Infektionsängste, Frustration, finanzielle Sorgen, Langeweile – aus früheren Untersuchungen weiß man, dass Quarantäne stresst und sich auf das Suchtverhalten negativ auswirken kann. Und wie ist es bei Corona? Seit April befragen Wissenschaftler aus Mannheim und Nürnberg anonym die Bürger dazu.
„Quarantäne ist für Betroffene oft eine unangenehme Erfahrung. Die Trennung von geliebten Menschen, der Verlust der Freiheit, die Unsicherheit über den Krankheitsstatus und die Langeweile können mitunter dramatische Auswirkungen haben“, schreiben Wissenschaftler um Dr. Samantha Brooks von der Abteilung für Psychologische Medizin am King`s College in London. In einem Rapid Review, einer schnellen wissenschaftlichen Übersichtsarbeit, betrachteten sie bereits im März dieses Jahres die möglichen psychologischen Auswirkungen von Quarantänemaßnahmen und wie sie sich vielleicht abmildern lassen. Dafür werteten sie 24 Studien früherer Epidemien aus, diese umfassten Menschen mit SARS, Ebola, der H1N1-Grippe-Pandemie 2009 und 2010, MERS und der Pferdegrippe. Erschienen ist der Beitrag im renommierten Fachjournal „The Lancet“.
Angst, Langeweile, Missmut
Unter anderem fanden sie heraus, dass vor allem längere Quarantänedauern mit einer schlechteren psychischen Gesundheit einhergehen, insbesondere mit posttraumatischen Stresssymptomen, Vermeidungsverhalten und Wut. Menschen in Quarantäne waren ängstlich, nervös, traurig und berichteten über Schuldgefühle. Sie sorgten sich stärker um ihre eigene Gesundheit oder darum, andere anzustecken, als Menschen, die nicht in Quarantäne waren. Zudem führten die Enge der Quarantäne, der Verlust der gewohnten Routine und die verminderten sozialen und physischen Kontakte häufiger zu Langeweile, Missmut und einem Gefühl der Isolation vom Rest der Welt.
Informationen essenziell
Der Ärger wurde vor allem dadurch verstärkt, dass man an den üblichen alltäglichen Aktivitäten, wie Einkaufen, nicht teilnehmen konnte. Zudem wurde auch eine unzureichende Versorgung in der Quarantäne – mit Wasser, Lebensmitteln, Kleidung – zu einem Quell zusätzlicher Unzufriedenheit, die auch Monate später noch zu Ärger und Wut bei den Menschen führte. Zur Unsicherheit trug bei, wenn sich die Menschen seitens der Regierung und Behörden schlecht informiert fühlten, weil die Betroffenen sodann das Schlimmste befürchteten.
Interessant ist zudem, dass auch nach Ende der Quarantäne die psychologischen Effekte weiterhin spürbar waren: Die Menschen fühlten sich von ihrer Umwelt, wie den Nachbarn, stigmatisiert und machten sich mehr finanzielle Sorgen als Menschen, die nicht in Quarantäne waren. Teils wurde das Vermeidungsverhalten fortgesetzt, direkte Kontakte eingeschränkt, hustende oder niesende Personen oder überfüllte Räume vermieden. Eine Rückkehr zur Normalität sei um viele Monate verzögert gewesen, so die Wissenschaftler.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen