In der Arbeit, auf dem Sofa, im Kino: Wir sitzen – und zwar zu viel. Wie Schmerz-Experte Roland Liebscher-Bracht im FOCUS-Online-Interview erklärt, ist vor allem das Sitzen für das Volksleiden Rückenschmerzen verantwortlich. Er nennt eine einfach Überung, mit der Sie die Schmerzen loswerden.
Ob jung oder alt – zahlreiche Deutsche klagen über Rückenschmerzen. Im Interview erklärt Schmerzspezialist Roland Liebscher-Bracht, was hinter dem Leiden steckt – und wie Sie gegensteuern.
FOCUS Online: Rückenschmerzen sind Volksleiden in Deutschland. Acht von zehn Menschen haben damit zu tun. Was machen wir falsch, Herr Liebscher-Bracht?
Roland Liebscher-Bracht: Falsch machen wir gar nichts, wir unterlassen nur etwas Essentielles. Wir sitzen unheimlich viel. Und das ist soweit auch okay, aber wir gleichen das Sitzen nicht aus. Das ist das Problem. Selbst nachts schlafen viele mit angewinkelten Beinen – also in Sitzposition.
Unser Körper ist so gebaut, dass er sich an diese immer wieder eingenommene Gelenkwinkelposition anpasst. Die Muskeln verkürzen sich, die Faszien auch, und das Desaster nimmt seinen Lauf. Dann wird Sitzen zum Auslöser von Rückenschmerzen.
Über den Experten
Roland Liebscher-Bracht ist Schmerzspezialist. Für seinen YouTube-Kanal, den er gemeinsam mit seiner Frau und Ernährungsmedizinerin Petra Bracht betreibt, dreht Übungsvideos, mit denen Menschen von zu Hause aus schmerzfrei werden. Zudem bildet er Ärzte und Therapeuten aus und schreibt Bücher.
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Das Homeoffice hat das mit dem vielen Sitzen nicht unbedingt besser gemacht. Laut dem neuesten DKV-Report sitzen wir so viel wie noch nie zuvor. Wie kann ich gegensteuern?
Liebscher-Bracht: Wenn wir sitzen, haben wir in den Hüftgelenken ungefähr einen 90 Grad-Winkel. Stehen ist neutral. Wenn ich also nur stehe und sitze, habe ich immer noch eine Verkürzung der Muskeln in Richtung Beugung. Was muss ich machen? In die Überstreckung gehen. Ich muss das Gegenteil vom Sitzen machen.
Leider wissen das viel zu wenige Leute. Ich selber komme aus dem Maschinenbau, daher sind mir die mechanischen Vorgänge klar. Aber dieses Wissen wird in Deutschland nicht systematisch genutzt.
Wie komme ich denn in diese Überstreckung? Können Sie eine konkrete Übung empfehlen, die jeder für sich unkompliziert machen kann? Vielleicht sogar in einer kurzen Pause im Laufe des Tages, den die meisten nun mal primär sitzend verbringen?
Liebscher-Bracht: Die einfachste Übung besteht darin, sich für drei Minuten hinzustellen, die Leisten nach vorne zu schieben und den Rumpf nach hinten zu beugen.
Wenn man das im Bürojob fünf- oder sechsmal am Tag macht – das ist zusammen ungefähr eine Viertelstunde –, dann reicht das in der Regel aus, um Rückenschmerzen dauerhaft loszuwerden. Sie brauchen keine acht Stunden Dehnung, um acht Stunden Sitzen auszugleichen. Selbst dann nicht, wenn Sie abends auch wieder sitzen. Denn bei den meisten hört es nach der Arbeit ja nicht auf: beim Abendbrot, beim Fernsehen, im Restaurant, im Kino, in der Bar, überall sitzt man. Und trotzdem reichen die 15 Minuten meist schon.
Tatsächlich? Braucht es nicht zumindest noch weitere Übungen?
Liebscher-Bracht: Man kann und sollte auf jeden Fall mehr unterschiedliche Übungen machen, aber als Minimum reicht das in der Regel aus. Das ist die Hauptübung, die den Körper daran erinnert, die Muskeln wieder lang zu ziehen. Wenn Sie den Muskel immer wieder in diese Streckung ziehen, dann denkt der gar nicht daran, auf Dauer kurz zu werden, weil er weiß: Ab und zu will mein Herrchen oder Frauchen mich lang haben – also bleibe ich lang.
Klingt fast zu einfach, um wahr zu sein. Trotzdem gibt es viele, die sich mit ihren Rückenschmerzen nicht mehr allein zu helfen wissen und zu Ihnen in die Praxis kommen. Wie läuft eine erste Sitzung dann ab?
Liebscher-Bracht: Das hängt davon ab, wie versuchsfreudig die Patienten sind. Auf unserem Youtube-Kanal gibt es ja schon mehr als 1000 Videos zur Selbsttherapie. Bevor die Leute zu uns kommen, empfehle ich deshalb eigentlich immer: Gehen Sie erstmal auf Youtube, machen Sie mal ein paar Übungen und gucken Sie, ob es funktioniert.
Wenn es gut funktioniert, machen Sie so weiter. Wenn es nicht funktioniert oder wenn Sie Angst haben, kommen Sie zu uns in die Praxis.
Und dann können Sie sich das so vorstellen: Der Patient sagt, mein Rücken tut weh. Dann frage ich: Bei welcher Position merken Sie das? Die einen sagen dann: Es tut weh, wenn ich mich vorbeuge, die anderen sagen, wenn ich mich überstrecke, der nächste sagt, wenn ich den Stuhl hochhebe, tut es weh. Und dann lasse ich denjenigen genau das tun, was ihm wehtut, um einen Vergleich herzustellen, wie es aktuell und wie es nach der Behandlung ist.
Was machen Sie während der Behandlung?
Liebscher-Bracht: Ich arbeite mit Osteopressurpunkten an den Knochen. Das sind Punkte ähnlich wie Triggerpunkte, aber sie sind an den Knochen und viel wirksamer. Davon gibt es im Körper 72 Stück und daran sitzen bestimmte Rezeptoren. Wenn man die physikalisch mit Druck versieht – je nachdem wo die Stelle ist mit den Fingern, mit dem Arm, mit dem Ellenbogen – , schicken sie sofort ein Signal ins Gehirn. Das löst eine Art Reset aus. Diese Punkte entspannen die Muskeln in ihre genetisch normale Grundspannung. Dieser Reset ist Gold wert, und dauert normalerweise 20 bis 25 Minuten.
Dann steht der Patient auf und ich lasse ihn noch einmal in genau die gleiche Position gehen, die zuvor Schmerzen bereitet hat. In den meisten Fällen ist der Schmerz dann entweder ganz weg oder nur noch bei 30 Prozent, also ein kleiner Rest. Es findet also eine drastische Reduktion der Schmerzen statt.
Zusätzlicher Vorteil dieser Methode: Wenn die Ursache der Schmerzen nicht muskulär ist, fällt es auf, weil sich dann keine Besserung einstellt. Dann empfehle ich, alle anderen, also herkömmlichen medizinischen Maßnahmen, abklären zu lassen.
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