Wirkung von Pflanzenextrakten gegen Virusinfektionen
Während bakterielle Erkrankungen relativ gut mit Antibiotika therapiert werden können, sind virale Infektionen wie Influenza (Grippe) oder COVID-19 (ausgelöst durch das neue Coronavirus SARS-CoV-2) nur schwer behandelbar. Zwar gibt es durchaus antivirale Medikamente, doch deren Wirkung bleibt oftmals beschränkt. Verschiedene pflanzliche Wirkstoffe haben jedoch eine durchaus überzeugende antivirale Wirkung, die auch eine therapeutische Anwendung attraktiv macht.
Ein Forschungsteam um Andreas Hensel vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie an der Universität Münster hat in einem aktuellen Beitrag die Wirkung pflanzlicher Extrakte gegen virale Infektionen des oberen Rachenraumes erörtert und einige vielversprechende Wirkstoffkandidaten vorgestellt. In der „Zeitschrift für Phytotherapie“ berichten die Forschenden über antivirale Wirkstoffe aus dem Bereich der Pflanzenheilkunde.
Fehlende Wirkstoffe gegen Virusinfektionen
Aktuell dreht sich alles um das Coronavirus, doch auch Influenzaviren, Rhinoviren, Adenoviren und RSV-Viren befallen den Nasen-Rachen-Raum. Obwohl es durchaus antivirale Medikamente gibt, die bei bestimmten Virusinfektionen zu einer deutlichen Verringerung der Viruslast führen können., fehlen gegen die meisten viralen Pathogene im Bereich des Rachens und der oberen Luftwege spezifisch wirksame Substanzen, berichtet das Forschungsteam.
Gerbstoffe mit antiviraler Wirkung
Zu den vielversprechenden antiviralen Kandidaten aus dem pflanzlichen Bereich gehören laut Aussage der Forschenden die Gerbstoffe (Tannine). Da Gerbstoffe stark mit Proteinen interagieren und dadurch die Proteinstruktur und -funktionalität teilweise erheblich verändern, haben einige eine direkte Wirkung auf die Hülle der Viren. Gut belegt sei zum Beispiel die Wirkungen von kondensierten Gerbstoffen (Proanthocyanidine) beziehungsweise gerbstoffhaltigen Extrakten gegen Influenzaviren.
Grüntee, Sauerampferkraut und Cistrosenkraut
Auch gegen Herpes-simplex-Viren (HSV-1) zeigen Proanthocyanidine eine positive Wirkung. Die kondensierten Gerbstoffe sind laut Aussage der Forschenden zum Beispiel in Grüntee, Sauerampferkraut oder Cistrosenkraut zu finden. Zwar sei eine Anwendung als Therapeutikum bei manifesten Virusinfektionen wenig erfolgversprechend, doch wäre es durchaus denkbar, „Darreichungsformen zur Anwendung zu bringen, die hochkonzentrierte Gerbstoffextrakte zur lokalen Anwendung in der Mundhöhle als Prophylaxe einsetzen“, berichtet das Forschungsteam.
Bonbons und Kaugummis mit Gerbstoffen?
Vorschläge zur Anwendung legen die Forschenden ebenfalls vor. Dies könnten beispielsweise Sauerampferbonbons oder Kaugummis mit Proanthocyanidinen in möglichst hoher Konzentration sein. Auch Gurgel- und Mundspüllösungen, die solche Extrakte enthalten, seien vorstellbar. So hätten mehrere Studien für regelmäßiges Gurgeln mit Grüntee beziehungsweise Grüntee-Extrakt (mehrere Monate lang) Hinweise auf eine präventive Wirkung gegenüber Influenzaviren ergeben.
Antivirales Potenzial bei ätherischen Ölen
„Neben den Gerbstoffen scheinen auch bestimmte ätherische Öle antivirales Potenzial gegen behüllte Viren zu besitzen“, berichten die Forschenden weiter. Auch hierbei stehe vor allem die Interaktion mit viralen Hüllproteinen im Vordergrund. Die meisten Untersuchungen seien mit dem Hauptbestandteil des Eukalyptusöls (1,8-Cineol) an Herpes-simplex-Viren (HSV-1 / HSV-2) durchgeführt worden. Aber auch bei Influenza infizieren Mäusen habe sich eine protektive Wirkung gezeigt, die jedoch weniger auf einem direkten antiviralen Effekt, sondern vielmehr auf einer Verringerung der Entzündungsreaktionen bei der Pneumonie die Lunge basierte.
Lorbeeröl wirkt gegen das Coronavirus
Des Weiteren habe das ätherische Öl des Lorbeerbaumes eine vielversprechende Wirkung gegen das Coronavirus SARS-CoV gezeigt. Das ätherische Öl aus den oberirdischen Teilen Baumes unterdrücke das Wachstum der Viren. „Inhalative Anwendungen von Lorbeeröl wären hier denkbar, das ggf. allergisierende Potenzial sollte aber bedacht werden“, berichten die Forschenden. Salbei-Öl, das ebenfalls reich an 1,8-Cineol ist, habe einen ähnlichen Effekt gezeigt, allerdings schwächer in seiner Wirkung. Neben ätherischem Öl seien in Salbeiblättern (Salvia officinalis) jedoch auch kondensierte Gerbstoffe enthalten, so dass diese zum Beispiel in Gurgellösungen sinnvoll eingesetzt werden könnten.
„Warum also in Zeiten einer kaum beherrschbaren Virus-Pandemie nicht auch einmal unkonventionell etwas versuchen und testen“, fragen die Forschenden. Die Entwicklung von Lutschzubereitungen mit ätherischen Ölen oder Gerbstoffen sowie entsprechende Gurgel- oder Spüllösungen seien durchaus eine Versuch wert. „Nicht als Arzneimittel – dafür benötigen wir behördliche Zulassungen, aber einfach als Lebensmittel“, so die Forschenden weiter. (fp)
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