Über gute und schlechte Sauerstoffradikale
Wenn von Sauerstoffradikalen oder freien Radikalen im Körper die Rede ist, werden die bindungsfreudigen Teilchen oft mit oxidativem Stress und der Entstehung von chronischen Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung gebracht. Sauerstoffradikale können aber auch das Krebsrisiko senken und sind an der Reparatur von Erbgut-Schäden beteiligt, wie ein deutsches Forschungsteam in einer aktuellen Studie zeigt.
Forschende der Goethe-Universität Frankfurt am Main haben bei Versuchen an Mäusen herausgefunden, dass Sauerstoffradikale nicht nur schädliche Auswirkungen haben, sondern auch das Krebsrisiko senken und Schäden am der DNA mindern können. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „PNAS“ präsentiert.
Sauerstoffradikale können Moleküle im Körper schädigen
Sauerstoffradikale – auch als reaktive Sauerstoffspezies oder kurz ROS bezeichnet – wurden in früheren Untersuchungen ausschließlich als gesundheitsschädlich beschrieben, vor allem, wenn sie aus Quellen wie Zigarettenrauch, Ozon oder UV-Strahlung entstehen. Sauerstoffradikale haben eine hohe Reaktionsfähigkeit, wodurch sie wichtige Moleküle schädigen können, darunter auch das Erbmolekül DNA. Die Schädigungen der ROS stehen in Verbindung mit Entzündungsreaktionen und krebsartigen Entartungen von Zellen.
Der Körper wehrt mit ROS Viren und Bakterien ab
Andererseits werden die ROS aber auch genau wegen ihrer schädigenden Wirkung gezielt vom Körper gebildet, um eindringende Bakterien und Viren zu zerstören. Beispielsweise werden Sauerstoffradikale von Lungenepithelzellen produziert, um Krankheitserreger abzutöten. Hierfür sind allerdings verhältnismäßig hohe Konzentrationen von Sauerstoffradikalen nötig.
ROS als Signalmoleküle
ROS werden zudem vom Körper in geringen Konzentrationen als Signalmoleküle eingesetzt. Eine ganze Gruppe von Enzymen ist eigens zu diesem Zweck spezialisiert. Wie das Forschungsteam berichtet, produziert beispielsweise die Enzymgruppe Nox4 fortlaufend geringe Menge der reaktiven Sauerstoffspezies. Es handelt sich dabei um Wasserstoffperoxid (H2O2), das in fast allen Körperzellen eine Vielzahl von Funktionen wie etwa die Hemmung von Entzündungsreaktionen aufrechterhält.
Wasserstoffperoxid beugt Krebsentstehung vor
Die Arbeitsgruppe um Professorin Katrin Schröder von der Goethe-Universität Frankfurt zeigte nun erstmals, dass die NOX4-Enzyme über die Herstellung von Wasserstoffperoxid der Entstehung von Krebs vorbeugen können. Die Forschenden hemmten bei einer Gruppe von Mäusen die Fähigkeit zur Bildung von H2O2 über Nox4. Anschließend wurden die veränderten Mäuse und eine Kontrollgruppe einem Krebs erregenden Umweltgift ausgesetzt. Bei der Gruppe, die kein Wasserstoffperoxid produzieren konnte, verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiere einen Tumor entwickelten.
Nox4 scheint grundsätzlichen Einfluss auf zelluläre Gesundheit zu haben
Wie das Team dokumentierte, entwickelten die Mäuse, die kein Wasserstoffperoxid produzieren konnten, viele unterschiedliche Arten von Tumoren, darunter Haut-Sarkome und Dickdarm-Karzinome. Daraus leitet das Team ab, dass Nox4 wahrscheinlich einen grundsätzlichen Einfluss auf die zelluläre Gesundheit hat.
Wasserstoffperoxid markiert DNA-Schäden
In weiteren molekularen Untersuchungen fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann heraus, dass das durch Nox4 gebildete H2O2 bestimmte, wichtige Signalproteine (Proteinkinasen B oder AKT-Kinasen) aus dem Zellkern heraustreibt, wodurch DNA-Schäden besser vom Körper erkannt werden können. Bei fehlendem Nox4 wandern diese Signalproteine stattdessen in den Zellkern, wodurch DNA-Schäden unerkannt bleiben.
Reparaturprogramm des Körpers
Doppelstrangbrüche, also schwere DNA-Schäden, entstehen im Körper jeden Tag. Werden solche Schäden erkannt, steht dem Organismus ein ganzes Repertoire an Reparaturenzymen zur Verfügung, die versuchen, den Schaden zu beheben. Gelingt dies nicht, wird der Zelltod veranlasst – als Vorsichtsmaßnahme des Körpers gegen Krebs.
Inneres Gleichgewicht durch Wasserstoffperoxid
„Fehlt Nox4 und ist damit kein H2O2 vorhanden, erkennen die Zellen die DNA-Schäden nicht mehr“, fasst Professorin Schröder die Forschungsergebnisse zusammen. Als Folge können sich Mutationen anreichern und geschädigte Zellen vermehren sich weiter. Komme noch ein Umweltgift hinzu, welches die DNA massiv verändert, werden die Schäden nicht mehr erkannt und repariert.
Auch beschädigte Zellen werden der Studie zufolge nicht mehr eliminiert, sondern vermehren sich zum Teil sehr schnell und unkontrolliert, was schließlich zur Entstehung von Tumoren führen kann. „Eine geringe Menge H2O2 hält also ein inneres Gleichgewicht in der Zelle aufrecht, das die Zellen vor Entartung schützt“, kommentiert die Studienleiterin. (vb)
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