutet beispielsweise, dass Obst und Gemüse ohne Gentechnik hergestellt werden, erklärt Armin Valet, Referent der Verbraucherzentrale Hamburg. Für tierische Produkte dürfen die Tiere nur gentechnikfreies Futtermittel bekommen haben.

Ein verarbeitetes Lebensmittel bekommt nur ein Bio-Siegel, wenn mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe biologischen Ursprungs sind.

Siegel wie Demeter, Bioland oder Naturland haben dagegen wesentlich strengere Auflagen als der EU-Ökostandard. Sie haben daher einen deutlichen Qualitätsvorsprung zum EU-Standard.

Bio-Boom lässt neue Slums entstehen

Darüber hinaus diktierten die deutschen Handelsketten die Preise, sagt Biobauer Rincón. Damit sich das Geschäft mit dem Biogemüse noch mehr lohnt, braucht es billige Erntehelfer. Das sind meist Migranten. Sie hausen zunehmend in Slums in der Nähe der Anbaugebiete.

Rund um Almería wachsen die so genannten Chabolas, Ansammlungen von einfachsten Hütten, die sich die Arbeiten aus den Abfällen der Plantagen zusammenzimmern. Die Biokonzerne beuten sie aus, zwischen 32 und 38 Euro pro Tag bekommen sie laut Informationen des Sozialarbeiters José Cuevas.

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Bio-Boom quält Hühner

Ähnlich fatal sind die Zustände vieler Biohühner in Deutschland. In Brandenburg etwa leben Zehntausende auf einem Hof – die Recherche von Erik Hane für „planet.e“ zeigt Bilder von zerrupften Tieren mit kaputtem Gefieder, eitrigen Wunden und in einer Mülltonne stapeln sich Hühnerkadaver.

Noch drastischer sind die heimlich gedrehten Aufnahmen der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch, die die Tiere im Stall auf engstem Raum, verletzt und vollgekotet zeigt, dazwischen tote Hühner. Und das obwohl es Biohennen sind.

Der EU-Bioverordnung zufolge dürfen nur 3000 Hühner in einem Stall untergebracht werden. In den riesigen Hallen des Betriebs werden die Abschnitte durch Trennwände geteilt, sodass jeweils nicht mehr als 3000 Hühner dort untergebracht sind. Insgesamt jedoch hält der Eierproduzent dort fast 40.000 Hühner.

Bis zu 350 Eier pro Jahr legt ein solches Biohuhn. Das ist Stress pur und macht zusätzlich krank. Doch Tierärztin Anita Idel weiß, selbst kranke Hühne legen Eier – Bioeier.  

Mehr zum Thema und was das Problem lösen kann sehen Sie in der Sendung „Alles Bio, alles gut?“ von „planet e.“ am Sonntag, 20. Oktober 2019, 16.30 Uhr, im ZDF oder schon jetzt in der ZDF-Mediathek.

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